Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Die erbare Hure. bekenne dir Corinna/ daß ich keine Jungfer gewesen sey/ da michdein Vater zur Ehe nahm. Jch war Kammermägdlein bey einem vornehmen und reichen Edelmanne. Wann nun meine Frau im Kindbette lag/ oder sonsten kranck war/ und ich dem Juncker das Bette wärmen solte/ nahm er mir unterweilens die Bettpfanne auß der Hand/ klopffte mir auff die Backen/ und sagte: Komm her/ meine liebste Crobyle/ wärme mich einmal/ wie Abisag von Sunem den König David wärmete. Wann ich nun zu ihme ins Bette kam/ erzeigete er sich gegen mir nicht tyrannisch/ als wann sonst ein Kam- mermägdlein zu ihrem Juncker kommet; sondern er tractirte mich so höflich/ so freundlich/ als wann ich eine vornehme adeliche Braut were/ und zu meinem Bräutigam käme. Was solte ich da thun? Solte ich mich stellen als eine unhöfliche Er ließ endlich ein schönes Lusthauß bauen/ und dein Vater Phili- So
Die erbare Hure. bekenne dir Corinna/ daß ich keine Jungfer geweſen ſey/ da michdein Vater zur Ehe nahm. Jch war Kammermaͤgdlein bey einem vornehmen und reichen Edelmanne. Wann nun meine Frau im Kindbette lag/ oder ſonſten kranck war/ und ich dem Juncker das Bette waͤrmen ſolte/ nahm er mir unterweilens die Bettpfanne auß der Hand/ klopffte mir auff die Backen/ und ſagte: Komm her/ meine liebſte Crobyle/ waͤrme mich einmal/ wie Abiſag von Sunem den Koͤnig David waͤrmete. Wann ich nun zu ihme ins Bette kam/ erzeigete er ſich gegen mir nicht tyranniſch/ als wann ſonſt ein Kam- mermaͤgdlein zu ihrem Juncker kommet; ſondern er tractirte mich ſo hoͤflich/ ſo freundlich/ als wann ich eine vornehme adeliche Braut were/ und zu meinem Braͤutigam kaͤme. Was ſolte ich da thun? Solte ich mich ſtellen als eine unhoͤfliche Er ließ endlich ein ſchoͤnes Luſthauß bauen/ und dein Vater Phili- So
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0514" n="472"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die erbare Hure.</hi></fw><lb/> bekenne dir Corinna/ <hi rendition="#fr">daß ich keine Jungfer</hi> geweſen ſey/ da mich<lb/> dein Vater zur Ehe nahm. Jch war Kammermaͤgdlein bey einem<lb/> vornehmen und reichen Edelmanne. Wann nun meine Frau im<lb/> Kindbette lag/ oder ſonſten kranck war/ und ich dem Juncker das<lb/> Bette waͤrmen ſolte/ nahm er mir unterweilens die Bettpfanne auß<lb/> der Hand/ klopffte mir auff die Backen/ und ſagte: Komm her/ meine<lb/> liebſte Crobyle/ <hi rendition="#fr">waͤrme mich einmal/ wie Abiſag</hi> von Sunem<lb/> den Koͤnig David waͤrmete. Wann ich nun zu ihme ins Bette kam/<lb/> erzeigete er ſich gegen mir nicht tyranniſch/ als wann ſonſt ein Kam-<lb/> mermaͤgdlein zu ihrem Juncker kommet; ſondern er tractirte mich<lb/> ſo hoͤflich/ ſo freundlich/ als wann ich eine vornehme adeliche Braut<lb/> were/ und zu meinem Braͤutigam kaͤme.</p><lb/> <p>Was ſolte ich da thun? Solte ich mich ſtellen als eine unhoͤfliche<lb/> Baurendirne? Nein/ ſondern wann ich gegruͤſſet wurde/ danckte ich<lb/> dafuͤr. Jch hatte keinen Schaden davon/ ſondern wann einer kam/<lb/> der meinem Junckern Renten brachte/ warff mir der Juncker unter-<lb/> weilens einen Roſenobel dar/ und ſagte: Sihe da Crobyle/ ich ſehe/<lb/> daß du meiner Liebſten treulich und fleiſſig auffwarteſt/ kauffe dir da-<lb/> fuͤr einen Jahrmarckt/ und ſey ferner fleiſſig und fromm.</p><lb/> <p>Er ließ endlich ein ſchoͤnes Luſthauß bauen/ und dein Vater Phili-<lb/> nus/ welcher von Nuͤrnberg kam/ arbeitete ihm/ und er hatte ſonder-<lb/> lichen Gefallen an ſeiner Arbeit. Einsmals ließ er ihn zur Tafel kom-<lb/> men/ brachte ihm einen guten Rauſch bey/ und ſagte: Philine/ ich<lb/> ſehe/ daß ihr ein guter Meiſter und unverheyratet ſeyd/ ihr weret wol<lb/> werth/ daß ihr eine ſchoͤne tugendhaffte wolerzogene zuͤchtige Jung-<lb/> fer zum Weib bekaͤmet/ was duͤncket euch umb meine Crobylam?<lb/> Hoͤre Crobyle/ da ſetze dich bey Meiſter Philinum/ und rede mit ihm<lb/> ein wenig. Ehen werden im Himmel gemachet/ wer weiß was eurent-<lb/> halben im Himmel oder in der Hoͤlle beſchloſſen ſey. Dein Vater<lb/> Philinus bedanckete ſich gar demuͤtig gegen meinen Juncker/ und<lb/> ſagte: Er ſey einer ſolchen groſſen Gluͤckſeligkeit nicht werth. So<lb/> bald ich aber auff Befehl meines Junckern mich zu ihm ſatzte/ druckte<lb/> er mir die Hand/ und ſaß/ als wann er gantz entzuckt were. Mein Jun-<lb/> cker ſtund einmals auff/ da fieng er an mit mir zu reden/ und ich (auß<lb/> Jungferlicher Zuͤchtigkeit) konte nicht verſtehen was er (auß inbruͤn-<lb/> ſtiger und doch forchtſamer Liebe) redete/ ich glaube/ er habe es ſelbſten<lb/> nicht gewuſt/ das hoͤrete ich endlich/ daß er begehrete zu wiſſen/ ob ich<lb/> ihn zur Ehe nehmen/ und in Lieb und Leid/ in Gluͤck und Ungluͤck ihm<lb/> treu ſeyn wolle? Jch antwortete: Wann es Gott alſo verſehen habe/<lb/> und meines Junckern Wille ſey/ muͤſſe ich meinen Willen Gottes<lb/> und meines Junckern Willen unterwerffen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [472/0514]
Die erbare Hure.
bekenne dir Corinna/ daß ich keine Jungfer geweſen ſey/ da mich
dein Vater zur Ehe nahm. Jch war Kammermaͤgdlein bey einem
vornehmen und reichen Edelmanne. Wann nun meine Frau im
Kindbette lag/ oder ſonſten kranck war/ und ich dem Juncker das
Bette waͤrmen ſolte/ nahm er mir unterweilens die Bettpfanne auß
der Hand/ klopffte mir auff die Backen/ und ſagte: Komm her/ meine
liebſte Crobyle/ waͤrme mich einmal/ wie Abiſag von Sunem
den Koͤnig David waͤrmete. Wann ich nun zu ihme ins Bette kam/
erzeigete er ſich gegen mir nicht tyranniſch/ als wann ſonſt ein Kam-
mermaͤgdlein zu ihrem Juncker kommet; ſondern er tractirte mich
ſo hoͤflich/ ſo freundlich/ als wann ich eine vornehme adeliche Braut
were/ und zu meinem Braͤutigam kaͤme.
Was ſolte ich da thun? Solte ich mich ſtellen als eine unhoͤfliche
Baurendirne? Nein/ ſondern wann ich gegruͤſſet wurde/ danckte ich
dafuͤr. Jch hatte keinen Schaden davon/ ſondern wann einer kam/
der meinem Junckern Renten brachte/ warff mir der Juncker unter-
weilens einen Roſenobel dar/ und ſagte: Sihe da Crobyle/ ich ſehe/
daß du meiner Liebſten treulich und fleiſſig auffwarteſt/ kauffe dir da-
fuͤr einen Jahrmarckt/ und ſey ferner fleiſſig und fromm.
Er ließ endlich ein ſchoͤnes Luſthauß bauen/ und dein Vater Phili-
nus/ welcher von Nuͤrnberg kam/ arbeitete ihm/ und er hatte ſonder-
lichen Gefallen an ſeiner Arbeit. Einsmals ließ er ihn zur Tafel kom-
men/ brachte ihm einen guten Rauſch bey/ und ſagte: Philine/ ich
ſehe/ daß ihr ein guter Meiſter und unverheyratet ſeyd/ ihr weret wol
werth/ daß ihr eine ſchoͤne tugendhaffte wolerzogene zuͤchtige Jung-
fer zum Weib bekaͤmet/ was duͤncket euch umb meine Crobylam?
Hoͤre Crobyle/ da ſetze dich bey Meiſter Philinum/ und rede mit ihm
ein wenig. Ehen werden im Himmel gemachet/ wer weiß was eurent-
halben im Himmel oder in der Hoͤlle beſchloſſen ſey. Dein Vater
Philinus bedanckete ſich gar demuͤtig gegen meinen Juncker/ und
ſagte: Er ſey einer ſolchen groſſen Gluͤckſeligkeit nicht werth. So
bald ich aber auff Befehl meines Junckern mich zu ihm ſatzte/ druckte
er mir die Hand/ und ſaß/ als wann er gantz entzuckt were. Mein Jun-
cker ſtund einmals auff/ da fieng er an mit mir zu reden/ und ich (auß
Jungferlicher Zuͤchtigkeit) konte nicht verſtehen was er (auß inbruͤn-
ſtiger und doch forchtſamer Liebe) redete/ ich glaube/ er habe es ſelbſten
nicht gewuſt/ das hoͤrete ich endlich/ daß er begehrete zu wiſſen/ ob ich
ihn zur Ehe nehmen/ und in Lieb und Leid/ in Gluͤck und Ungluͤck ihm
treu ſeyn wolle? Jch antwortete: Wann es Gott alſo verſehen habe/
und meines Junckern Wille ſey/ muͤſſe ich meinen Willen Gottes
und meines Junckern Willen unterwerffen.
So
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |