Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Der rachgierige straffen. Gleichwie ihr alle Gelegenheit suchen wollet/ euch an eu-rem Nechsten zu rächen und ihn zu straffen. Jch frage euch/ ob euch nicht die Haar zu Berge stehen/ ob euch nicht das Hertz im Leibe bebe/ wann ihr dencket an die schreckliche Wort Matth. 18. da Chri- stus sagt: Also wird euch mein himmlischer Vater auch thun/ so ihr nicht vergebet von eurem Hertzen/ ein je- glicher seinem Bruder seine Fehle. Gott mag es nicht hö- ren/ wann ihr mit unversöhnlichem Hertzen betet und sprechet: Und führe uns nicht in Versuchung. Dencket doch/ wie ihr GOTT versuchet/ in dem ihr ihm anmuthet/ er solle euch verzeihen/ und ihr wollet eurem Nechsten nicht verzeihen. Dann ihr wisset ja selbst wol/ daß es nicht angehe. Sintemal der Sohn Gottes auß- trücklich sagt: So ihr den Menschen ihre Fehle nicht ver- gebet/ so wird euch mein himmlischer Vater eure Fehler auch nicht vergeben. Gott mag es nicht hören/ wann ihr mit unversöhnlichem rachgierigem Hertzen betet und sprechet: Erlöse uns von dem Ubel: Dann dencket wie ein groß Unglück das sey/ in Haß/ Neid und Feindschafft leben? Jhr habt ja in eurem Her- tzen keine Ruhe/ sondern gehet und quälet euch Tag und Nacht/ und fresset euch euer eigen Hertz. Euer rachgierige Gedaucken sind Ot- tergezücht/ welche ihr eigene Mutter verzehren. Jst das nicht Ubel und Unglücks genug? Wann kein Himmel oder Hölle were/ so ge- dencket doch/ was das zancken oder rechtfertigen für Unruhe mache? Wie manche edle Stunde es verderbe/ die man mit den Procura- toribus und Advocaten, mit verdrießlichem Brieffe schreiben/ mit rennen und lauffen zubringen muß? Wie offt es den Schlaff breche/ und das gantze Gemüth verunruhen? O Ubel! O Un- glück! Man sagt/ daß ein Jtaliänischer Münch zu Rom gewe- sen sey/ zu welchem viel Schweitzer in die Beicht kommen seyn/ und haben gemeiniglich gebeichtet/ daß sie sich offt voll gesoffen ha- ben. Da habe der Münch gedacht/ es müsse das Vollsauffen ein sonderliche Kurtzweil seyn. Habe sich demnach auch einmal voll gesoffen. Allein deß andern Tages/ habe er befunden ein solches Hauptwehe daß er nicht habe gewust/ wo er sich hinwenden solte. Wann nun widerumb ein Schweitzer zu ihm in die Beicht kom- men sey/ und geklaget habe/ daß er sich voll gesossen/ habe er ihm zur Poenitentz alsobald aufferleget/ er solte sich noch einmal voll sauf- fen. Und hab vermeynet/ damit habe er ihm Straff genug auff den Hals geladen. Jch will dieses Mönches Namen/ dieser action halben/ zwar nicht unter den Heiligen im Calender suchen. Allein wann ich einem/ der einen Rechtshandel gegen mich führet/ etwas böses
Der rachgierige ſtraffen. Gleichwie ihr alle Gelegenheit ſuchen wollet/ euch an eu-rem Nechſten zu raͤchen und ihn zu ſtraffen. Jch frage euch/ ob euch nicht die Haar zu Berge ſtehen/ ob euch nicht das Hertz im Leibe bebe/ wann ihr dencket an die ſchreckliche Wort Matth. 18. da Chri- ſtus ſagt: Alſo wird euch mein himmliſcher Vater auch thun/ ſo ihr nicht vergebet von eurem Hertzen/ ein je- glicher ſeinem Bruder ſeine Fehle. Gott mag es nicht hoͤ- ren/ wann ihr mit unverſoͤhnlichem Hertzen betet und ſprechet: Und fuͤhre uns nicht in Verſuchung. Dencket doch/ wie ihr GOTT verſuchet/ in dem ihr ihm anmuthet/ er ſolle euch verzeihen/ und ihr wollet eurem Nechſten nicht verzeihen. Dann ihr wiſſet ja ſelbſt wol/ daß es nicht angehe. Sintemal der Sohn Gottes auß- truͤcklich ſagt: So ihr den Menſchen ihre Fehle nicht ver- gebet/ ſo wird euch mein himmliſcher Vater eure Fehler auch nicht vergeben. Gott mag es nicht hoͤren/ wann ihr mit unverſoͤhnlichem rachgierigem Hertzen betet und ſprechet: Erloͤſe uns von dem Ubel: Dann dencket wie ein groß Ungluͤck das ſey/ in Haß/ Neid und Feindſchafft leben? Jhr habt ja in eurem Her- tzen keine Ruhe/ ſondern gehet und quaͤlet euch Tag und Nacht/ und freſſet euch euer eigen Hertz. Euer rachgierige Gedaucken ſind Ot- tergezuͤcht/ welche ihr eigene Mutter verzehren. Jſt das nicht Ubel und Ungluͤcks genug? Wann kein Himmel oder Hoͤlle were/ ſo ge- dencket doch/ was das zancken oder rechtfertigen fuͤr Unruhe mache? Wie manche edle Stunde es verderbe/ die man mit den Procura- toribus und Advocaten, mit verdrießlichem Brieffe ſchreiben/ mit rennen und lauffen zubringen muß? Wie offt es den Schlaff breche/ und das gantze Gemuͤth verunruhen? O Ubel! O Un- gluͤck! Man ſagt/ daß ein Jtaliaͤniſcher Muͤnch zu Rom gewe- ſen ſey/ zu welchem viel Schweitzer in die Beicht kommen ſeyn/ und haben gemeiniglich gebeichtet/ daß ſie ſich offt voll geſoffen ha- ben. Da habe der Muͤnch gedacht/ es muͤſſe das Vollſauffen ein ſonderliche Kurtzweil ſeyn. Habe ſich demnach auch einmal voll geſoffen. Allein deß andern Tages/ habe er befunden ein ſolches Hauptwehe daß er nicht habe gewuſt/ wo er ſich hinwenden ſolte. Wann nun widerumb ein Schweitzer zu ihm in die Beicht kom- men ſey/ und geklaget habe/ daß er ſich voll geſoſſen/ habe er ihm zur Pœnitentz alſobald aufferleget/ er ſolte ſich noch einmal voll ſauf- fen. Und hab vermeynet/ damit habe er ihm Straff genug auff den Hals geladen. Jch will dieſes Moͤnches Namen/ dieſer action halben/ zwar nicht unter den Heiligen im Calender ſuchen. Allein wann ich einem/ der einen Rechtshandel gegen mich fuͤhret/ etwas boͤſes
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0322" n="280"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der rachgierige</hi></fw><lb/> ſtraffen. Gleichwie ihr alle Gelegenheit ſuchen wollet/ euch an eu-<lb/> rem Nechſten zu raͤchen und ihn zu ſtraffen. Jch frage euch/ ob euch<lb/> nicht die Haar zu Berge ſtehen/ ob euch nicht das Hertz im Leibe<lb/> bebe/ wann ihr dencket an die ſchreckliche Wort Matth. 18. da Chri-<lb/> ſtus ſagt: <hi rendition="#fr">Alſo wird euch mein himmliſcher Vater auch<lb/> thun/ ſo ihr nicht vergebet von eurem Hertzen/ ein je-<lb/> glicher ſeinem Bruder ſeine Fehle.</hi> Gott mag es nicht hoͤ-<lb/> ren/ wann ihr mit unverſoͤhnlichem Hertzen betet und ſprechet:<lb/><hi rendition="#fr">Und fuͤhre uns nicht in Verſuchung.</hi> Dencket doch/ wie ihr<lb/> GOTT verſuchet/ in dem ihr ihm anmuthet/ er ſolle euch verzeihen/<lb/> und ihr wollet eurem Nechſten nicht verzeihen. Dann ihr wiſſet ja<lb/> ſelbſt wol/ daß es nicht angehe. Sintemal der Sohn Gottes auß-<lb/> truͤcklich ſagt: <hi rendition="#fr">So ihr den Menſchen ihre Fehle nicht ver-<lb/> gebet/ ſo wird euch mein himmliſcher Vater eure Fehler<lb/> auch nicht vergeben.</hi> Gott mag es nicht hoͤren/ wann ihr mit<lb/> unverſoͤhnlichem rachgierigem Hertzen betet und ſprechet: <hi rendition="#fr">Erloͤſe<lb/> uns von dem Ubel:</hi> Dann dencket wie ein groß Ungluͤck das<lb/> ſey/ in Haß/ Neid und Feindſchafft leben? Jhr habt ja in eurem Her-<lb/> tzen keine Ruhe/ ſondern gehet und quaͤlet euch Tag und Nacht/ und<lb/> freſſet euch euer eigen Hertz. Euer rachgierige Gedaucken ſind Ot-<lb/> tergezuͤcht/ welche ihr eigene Mutter verzehren. Jſt das nicht Ubel<lb/> und Ungluͤcks genug? Wann kein Himmel oder Hoͤlle were/ ſo ge-<lb/> dencket doch/ was das zancken oder rechtfertigen fuͤr Unruhe mache?<lb/> Wie manche edle Stunde es verderbe/ die man mit den <hi rendition="#aq">Procura-<lb/> toribus</hi> und <hi rendition="#aq">Advocaten,</hi> mit verdrießlichem Brieffe ſchreiben/<lb/> mit rennen und lauffen zubringen muß? Wie offt es den Schlaff<lb/> breche/ und das gantze Gemuͤth verunruhen? <hi rendition="#fr">O Ubel! O Un-<lb/> gluͤck!</hi> Man ſagt/ daß ein Jtaliaͤniſcher Muͤnch zu Rom gewe-<lb/> ſen ſey/ zu welchem viel Schweitzer in die Beicht kommen ſeyn/<lb/> und haben gemeiniglich gebeichtet/ daß ſie ſich offt voll geſoffen ha-<lb/> ben. Da habe der Muͤnch gedacht/ es muͤſſe das Vollſauffen ein<lb/> ſonderliche Kurtzweil ſeyn. Habe ſich demnach auch einmal voll<lb/> geſoffen. Allein deß andern Tages/ habe er befunden ein ſolches<lb/> Hauptwehe daß er nicht habe gewuſt/ wo er ſich hinwenden ſolte.<lb/> Wann nun widerumb ein Schweitzer zu ihm in die Beicht kom-<lb/> men ſey/ und geklaget habe/ daß er ſich voll geſoſſen/ habe er ihm<lb/> zur P<hi rendition="#aq">œ</hi>nitentz alſobald aufferleget/ er ſolte ſich noch einmal voll ſauf-<lb/> fen. Und hab vermeynet/ damit habe er ihm Straff genug auff den<lb/> Hals geladen. Jch will dieſes Moͤnches Namen/ dieſer <hi rendition="#aq">action</hi><lb/> halben/ zwar nicht unter den Heiligen im Calender ſuchen. Allein<lb/> wann ich einem/ der einen Rechtshandel gegen mich fuͤhret/ etwas<lb/> <fw place="bottom" type="catch">boͤſes</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [280/0322]
Der rachgierige
ſtraffen. Gleichwie ihr alle Gelegenheit ſuchen wollet/ euch an eu-
rem Nechſten zu raͤchen und ihn zu ſtraffen. Jch frage euch/ ob euch
nicht die Haar zu Berge ſtehen/ ob euch nicht das Hertz im Leibe
bebe/ wann ihr dencket an die ſchreckliche Wort Matth. 18. da Chri-
ſtus ſagt: Alſo wird euch mein himmliſcher Vater auch
thun/ ſo ihr nicht vergebet von eurem Hertzen/ ein je-
glicher ſeinem Bruder ſeine Fehle. Gott mag es nicht hoͤ-
ren/ wann ihr mit unverſoͤhnlichem Hertzen betet und ſprechet:
Und fuͤhre uns nicht in Verſuchung. Dencket doch/ wie ihr
GOTT verſuchet/ in dem ihr ihm anmuthet/ er ſolle euch verzeihen/
und ihr wollet eurem Nechſten nicht verzeihen. Dann ihr wiſſet ja
ſelbſt wol/ daß es nicht angehe. Sintemal der Sohn Gottes auß-
truͤcklich ſagt: So ihr den Menſchen ihre Fehle nicht ver-
gebet/ ſo wird euch mein himmliſcher Vater eure Fehler
auch nicht vergeben. Gott mag es nicht hoͤren/ wann ihr mit
unverſoͤhnlichem rachgierigem Hertzen betet und ſprechet: Erloͤſe
uns von dem Ubel: Dann dencket wie ein groß Ungluͤck das
ſey/ in Haß/ Neid und Feindſchafft leben? Jhr habt ja in eurem Her-
tzen keine Ruhe/ ſondern gehet und quaͤlet euch Tag und Nacht/ und
freſſet euch euer eigen Hertz. Euer rachgierige Gedaucken ſind Ot-
tergezuͤcht/ welche ihr eigene Mutter verzehren. Jſt das nicht Ubel
und Ungluͤcks genug? Wann kein Himmel oder Hoͤlle were/ ſo ge-
dencket doch/ was das zancken oder rechtfertigen fuͤr Unruhe mache?
Wie manche edle Stunde es verderbe/ die man mit den Procura-
toribus und Advocaten, mit verdrießlichem Brieffe ſchreiben/
mit rennen und lauffen zubringen muß? Wie offt es den Schlaff
breche/ und das gantze Gemuͤth verunruhen? O Ubel! O Un-
gluͤck! Man ſagt/ daß ein Jtaliaͤniſcher Muͤnch zu Rom gewe-
ſen ſey/ zu welchem viel Schweitzer in die Beicht kommen ſeyn/
und haben gemeiniglich gebeichtet/ daß ſie ſich offt voll geſoffen ha-
ben. Da habe der Muͤnch gedacht/ es muͤſſe das Vollſauffen ein
ſonderliche Kurtzweil ſeyn. Habe ſich demnach auch einmal voll
geſoffen. Allein deß andern Tages/ habe er befunden ein ſolches
Hauptwehe daß er nicht habe gewuſt/ wo er ſich hinwenden ſolte.
Wann nun widerumb ein Schweitzer zu ihm in die Beicht kom-
men ſey/ und geklaget habe/ daß er ſich voll geſoſſen/ habe er ihm
zur Pœnitentz alſobald aufferleget/ er ſolte ſich noch einmal voll ſauf-
fen. Und hab vermeynet/ damit habe er ihm Straff genug auff den
Hals geladen. Jch will dieſes Moͤnches Namen/ dieſer action
halben/ zwar nicht unter den Heiligen im Calender ſuchen. Allein
wann ich einem/ der einen Rechtshandel gegen mich fuͤhret/ etwas
boͤſes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |