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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Freund in der Noht.
taten Hof/ wie ein königliches Kind/ ist aufferzogen worden/ und end-
lich sechsmal hundert tausend Männern hat zu befehlen gehabt. Jch
bin kein gelehrter Mann. Allein/ ich kenne die Welt. Jch habe aber
gar zuviel Lehrgeld außgeben/ biß ich die Welt hab kennen lernen.
Darumb bespiegele dich in meinem Exempel/ und lerne von mir die
Welt kennen. Und wann ich hören werde/ daß du wissest einen Unter-
scheid zu machen/ zwischen einem Freund/ und einem Complement-
macher/ so wil ich viel von dir halten. Jch beichte und bekenne dir/ daß
so lang ich gelebt hab/ sey ich viermal extraordinari hoffärtig gewe-
sen. Erstlich war meine Hoffart sehr groß/ als ich auß dem Pennal-
Jahr kam/ und ein Student wurde. Jch war damals ein Knab von
16. Jahren. Wann ich nun einen alten Studenten sahe auff den Ca-
theder
stehen/ den dem Prisciano ein paar Ohrfeigen gab/ das gefiel
mir besser/ und ich hatte mehr Lust daran/ als wann ein Feldmarschalck
höret/ daß seine Leut eine Parthey vom Feind geschlagen haben. Es
war ein hochgelährter Mann auff der Universität/ welcher in vielen
Wissenschafften incomparabel war. Allein/ es mangelte ihm ein we-
nig im Latein. Jn dessen Lection gieng ich offt/ nicht zu dem End/ daß
ich etwas von ihm lernen/ sondern daß ich hören möge/ wie manche
Ohrfeig er dem Prisciano geben werde. Jch meynete alle Weißheit
seye an die Lateinische Sprach gebunden/ und wer den Syntaxin nit
verstehe/ der könne nicht in Himmel kommen. Es gieng mir eben/ wie
jenem Westphalischen Pennal, welcher nach Giessen kam/ und einen
weltberühmten Theologum hörte/ und sagte: Es sey nicht ohn/ er
sey ein gelehrter Mann/ allein/ er rede doch nicht so gut Latein/ als der
Rector zu Lemgow. Jn meinem Pennal-Jahr/ war ich in meinem
Sinn viel gelährter/ als jetzo. Jch gieng nicht mit einem/ sondern mit
zwey oder drey Doctorn schwanger. Es gieng mir wie jener Frauen/
welche für 100. Reichsthaler Kinderzeug machen ließ/ und das Kin-
derbett ein gantzes Jahr zubereitet hatte/ aber endlich wurd doch
nichts darauß. Allein/ je älter ich werde/ je mehr sehe ich/ was mir man-
gele. Zum andern bin ich extraordinari hoffärtig gewesen/ da ich zu
Rostock Magister wurde/ und primum locum hatte. Wann ich da-
mals einen hoffärtigen Kerl auff der Strassen sahe/ da dacht ich/ du
magst dir einbilden was du wiltso bistu dennoch kein Magister. O wie
spitzte ich die Ohren/ wann nach der promotion, bey dem angestellten
convivio, mein Promotor und grosser Freund/ der Edle Petrus
Lautemberg,
ein Glaß mit Wein nahm/ und sagte: Salus, Herr
Magister. Da dachte ich alsbald/ das gilt mir. Der Mann
bin Jch. Zwey gantzer Tag übte ich mich/ biß ich ein schönes
M. mahlen kundte. Mein Pittschafft muste alsbald geändert
werden/ und bey meinem Namen ein M stehen. Wann mein

Jung

Freund in der Noht.
taten Hof/ wie ein koͤnigliches Kind/ iſt aufferzogen worden/ und end-
lich ſechsmal hundert tauſend Maͤnnern hat zu befehlen gehabt. Jch
bin kein gelehrter Mann. Allein/ ich kenne die Welt. Jch habe aber
gar zuviel Lehrgeld außgeben/ biß ich die Welt hab kennen lernen.
Darumb beſpiegele dich in meinem Exempel/ und lerne von mir die
Welt kennen. Und wann ich hoͤren werde/ daß du wiſſeſt einen Unter-
ſcheid zu machen/ zwiſchen einem Freund/ und einem Complement-
macher/ ſo wil ich viel von dir halten. Jch beichte und bekenne dir/ daß
ſo lang ich gelebt hab/ ſey ich viermal extraordinari hoffaͤrtig gewe-
ſen. Erſtlich war meine Hoffart ſehr groß/ als ich auß dem Pennal-
Jahr kam/ und ein Student wurde. Jch war damals ein Knab von
16. Jahren. Wann ich nun einen alten Studenten ſahe auff den Ca-
theder
ſtehen/ den dem Priſciano ein paar Ohrfeigen gab/ das gefiel
mir beſſer/ und ich hatte mehr Luſt daran/ als wañ ein Feldmarſchalck
hoͤret/ daß ſeine Leut eine Parthey vom Feind geſchlagen haben. Es
war ein hochgelaͤhrter Mann auff der Univerſitaͤt/ welcher in vielen
Wiſſenſchafften incomparabel war. Allein/ es mangelte ihm ein we-
nig im Latein. Jn deſſen Lection gieng ich offt/ nicht zu dem End/ daß
ich etwas von ihm lernen/ ſondern daß ich hoͤren moͤge/ wie manche
Ohrfeig er dem Priſciano geben werde. Jch meynete alle Weißheit
ſeye an die Lateiniſche Sprach gebunden/ und wer den Syntaxin nit
verſtehe/ der koͤnne nicht in Himmel kommen. Es gieng mir eben/ wie
jenem Weſtphaliſchen Pennal, welcher nach Gieſſen kam/ und einen
weltberuͤhmten Theologum hoͤrte/ und ſagte: Es ſey nicht ohn/ er
ſey ein gelehrter Mann/ allein/ er rede doch nicht ſo gut Latein/ als der
Rector zu Lemgow. Jn meinem Pennal-Jahr/ war ich in meinem
Sinn viel gelaͤhrter/ als jetzo. Jch gieng nicht mit einem/ ſondern mit
zwey oder drey Doctorn ſchwanger. Es gieng mir wie jener Frauen/
welche fuͤr 100. Reichsthaler Kinderzeug machen ließ/ und das Kin-
derbett ein gantzes Jahr zubereitet hatte/ aber endlich wurd doch
nichts daꝛauß. Allein/ je aͤlter ich werde/ je mehꝛ ſehe ich/ was mir man-
gele. Zum andern bin ich extraordinari hoffaͤrtig geweſen/ da ich zu
Roſtock Magiſter wurde/ und primum locum hatte. Wann ich da-
mals einen hoffaͤrtigen Kerl auff der Straſſen ſahe/ da dacht ich/ du
magſt dir einbilden was du wiltſo biſtu dennoch kein Magiſter. O wie
ſpitzte ich die Ohren/ wann nach der promotion, bey dem angeſtellten
convivio, mein Promotor und groſſer Freund/ der Edle Petrus
Lautemberg,
ein Glaß mit Wein nahm/ und ſagte: Salus, Herr
Magiſter. Da dachte ich alsbald/ das gilt mir. Der Mann
bin Jch. Zwey gantzer Tag uͤbte ich mich/ biß ich ein ſchoͤnes
M. mahlen kundte. Mein Pittſchafft muſte alsbald geaͤndert
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[239/0281] Freund in der Noht. taten Hof/ wie ein koͤnigliches Kind/ iſt aufferzogen worden/ und end- lich ſechsmal hundert tauſend Maͤnnern hat zu befehlen gehabt. Jch bin kein gelehrter Mann. Allein/ ich kenne die Welt. Jch habe aber gar zuviel Lehrgeld außgeben/ biß ich die Welt hab kennen lernen. Darumb beſpiegele dich in meinem Exempel/ und lerne von mir die Welt kennen. Und wann ich hoͤren werde/ daß du wiſſeſt einen Unter- ſcheid zu machen/ zwiſchen einem Freund/ und einem Complement- macher/ ſo wil ich viel von dir halten. Jch beichte und bekenne dir/ daß ſo lang ich gelebt hab/ ſey ich viermal extraordinari hoffaͤrtig gewe- ſen. Erſtlich war meine Hoffart ſehr groß/ als ich auß dem Pennal- Jahr kam/ und ein Student wurde. Jch war damals ein Knab von 16. Jahren. Wann ich nun einen alten Studenten ſahe auff den Ca- theder ſtehen/ den dem Priſciano ein paar Ohrfeigen gab/ das gefiel mir beſſer/ und ich hatte mehr Luſt daran/ als wañ ein Feldmarſchalck hoͤret/ daß ſeine Leut eine Parthey vom Feind geſchlagen haben. Es war ein hochgelaͤhrter Mann auff der Univerſitaͤt/ welcher in vielen Wiſſenſchafften incomparabel war. Allein/ es mangelte ihm ein we- nig im Latein. Jn deſſen Lection gieng ich offt/ nicht zu dem End/ daß ich etwas von ihm lernen/ ſondern daß ich hoͤren moͤge/ wie manche Ohrfeig er dem Priſciano geben werde. Jch meynete alle Weißheit ſeye an die Lateiniſche Sprach gebunden/ und wer den Syntaxin nit verſtehe/ der koͤnne nicht in Himmel kommen. Es gieng mir eben/ wie jenem Weſtphaliſchen Pennal, welcher nach Gieſſen kam/ und einen weltberuͤhmten Theologum hoͤrte/ und ſagte: Es ſey nicht ohn/ er ſey ein gelehrter Mann/ allein/ er rede doch nicht ſo gut Latein/ als der Rector zu Lemgow. Jn meinem Pennal-Jahr/ war ich in meinem Sinn viel gelaͤhrter/ als jetzo. Jch gieng nicht mit einem/ ſondern mit zwey oder drey Doctorn ſchwanger. Es gieng mir wie jener Frauen/ welche fuͤr 100. Reichsthaler Kinderzeug machen ließ/ und das Kin- derbett ein gantzes Jahr zubereitet hatte/ aber endlich wurd doch nichts daꝛauß. Allein/ je aͤlter ich werde/ je mehꝛ ſehe ich/ was mir man- gele. Zum andern bin ich extraordinari hoffaͤrtig geweſen/ da ich zu Roſtock Magiſter wurde/ und primum locum hatte. Wann ich da- mals einen hoffaͤrtigen Kerl auff der Straſſen ſahe/ da dacht ich/ du magſt dir einbilden was du wiltſo biſtu dennoch kein Magiſter. O wie ſpitzte ich die Ohren/ wann nach der promotion, bey dem angeſtellten convivio, mein Promotor und groſſer Freund/ der Edle Petrus Lautemberg, ein Glaß mit Wein nahm/ und ſagte: Salus, Herr Magiſter. Da dachte ich alsbald/ das gilt mir. Der Mann bin Jch. Zwey gantzer Tag uͤbte ich mich/ biß ich ein ſchoͤnes M. mahlen kundte. Mein Pittſchafft muſte alsbald geaͤndert werden/ und bey meinem Namen ein M ſtehen. Wann mein Jung

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/281>, abgerufen am 22.11.2024.