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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Der rachgierige
sen anzünden/ daß er wider aller Menschen Gedancken anfängt zu lie-
ben/ welchen er gehasset/ verfolgt und angefeindet hat. Diese Kunst
brauchete Joseph bey seinen Brüdern in Egypten. Er wuste wol wie
sie hiebevor gegen ihn waren gesinnet gewesen/ wie sie ihm den bunten
Rock/ den ihm sein Vater der Patriarch Jacob machen ließ/ so schwer
zu tragen gemacht haben. Aber er schüttet ihnen feurige Kohlen auff
ihre Köpffe/ da er vor ihnen stund und weinete/ da er sie mit Feyerklei-
dern und andern Dingen beschenckete/ da er sie und ihre Kinder in
der Theurung statlich und ansehenlich im Lande Gosen accommodir-
te. Eben diese Kunst brauchte David bey dem Könige Saul da er
ihm den Zipffel vom Rock abschnitt/ und ihm hernach diesen Zipffel
zeigte/ da er ihm erwiese/ daß er ihn hab leichtlich erwürgen können/
aber er habe nicht gewolt. Als Saul dieses hörete/ wurde alsbald sein
Gemüth geändert/ und nennet denjenigen/ welchen er bißhero als
seinen Feind verfolgt hatte/ seinen Sohn/ und sagte: Jst das nicht
deine Stimme mein Sohn David? Und Saul hub seine Stimme
auff und weinete/ und sprach zu David: Du bist gerechter denn ich.
Du hast mir guts erwiesen/ ich aber habe dir böses erwiesen. Versi-
chert euch Lucidor, ihr könnet allen euren Feinden keinen ärgern
Possen thun/ als wann ihr euch durch Gutthat an ihnen rächet. Es
fället mir jetzo ein artige Histori ein/ welche sich in Jdumaea hat zu-
getragen. Es ist ein Fürst im Königreich Neapolis gewesen/ welchen
die Historici Sanseverinum nennen. Dieser Furst hat ihm eins-
mals vorgenommen/ Er wolle den Berg Sinai besehen/ auff wel-
chem Gott das Gesetz gegeben hat. Als er nun in Jdumaeam kom-
men/ hat er einsmals gesehen/ daß ihm auff dem Felde von weitem
entgegen kommen ein hauffen Arabischer Strassenräuber. Da hat
dieser Fürst alsobald seinen Dienern befohlen/ sie solten absteigen/ die
kalte Küche und Flaschenfutter hervor langen/ ein Tischlacken auff die
Erde decken/ und alles zur Mahlzeit fertig machen. Darauff ist er mit
einem Dolmetscher den Arabern entgegen gangen/ hat sie freundlich
gegrüsset/ und gesagt: Er sehe/ daß sie Kriegsleute seyn/ und er sey auch
ein Soldat/ und sey zu dem Ende in diese frembde Länder gezogen/ daß
er erfahre/ was allda Soldaten manier sey. Hat darauff gebeten sie
wollen doch absteigen und mit ihm Mahlzeit halten/ er müsse mit ih-
nen Freundschafft machen/ und ein wenig vom Kriegswesen discur-
riren.
Die Araber haben sich über die Freundligkeit und Höfligkeit
verwundert/ sind alsobald abgestiegen/ und haben mit ihm Mahlzeit
gehalten/ und ihm erzehlet/ was sie für List und Stratagemata im
Kriege gebrauchen. Nach gehaltener Mahlzeit hat der Fürst etzliche
Büchsen/ Pistolen/ Degen und Trinckgeschirr ihnen verehret. Da-
durch hat dieser Fürst zu wegen gebracht/ daß die Araber ihn geliebet

haben

Der rachgierige
ſen anzuͤnden/ daß er wider aller Menſchen Gedancken anfaͤngt zu lie-
ben/ welchen er gehaſſet/ verfolgt und angefeindet hat. Dieſe Kunſt
brauchete Joſeph bey ſeinen Bruͤdern in Egypten. Er wuſte wol wie
ſie hiebevoꝛ gegen ihn waren geſinnet geweſen/ wie ſie ihm den bunten
Rock/ den ihm ſein Vater der Patriarch Jacob machen ließ/ ſo ſchwer
zu tragen gemacht haben. Aber er ſchuͤttet ihnen feurige Kohlen auff
ihre Koͤpffe/ da er vor ihnen ſtund und weinete/ da er ſie mit Feyerklei-
dern und andern Dingen beſchenckete/ da er ſie und ihre Kinder in
der Theuꝛung ſtatlich und anſehenlich im Lande Goſen accommodir-
te. Eben dieſe Kunſt brauchte David bey dem Koͤnige Saul da er
ihm den Zipffel vom Rock abſchnitt/ und ihm hernach dieſen Zipffel
zeigte/ da er ihm erwieſe/ daß er ihn hab leichtlich erwuͤrgen koͤnnen/
aber er habe nicht gewolt. Als Saul dieſes hoͤrete/ wurde alsbald ſein
Gemuͤth geaͤndert/ und nennet denjenigen/ welchen er bißhero als
ſeinen Feind verfolgt hatte/ ſeinen Sohn/ und ſagte: Jſt das nicht
deine Stimme mein Sohn David? Und Saul hub ſeine Stimme
auff und weinete/ und ſprach zu David: Du biſt gerechter denn ich.
Du haſt mir guts erwieſen/ ich aber habe dir boͤſes erwieſen. Verſi-
chert euch Lucidor, ihr koͤnnet allen euren Feinden keinen aͤrgern
Poſſen thun/ als wann ihr euch durch Gutthat an ihnen raͤchet. Es
faͤllet mir jetzo ein artige Hiſtori ein/ welche ſich in Jdumæa hat zu-
getragen. Es iſt ein Fuͤrſt im Koͤnigreich Neapolis geweſen/ welchen
die Hiſtorici Sanſeverinum nennen. Dieſer Furſt hat ihm eins-
mals vorgenommen/ Er wolle den Berg Sinai beſehen/ auff wel-
chem Gott das Geſetz gegeben hat. Als er nun in Jdumæam kom-
men/ hat er einsmals geſehen/ daß ihm auff dem Felde von weitem
entgegen kommen ein hauffen Arabiſcher Straſſenraͤuber. Da hat
dieſer Fuͤrſt alſobald ſeinen Dienern befohlen/ ſie ſolten abſteigen/ die
kalte Kuͤche und Flaſchenfutter hervor langen/ ein Tiſchlacken auff die
Erde decken/ und alles zur Mahlzeit fertig machen. Darauff iſt er mit
einem Dolmetſcher den Arabern entgegen gangen/ hat ſie freundlich
gegruͤſſet/ und geſagt: Er ſehe/ daß ſie Kriegsleute ſeyn/ und er ſey auch
ein Soldat/ und ſey zu dem Ende in dieſe frembde Laͤnder gezogen/ daß
er erfahre/ was allda Soldaten manier ſey. Hat darauff gebeten ſie
wollen doch abſteigen und mit ihm Mahlzeit halten/ er muͤſſe mit ih-
nen Freundſchafft machen/ und ein wenig vom Kriegsweſen diſcur-
riren.
Die Araber haben ſich uͤber die Freundligkeit und Hoͤfligkeit
verwundert/ ſind alſobald abgeſtiegen/ und haben mit ihm Mahlzeit
gehalten/ und ihm erzehlet/ was ſie fuͤr Liſt und Stratagemata im
Kriege gebrauchen. Nach gehaltener Mahlzeit hat der Fuͤrſt etzliche
Buͤchſen/ Piſtolen/ Degen und Trinckgeſchirꝛ ihnen verehret. Da-
durch hat dieſer Fuͤrſt zu wegen gebracht/ daß die Araber ihn geliebet

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[314/0356] Der rachgierige ſen anzuͤnden/ daß er wider aller Menſchen Gedancken anfaͤngt zu lie- ben/ welchen er gehaſſet/ verfolgt und angefeindet hat. Dieſe Kunſt brauchete Joſeph bey ſeinen Bruͤdern in Egypten. Er wuſte wol wie ſie hiebevoꝛ gegen ihn waren geſinnet geweſen/ wie ſie ihm den bunten Rock/ den ihm ſein Vater der Patriarch Jacob machen ließ/ ſo ſchwer zu tragen gemacht haben. Aber er ſchuͤttet ihnen feurige Kohlen auff ihre Koͤpffe/ da er vor ihnen ſtund und weinete/ da er ſie mit Feyerklei- dern und andern Dingen beſchenckete/ da er ſie und ihre Kinder in der Theuꝛung ſtatlich und anſehenlich im Lande Goſen accommodir- te. Eben dieſe Kunſt brauchte David bey dem Koͤnige Saul da er ihm den Zipffel vom Rock abſchnitt/ und ihm hernach dieſen Zipffel zeigte/ da er ihm erwieſe/ daß er ihn hab leichtlich erwuͤrgen koͤnnen/ aber er habe nicht gewolt. Als Saul dieſes hoͤrete/ wurde alsbald ſein Gemuͤth geaͤndert/ und nennet denjenigen/ welchen er bißhero als ſeinen Feind verfolgt hatte/ ſeinen Sohn/ und ſagte: Jſt das nicht deine Stimme mein Sohn David? Und Saul hub ſeine Stimme auff und weinete/ und ſprach zu David: Du biſt gerechter denn ich. Du haſt mir guts erwieſen/ ich aber habe dir boͤſes erwieſen. Verſi- chert euch Lucidor, ihr koͤnnet allen euren Feinden keinen aͤrgern Poſſen thun/ als wann ihr euch durch Gutthat an ihnen raͤchet. Es faͤllet mir jetzo ein artige Hiſtori ein/ welche ſich in Jdumæa hat zu- getragen. Es iſt ein Fuͤrſt im Koͤnigreich Neapolis geweſen/ welchen die Hiſtorici Sanſeverinum nennen. Dieſer Furſt hat ihm eins- mals vorgenommen/ Er wolle den Berg Sinai beſehen/ auff wel- chem Gott das Geſetz gegeben hat. Als er nun in Jdumæam kom- men/ hat er einsmals geſehen/ daß ihm auff dem Felde von weitem entgegen kommen ein hauffen Arabiſcher Straſſenraͤuber. Da hat dieſer Fuͤrſt alſobald ſeinen Dienern befohlen/ ſie ſolten abſteigen/ die kalte Kuͤche und Flaſchenfutter hervor langen/ ein Tiſchlacken auff die Erde decken/ und alles zur Mahlzeit fertig machen. Darauff iſt er mit einem Dolmetſcher den Arabern entgegen gangen/ hat ſie freundlich gegruͤſſet/ und geſagt: Er ſehe/ daß ſie Kriegsleute ſeyn/ und er ſey auch ein Soldat/ und ſey zu dem Ende in dieſe frembde Laͤnder gezogen/ daß er erfahre/ was allda Soldaten manier ſey. Hat darauff gebeten ſie wollen doch abſteigen und mit ihm Mahlzeit halten/ er muͤſſe mit ih- nen Freundſchafft machen/ und ein wenig vom Kriegsweſen diſcur- riren. Die Araber haben ſich uͤber die Freundligkeit und Hoͤfligkeit verwundert/ ſind alſobald abgeſtiegen/ und haben mit ihm Mahlzeit gehalten/ und ihm erzehlet/ was ſie fuͤr Liſt und Stratagemata im Kriege gebrauchen. Nach gehaltener Mahlzeit hat der Fuͤrſt etzliche Buͤchſen/ Piſtolen/ Degen und Trinckgeſchirꝛ ihnen verehret. Da- durch hat dieſer Fuͤrſt zu wegen gebracht/ daß die Araber ihn geliebet haben

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/356>, abgerufen am 25.11.2024.