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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Indessen brach sich bey der Abschiedsvor-
stellung dieß Mißvergnügen in die innigste
Rührung. Das ganze Haus wollte, in eigent-
lichem Sinne, vor Thränen zerfließen. Man
rief von allen Seiten her, in allen Sprachen,
die man aufbringen konnte, im Accent des
aufrichtigsten Schmerzes: Bleibt bey uns!
Oder: Kommt bald wieder! Wir beten
euch an
! Die Künstlerin und ihr Mann
konnten kein Wort vor Rührung hervorbrin-
gen und antworteten mit stummen Verneigun-
gen und mit Bewegungen, die ihre Dankbar-
keit ausdrückten. Ein Zug, der dem Herzen
der Wienerinnen große Ehre macht ist der,
daß die meisten von ihnen der Vigano Gerech-
tigkeit wiederfahren ließen und nicht weniger
von ihr hingerissen waren, als die Männer.
Uebrigens gab es ihretwegen ernsthafte Par-
teyen im Publikum; und es fehlte unter an-
dern wenig, daß sich nicht ein alter, um das
frühere deutsche Theater sehr verdiente Gene-
ral, der auch im Tanzen für das Alte war,

Indeſſen brach ſich bey der Abſchiedsvor-
ſtellung dieß Mißvergnuͤgen in die innigſte
Ruͤhrung. Das ganze Haus wollte, in eigent-
lichem Sinne, vor Thraͤnen zerfließen. Man
rief von allen Seiten her, in allen Sprachen,
die man aufbringen konnte, im Accent des
aufrichtigſten Schmerzes: Bleibt bey uns!
Oder: Kommt bald wieder! Wir beten
euch an
! Die Kuͤnſtlerin und ihr Mann
konnten kein Wort vor Ruͤhrung hervorbrin-
gen und antworteten mit ſtummen Verneigun-
gen und mit Bewegungen, die ihre Dankbar-
keit ausdruͤckten. Ein Zug, der dem Herzen
der Wienerinnen große Ehre macht iſt der,
daß die meiſten von ihnen der Vigano Gerech-
tigkeit wiederfahren ließen und nicht weniger
von ihr hingeriſſen waren, als die Maͤnner.
Uebrigens gab es ihretwegen ernſthafte Par-
teyen im Publikum; und es fehlte unter an-
dern wenig, daß ſich nicht ein alter, um das
fruͤhere deutſche Theater ſehr verdiente Gene-
ral, der auch im Tanzen fuͤr das Alte war,

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[203/0475] Indeſſen brach ſich bey der Abſchiedsvor- ſtellung dieß Mißvergnuͤgen in die innigſte Ruͤhrung. Das ganze Haus wollte, in eigent- lichem Sinne, vor Thraͤnen zerfließen. Man rief von allen Seiten her, in allen Sprachen, die man aufbringen konnte, im Accent des aufrichtigſten Schmerzes: Bleibt bey uns! Oder: Kommt bald wieder! Wir beten euch an! Die Kuͤnſtlerin und ihr Mann konnten kein Wort vor Ruͤhrung hervorbrin- gen und antworteten mit ſtummen Verneigun- gen und mit Bewegungen, die ihre Dankbar- keit ausdruͤckten. Ein Zug, der dem Herzen der Wienerinnen große Ehre macht iſt der, daß die meiſten von ihnen der Vigano Gerech- tigkeit wiederfahren ließen und nicht weniger von ihr hingeriſſen waren, als die Maͤnner. Uebrigens gab es ihretwegen ernſthafte Par- teyen im Publikum; und es fehlte unter an- dern wenig, daß ſich nicht ein alter, um das fruͤhere deutſche Theater ſehr verdiente Gene- ral, der auch im Tanzen fuͤr das Alte war,

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/475>, abgerufen am 22.11.2024.