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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Der rachgierige
wesen/ da sey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu essen? Ob er
Lust hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem
gebratenen Hasen? Oder zu einem Essen Gründeln oder Forellen!
Da hab er geantwortet Nein/ sondern er hab kürtzlich einen Hauffen
gottloser Procuratoren gesehen auff der Cantzeley/ die haben so ar-
tig liegen und die Leut betriegen können/ wann er eine Pastete hätte
von Procurator Zungen/ so wolt er sich recht damit erquicken.

Zwar Rechts-Proceß auff Cantzleyen/ Rahthäusern und vor
andern Richter-Stülen führen/ ist von Gott nicht verboten. Chri-
stus selbst/ als er vor dem geistlichen Gericht stund/ und eine Ohrfeige
bekam/ da hielt Er nicht den andern Backen alsbald auch dar/ und
sagte/ gib mir noch eine. Sondern Er verantwortet sich/ und sagte/
hab ich übel geredet/ so beweise es/ daß es böse sey; Hab ich aber recht
geredet/ was schlägst du mich? Joh. 18. Paulus gönnete den Juden al-
les gutes/ er hatte sie hertzlich lieb/ er wünschet verbannet zu seyn von
Christo für seine Brüder/ die seine Gefreundte waren nach dem
Fleisch/ Rom. 9/ 3. Gleichwol als er von ihnen versolget und fälschlich
verklaget wurde/ brauchte er sich ordentlicher Rathsmittel. Da er sol-
te gestäupt und gegeisselt werden/ berieff er sich auff seine Privilegia,
die er als ein Römischer Bürger hatte/ Act. 22. Da er vor dem Land-
pfleger Festo stund/ und die Juden von Jerusalem viel und schwere
Klagen wider ihn vorbrachten/ welche sie nicht kunten beweisen/ da
appellirte er an den Käyser/ Act. 25. Aber liebster Lucidor, was
gehet nicht offt für Rachgier unter dem Schein deß Rechtens für?
Jch erinnere mich jetzo/ daß Abraham und Loth in eine differentz ge-
rathen seyen/ da sagte Abraham/ laß nicht Zanck seyn zwischen mir und
dir/ zwischen meinen und deinen Hirten. Denn wir sind Gebrüder.
Wilstu zur Rechten/ so will ich zur Lincken/ wilstu zur Lincken/ so will
ich zur Rechten. Sehet/ da gab der Alte dem Jungen nach. Ein grosser
Lehrer wiche seinem Schüler. Abraham hatte den Loth ins Land ge-
bracht/ und hätte ihm befehlen können/ wo er sich hinsetzen solle. Allein
er ließ ihm die Wahl und sagte: Wilstu zur Rechten/ so will ich zur
Lincken. Und an diesem sanfftmütigen und friedfertigen Abraham
machte Gott wahr/ was Christus saget/ Matth. 5. Selig sind die
Sanfftmütigen/ denn sie werden das Erdreich besitzen. Seine Nach-
kommen bekamen das gantze Land Canaan/ und waren gesegnete Leu-
te/ da hergegen Loths Nachkommen unglückselige und verfluchte Leu-
te. Jch habe jüngst einen von eurer Parthey gehört/ der sagte/ die
Pfaffen machen ein solch groß Wesen/ daß man sich mit seinem Nech-
sten vertragen solle. Allein ich sehe gleichwol wenig Heiligen/ die
eine grosse Profession von Vergebung und Verzeihung der ihnen

zugefüg-

Der rachgierige
weſen/ da ſey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu eſſen? Ob er
Luſt hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem
gebratenen Haſen? Oder zu einem Eſſen Gruͤndeln oder Forellen!
Da hab er geantwortet Nein/ ſondern er hab kuͤrtzlich einen Hauffen
gottloſer Procuratoren geſehen auff der Cantzeley/ die haben ſo ar-
tig liegen und die Leut betriegen koͤnnen/ wann er eine Paſtete haͤtte
von Procurator Zungen/ ſo wolt er ſich recht damit erquicken.

Zwar Rechts-Proceß auff Cantzleyen/ Rahthaͤuſern und vor
andern Richter-Stuͤlen fuͤhren/ iſt von Gott nicht verboten. Chri-
ſtus ſelbſt/ als er vor dem geiſtlichen Gericht ſtund/ und eine Ohrfeige
bekam/ da hielt Er nicht den andern Backen alsbald auch dar/ und
ſagte/ gib mir noch eine. Sondern Er verantwortet ſich/ und ſagte/
hab ich uͤbel geredet/ ſo beweiſe es/ daß es boͤſe ſey; Hab ich aber recht
geredet/ was ſchlaͤgſt du mich? Joh. 18. Paulus goͤnnete den Juden al-
les gutes/ er hatte ſie hertzlich lieb/ er wuͤnſchet verbannet zu ſeyn von
Chriſto fuͤr ſeine Bruͤder/ die ſeine Gefreundte waren nach dem
Fleiſch/ Rom. 9/ 3. Gleichwol als er von ihnẽ verſolget und faͤlſchlich
verklaget wurde/ brauchte er ſich ordentlicher Rathsmittel. Da er ſol-
te geſtaͤupt und gegeiſſelt werden/ berieff er ſich auff ſeine Privilegia,
die er als ein Roͤmiſcher Buͤrger hatte/ Act. 22. Da er vor dem Land-
pfleger Feſto ſtund/ und die Juden von Jeruſalem viel und ſchwere
Klagen wider ihn vorbrachten/ welche ſie nicht kunten beweiſen/ da
appellirte er an den Kaͤyſer/ Act. 25. Aber liebſter Lucidor, was
gehet nicht offt fuͤr Rachgier unter dem Schein deß Rechtens fuͤr?
Jch erinnere mich jetzo/ daß Abraham und Loth in eine differentz ge-
rathen ſeyen/ da ſagte Abraham/ laß nicht Zanck ſeyn zwiſchen mir und
dir/ zwiſchen meinen und deinen Hirten. Denn wir ſind Gebruͤder.
Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur Lincken/ wilſtu zur Lincken/ ſo will
ich zur Rechten. Sehet/ da gab der Alte dem Jungen nach. Ein groſſer
Lehrer wiche ſeinem Schuͤler. Abraham hatte den Loth ins Land ge-
bracht/ und haͤtte ihm befehlen koͤnnen/ wo er ſich hinſetzen ſolle. Allein
er ließ ihm die Wahl und ſagte: Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur
Lincken. Und an dieſem ſanfftmuͤtigen und friedfertigen Abraham
machte Gott wahr/ was Chriſtus ſaget/ Matth. 5. Selig ſind die
Sanfftmuͤtigen/ denn ſie werden das Erdreich beſitzen. Seine Nach-
kommen bekamen das gantze Land Canaan/ und waren geſegnete Leu-
te/ da hergegen Loths Nachkommen ungluͤckſelige und verfluchte Leu-
te. Jch habe juͤngſt einen von eurer Parthey gehoͤrt/ der ſagte/ die
Pfaffen machen ein ſolch groß Weſen/ daß man ſich mit ſeinem Nech-
ſten vertragen ſolle. Allein ich ſehe gleichwol wenig Heiligen/ die
eine groſſe Profeſſion von Vergebung und Verzeihung der ihnen

zugefuͤg-
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[306/0348] Der rachgierige weſen/ da ſey er gefragt worden was ihm doch beliebe zu eſſen? Ob er Luſt hab zu einem Grammetsvogel/ oder zu einem Bißlein von einem gebratenen Haſen? Oder zu einem Eſſen Gruͤndeln oder Forellen! Da hab er geantwortet Nein/ ſondern er hab kuͤrtzlich einen Hauffen gottloſer Procuratoren geſehen auff der Cantzeley/ die haben ſo ar- tig liegen und die Leut betriegen koͤnnen/ wann er eine Paſtete haͤtte von Procurator Zungen/ ſo wolt er ſich recht damit erquicken. Zwar Rechts-Proceß auff Cantzleyen/ Rahthaͤuſern und vor andern Richter-Stuͤlen fuͤhren/ iſt von Gott nicht verboten. Chri- ſtus ſelbſt/ als er vor dem geiſtlichen Gericht ſtund/ und eine Ohrfeige bekam/ da hielt Er nicht den andern Backen alsbald auch dar/ und ſagte/ gib mir noch eine. Sondern Er verantwortet ſich/ und ſagte/ hab ich uͤbel geredet/ ſo beweiſe es/ daß es boͤſe ſey; Hab ich aber recht geredet/ was ſchlaͤgſt du mich? Joh. 18. Paulus goͤnnete den Juden al- les gutes/ er hatte ſie hertzlich lieb/ er wuͤnſchet verbannet zu ſeyn von Chriſto fuͤr ſeine Bruͤder/ die ſeine Gefreundte waren nach dem Fleiſch/ Rom. 9/ 3. Gleichwol als er von ihnẽ verſolget und faͤlſchlich verklaget wurde/ brauchte er ſich ordentlicher Rathsmittel. Da er ſol- te geſtaͤupt und gegeiſſelt werden/ berieff er ſich auff ſeine Privilegia, die er als ein Roͤmiſcher Buͤrger hatte/ Act. 22. Da er vor dem Land- pfleger Feſto ſtund/ und die Juden von Jeruſalem viel und ſchwere Klagen wider ihn vorbrachten/ welche ſie nicht kunten beweiſen/ da appellirte er an den Kaͤyſer/ Act. 25. Aber liebſter Lucidor, was gehet nicht offt fuͤr Rachgier unter dem Schein deß Rechtens fuͤr? Jch erinnere mich jetzo/ daß Abraham und Loth in eine differentz ge- rathen ſeyen/ da ſagte Abraham/ laß nicht Zanck ſeyn zwiſchen mir und dir/ zwiſchen meinen und deinen Hirten. Denn wir ſind Gebruͤder. Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur Lincken/ wilſtu zur Lincken/ ſo will ich zur Rechten. Sehet/ da gab der Alte dem Jungen nach. Ein groſſer Lehrer wiche ſeinem Schuͤler. Abraham hatte den Loth ins Land ge- bracht/ und haͤtte ihm befehlen koͤnnen/ wo er ſich hinſetzen ſolle. Allein er ließ ihm die Wahl und ſagte: Wilſtu zur Rechten/ ſo will ich zur Lincken. Und an dieſem ſanfftmuͤtigen und friedfertigen Abraham machte Gott wahr/ was Chriſtus ſaget/ Matth. 5. Selig ſind die Sanfftmuͤtigen/ denn ſie werden das Erdreich beſitzen. Seine Nach- kommen bekamen das gantze Land Canaan/ und waren geſegnete Leu- te/ da hergegen Loths Nachkommen ungluͤckſelige und verfluchte Leu- te. Jch habe juͤngſt einen von eurer Parthey gehoͤrt/ der ſagte/ die Pfaffen machen ein ſolch groß Weſen/ daß man ſich mit ſeinem Nech- ſten vertragen ſolle. Allein ich ſehe gleichwol wenig Heiligen/ die eine groſſe Profeſſion von Vergebung und Verzeihung der ihnen zugefuͤg-

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/348>, abgerufen am 22.11.2024.