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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Veranlassung zu diesem Irrthume, der so-
gleich aufhört, wenn man mit ihnen näher
bekannt wird: was sehr leicht ist, da sie in
ihrem Innern nichts zu verbergen zu haben
scheinen. Man entdeckt dann unter jener nicht
verfeinerten Außenseite ein mitleidiges Herz,
wahre Vaterlandsliebe, viel gesunden Ver-
stand und uneigennützige Dienstfertigkeit und
Treue. Glaubt ein Münchener Recht zu ha-
ben, so verficht er es in dem ihm eigenthüm-
lichen rauhen Tone; aber er schweigt ganz,
wenn von Dingen die Rede ist, die er nicht
versteht, und er ist fast zu gelehrig, wenn er
Leute hört, denen er mehr und höhere Kennt-
nisse zutrauet. Geschwätzigkeit und Schön-
sprecherey sind hier ganz unbekannte Untugen-
den, und Windbeuteley und Schmeicheley sind
äußerst selten. Gefällt jemand dem Münchener
nicht, so wird er es bald sehen oder hören.
Die Neugier und die Aufmerksamkeit auf
Fremde, die diesen in den öffentlichen Häu-
sern zu Dresden so lästig wird, zeigt der

Q 2

Veranlaſſung zu dieſem Irrthume, der ſo-
gleich aufhoͤrt, wenn man mit ihnen naͤher
bekannt wird: was ſehr leicht iſt, da ſie in
ihrem Innern nichts zu verbergen zu haben
ſcheinen. Man entdeckt dann unter jener nicht
verfeinerten Außenſeite ein mitleidiges Herz,
wahre Vaterlandsliebe, viel geſunden Ver-
ſtand und uneigennuͤtzige Dienſtfertigkeit und
Treue. Glaubt ein Muͤnchener Recht zu ha-
ben, ſo verficht er es in dem ihm eigenthuͤm-
lichen rauhen Tone; aber er ſchweigt ganz,
wenn von Dingen die Rede iſt, die er nicht
verſteht, und er iſt faſt zu gelehrig, wenn er
Leute hoͤrt, denen er mehr und hoͤhere Kennt-
niſſe zutrauet. Geſchwaͤtzigkeit und Schoͤn-
ſprecherey ſind hier ganz unbekannte Untugen-
den, und Windbeuteley und Schmeicheley ſind
aͤußerſt ſelten. Gefaͤllt jemand dem Muͤnchener
nicht, ſo wird er es bald ſehen oder hoͤren.
Die Neugier und die Aufmerkſamkeit auf
Fremde, die dieſen in den oͤffentlichen Haͤu-
ſern zu Dresden ſo laͤſtig wird, zeigt der

Q 2
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[243/0251] Veranlaſſung zu dieſem Irrthume, der ſo- gleich aufhoͤrt, wenn man mit ihnen naͤher bekannt wird: was ſehr leicht iſt, da ſie in ihrem Innern nichts zu verbergen zu haben ſcheinen. Man entdeckt dann unter jener nicht verfeinerten Außenſeite ein mitleidiges Herz, wahre Vaterlandsliebe, viel geſunden Ver- ſtand und uneigennuͤtzige Dienſtfertigkeit und Treue. Glaubt ein Muͤnchener Recht zu ha- ben, ſo verficht er es in dem ihm eigenthuͤm- lichen rauhen Tone; aber er ſchweigt ganz, wenn von Dingen die Rede iſt, die er nicht verſteht, und er iſt faſt zu gelehrig, wenn er Leute hoͤrt, denen er mehr und hoͤhere Kennt- niſſe zutrauet. Geſchwaͤtzigkeit und Schoͤn- ſprecherey ſind hier ganz unbekannte Untugen- den, und Windbeuteley und Schmeicheley ſind aͤußerſt ſelten. Gefaͤllt jemand dem Muͤnchener nicht, ſo wird er es bald ſehen oder hoͤren. Die Neugier und die Aufmerkſamkeit auf Fremde, die dieſen in den oͤffentlichen Haͤu- ſern zu Dresden ſo laͤſtig wird, zeigt der Q 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/251>, abgerufen am 25.11.2024.