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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Lucidor.
wol seyn/ daß David diesen Psalm gemacht hat kurtz für einem hohen
Fest/ und hat darin Gott angeruffen/ daß er sein Seele/ seine Seele
sag ich/ erretten wolle von den Lügenmäulern und falschen Zungen/ da-
mit sie nit wie ein scharffes Schwerdt seine Seele durchtringen/ ihm
sein Hertz verwunden/ und ihn also in seiner Andacht verhindern. Jch
kan mich nicht gnugsam verwundern über die durchtringende Wor-
te/ welche David in diesem Psalm brauchet. Er vergleichet ein Lügen-
Maul oder eine falsche Zunge einem scharffen Pfeil eines Starcken.
Was ein Cavallier mit seinem Degen und andern Waffen thut/ das
thut ein Lügenmaul mit seiner falschen Zunge. Ja ein Lügner kan mit
seiner Zungen mehr Schaden thun/ als der stärckste Cavallier mit
seinem Degen und Pistolen. Denn ein Cavallier sey so tapffer und
starck als er wolle/ so kan er doch nur mit seinem Degen verletzen einen
Mann der gegenwertig ist. Aber ein Lügner kan mit seiner gifftigen
Zungen verletzen einen ehrlichen Mann/ der 50. oder 100. Meil We-
ges von ihm ist. Wann ein Feind vor eine Stadt kompt/ und dieselbe
in Grund verderben wil/ so ist das das letzte und äusserste Mittel/
daß er sie in Brand stecke wie Carthago oder Jerusalem. Also ist das
das äusserste Mittel deß Teuffels/ wann er ein gantzes Hauß/ eine
gantze Familiam verderben oder betrüben wil/ so schicket er Lügner
und falsche Zungen hinein. Von solchen falschen Zungen sagt S. Ja-
cob in seiner Epistel am dritten/ daß sie groß Unglück anrichten/ und
seyen wie ein Feuer/ das einen gantzen Wald anzündet. Der König
David aber gebrauchet Psalm 120. noch kräfftigere Wort/ und sagt/
daß solche Zungen seyn wie ein Feuer in Wacholdern. Die Natur-
kündiger wissen/ daß in den Wacholdern sey eine sonderliche Fettig-
keit und Olität. Wann nun ein Feuer in den Wacholdern kompt/ so
brennet es so starck/ daß man es nicht leicht leschen kan. Eben ein sol-
ches Feuer richtet eine verlogene Zunge an. Jener alte Teutsche sagte:

Dorn und Distel stechen sehr/
Falsche Zungen noch vielmehr/
Noch wolt ich lieber unter Dorn und Distel baden/
Als mit falschen Zungen seyn beladen.

Es scheinet fast/ als ob eben dieser Meynung der König David ge-
wesen sey. Drumb vergleichet er sich einem Frembdling unter Me-
sech/
und deklagt sich/ daß ihm eben also zu muthe sey/ gleich wie einem
der wohnen müsse/ unter den Hütten Kedar. Mesech und Kedar sind
die Völcker/ welche heutiges Tages Tartarn/ Saracenen und Tür-
cken heissen. Fraget die armen Sclaven/ welche unter den Türcken ge-
fangen gesessen/ wie sie so unbarmhertzig von ihnen tractiret werden?
Aber ein Türck kan einem armen frembden Sclaven so weh nicht
thun/ als ein Verläumbder einem ehrlichen/ redlichen/ unschuldi-

gen
U iiij

Lucidor.
wol ſeyn/ daß David dieſen Pſalm gemacht hat kurtz fuͤr einem hohen
Feſt/ und hat darin Gott angeruffen/ daß er ſein Seele/ ſeine Seele
ſag ich/ erretten wolle von den Luͤgenmaͤulern und falſchen Zungen/ da-
mit ſie nit wie ein ſcharffes Schwerdt ſeine Seele durchtringen/ ihm
ſein Hertz verwunden/ und ihn alſo in ſeiner Andacht verhindern. Jch
kan mich nicht gnugſam verwundern uͤber die durchtringende Wor-
te/ welche David in dieſem Pſalm brauchet. Er vergleichet ein Luͤgen-
Maul oder eine falſche Zunge einem ſcharffen Pfeil eines Starcken.
Was ein Cavallier mit ſeinem Degen und andern Waffen thut/ das
thut ein Luͤgenmaul mit ſeiner falſchen Zunge. Ja ein Luͤgner kan mit
ſeiner Zungen mehr Schaden thun/ als der ſtaͤrckſte Cavallier mit
ſeinem Degen und Piſtolen. Denn ein Cavallier ſey ſo tapffer und
ſtarck als er wolle/ ſo kan er doch nur mit ſeinem Degen verletzen einen
Mann der gegenwertig iſt. Aber ein Luͤgner kan mit ſeiner gifftigen
Zungen verletzen einen ehrlichen Mann/ der 50. oder 100. Meil We-
ges von ihm iſt. Wann ein Feind vor eine Stadt kompt/ und dieſelbe
in Grund verderben wil/ ſo iſt das das letzte und aͤuſſerſte Mittel/
daß er ſie in Brand ſtecke wie Carthago oder Jeruſalem. Alſo iſt das
das aͤuſſerſte Mittel deß Teuffels/ wann er ein gantzes Hauß/ eine
gantze Familiam verderben oder betruͤben wil/ ſo ſchicket er Luͤgner
und falſche Zungen hinein. Von ſolchen falſchen Zungen ſagt S. Ja-
cob in ſeiner Epiſtel am dritten/ daß ſie groß Ungluͤck anrichten/ und
ſeyen wie ein Feuer/ das einen gantzen Wald anzuͤndet. Der Koͤnig
David aber gebrauchet Pſalm 120. noch kraͤfftigere Wort/ und ſagt/
daß ſolche Zungen ſeyn wie ein Feuer in Wacholdern. Die Natur-
kuͤndiger wiſſen/ daß in den Wacholdern ſey eine ſonderliche Fettig-
keit und Olitaͤt. Wann nun ein Feuer in den Wacholdern kompt/ ſo
brennet es ſo ſtarck/ daß man es nicht leicht leſchen kan. Eben ein ſol-
ches Feuer richtet eine verlogene Zunge an. Jener alte Teutſche ſagte:

Dorn und Diſtel ſtechen ſehr/
Falſche Zungen noch vielmehr/
Noch wolt ich lieber unter Dorn und Diſtel baden/
Als mit falſchen Zungen ſeyn beladen.

Es ſcheinet faſt/ als ob eben dieſer Meynung der Koͤnig David ge-
weſen ſey. Drumb vergleichet er ſich einem Frembdling unter Me-
ſech/
uñ deklagt ſich/ daß ihm eben alſo zu muthe ſey/ gleich wie einem
der wohnen muͤſſe/ unter den Huͤtten Kedar. Meſech und Kedar ſind
die Voͤlcker/ welche heutiges Tages Tartarn/ Saracenen und Tuͤr-
cken heiſſen. Fraget die armen Sclaven/ welche unter den Tuͤrcken ge-
fangen geſeſſen/ wie ſie ſo unbarmhertzig von ihnen tractiret werden?
Aber ein Tuͤrck kan einem armen frembden Sclaven ſo weh nicht
thun/ als ein Verlaͤumbder einem ehrlichen/ redlichen/ unſchuldi-

gen
U iiij
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[311/0353] Lucidor. wol ſeyn/ daß David dieſen Pſalm gemacht hat kurtz fuͤr einem hohen Feſt/ und hat darin Gott angeruffen/ daß er ſein Seele/ ſeine Seele ſag ich/ erretten wolle von den Luͤgenmaͤulern und falſchen Zungen/ da- mit ſie nit wie ein ſcharffes Schwerdt ſeine Seele durchtringen/ ihm ſein Hertz verwunden/ und ihn alſo in ſeiner Andacht verhindern. Jch kan mich nicht gnugſam verwundern uͤber die durchtringende Wor- te/ welche David in dieſem Pſalm brauchet. Er vergleichet ein Luͤgen- Maul oder eine falſche Zunge einem ſcharffen Pfeil eines Starcken. Was ein Cavallier mit ſeinem Degen und andern Waffen thut/ das thut ein Luͤgenmaul mit ſeiner falſchen Zunge. Ja ein Luͤgner kan mit ſeiner Zungen mehr Schaden thun/ als der ſtaͤrckſte Cavallier mit ſeinem Degen und Piſtolen. Denn ein Cavallier ſey ſo tapffer und ſtarck als er wolle/ ſo kan er doch nur mit ſeinem Degen verletzen einen Mann der gegenwertig iſt. Aber ein Luͤgner kan mit ſeiner gifftigen Zungen verletzen einen ehrlichen Mann/ der 50. oder 100. Meil We- ges von ihm iſt. Wann ein Feind vor eine Stadt kompt/ und dieſelbe in Grund verderben wil/ ſo iſt das das letzte und aͤuſſerſte Mittel/ daß er ſie in Brand ſtecke wie Carthago oder Jeruſalem. Alſo iſt das das aͤuſſerſte Mittel deß Teuffels/ wann er ein gantzes Hauß/ eine gantze Familiam verderben oder betruͤben wil/ ſo ſchicket er Luͤgner und falſche Zungen hinein. Von ſolchen falſchen Zungen ſagt S. Ja- cob in ſeiner Epiſtel am dritten/ daß ſie groß Ungluͤck anrichten/ und ſeyen wie ein Feuer/ das einen gantzen Wald anzuͤndet. Der Koͤnig David aber gebrauchet Pſalm 120. noch kraͤfftigere Wort/ und ſagt/ daß ſolche Zungen ſeyn wie ein Feuer in Wacholdern. Die Natur- kuͤndiger wiſſen/ daß in den Wacholdern ſey eine ſonderliche Fettig- keit und Olitaͤt. Wann nun ein Feuer in den Wacholdern kompt/ ſo brennet es ſo ſtarck/ daß man es nicht leicht leſchen kan. Eben ein ſol- ches Feuer richtet eine verlogene Zunge an. Jener alte Teutſche ſagte: Dorn und Diſtel ſtechen ſehr/ Falſche Zungen noch vielmehr/ Noch wolt ich lieber unter Dorn und Diſtel baden/ Als mit falſchen Zungen ſeyn beladen. Es ſcheinet faſt/ als ob eben dieſer Meynung der Koͤnig David ge- weſen ſey. Drumb vergleichet er ſich einem Frembdling unter Me- ſech/ uñ deklagt ſich/ daß ihm eben alſo zu muthe ſey/ gleich wie einem der wohnen muͤſſe/ unter den Huͤtten Kedar. Meſech und Kedar ſind die Voͤlcker/ welche heutiges Tages Tartarn/ Saracenen und Tuͤr- cken heiſſen. Fraget die armen Sclaven/ welche unter den Tuͤrcken ge- fangen geſeſſen/ wie ſie ſo unbarmhertzig von ihnen tractiret werden? Aber ein Tuͤrck kan einem armen frembden Sclaven ſo weh nicht thun/ als ein Verlaͤumbder einem ehrlichen/ redlichen/ unſchuldi- gen U iiij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/353>, abgerufen am 25.11.2024.