Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Wetter strömt das Volk in den Wein-, Bier-,
Meth- und Tanzhäusern in der Stadt selbst,
und im Schauspiele, zusammen. An den bei-
den vornehmsten Jahrmärkten (hier Dulten
genannt) erhält dies frohe Getümmel den
höchsten Grad seiner Lebhaftigkeit, und dann
giebt es auch Kreuzerkomödie, englische Be-
reiter, Equilibristen, und eine Menge anderer
Spektakel dieser Art. Die Faschingszeit ist
nicht minder ein wichtiger Zeitpunkt für die
Münchner, und Bälle, Redouten und Schmau-
sereyen drängen sich während desselben bei allen
Ständen.

Ein Volk wie dieses wird viel schlechte
Wirthe, aber weniger schlechte Menschen stellen.
Der Charakter der Münchener hat etwas Ei-
genthümliches, das auf den ersten Blick dem
Fremden auffällt. Es ist eine gewisse Treu-
herzigkeit und Offenheit, die sich zwar fast wie
Grobheit ausnimmt, aber es in der That
nicht ist. Ein voller und rauher Dialekt und
gewisse unabgeschliffene Manieren geben die

Wetter ſtroͤmt das Volk in den Wein-, Bier-,
Meth- und Tanzhaͤuſern in der Stadt ſelbſt,
und im Schauſpiele, zuſammen. An den bei-
den vornehmſten Jahrmaͤrkten (hier Dulten
genannt) erhaͤlt dies frohe Getuͤmmel den
hoͤchſten Grad ſeiner Lebhaftigkeit, und dann
giebt es auch Kreuzerkomoͤdie, engliſche Be-
reiter, Equilibriſten, und eine Menge anderer
Spektakel dieſer Art. Die Faſchingszeit iſt
nicht minder ein wichtiger Zeitpunkt fuͤr die
Muͤnchner, und Baͤlle, Redouten und Schmau-
ſereyen draͤngen ſich waͤhrend deſſelben bei allen
Staͤnden.

Ein Volk wie dieſes wird viel ſchlechte
Wirthe, aber weniger ſchlechte Menſchen ſtellen.
Der Charakter der Muͤnchener hat etwas Ei-
genthuͤmliches, das auf den erſten Blick dem
Fremden auffaͤllt. Es iſt eine gewiſſe Treu-
herzigkeit und Offenheit, die ſich zwar faſt wie
Grobheit ausnimmt, aber es in der That
nicht iſt. Ein voller und rauher Dialekt und
gewiſſe unabgeſchliffene Manieren geben die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <floatingText>
          <body>
            <div n="1">
              <p><pb facs="#f0250" n="242"/>
Wetter &#x017F;tro&#x0364;mt das Volk in den Wein-, Bier-,<lb/>
Meth- und Tanzha&#x0364;u&#x017F;ern in der Stadt &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
und im Schau&#x017F;piele, zu&#x017F;ammen. An den bei-<lb/>
den vornehm&#x017F;ten Jahrma&#x0364;rkten (hier <hi rendition="#g">Dulten</hi><lb/>
genannt) erha&#x0364;lt dies frohe Getu&#x0364;mmel den<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad &#x017F;einer Lebhaftigkeit, und dann<lb/>
giebt es auch Kreuzerkomo&#x0364;die, engli&#x017F;che Be-<lb/>
reiter, Equilibri&#x017F;ten, und eine Menge anderer<lb/>
Spektakel die&#x017F;er Art. Die Fa&#x017F;chingszeit i&#x017F;t<lb/>
nicht minder ein wichtiger Zeitpunkt fu&#x0364;r die<lb/>
Mu&#x0364;nchner, und Ba&#x0364;lle, Redouten und Schmau-<lb/>
&#x017F;ereyen dra&#x0364;ngen &#x017F;ich wa&#x0364;hrend de&#x017F;&#x017F;elben bei allen<lb/>
Sta&#x0364;nden.</p><lb/>
              <p>Ein Volk wie die&#x017F;es wird viel &#x017F;chlechte<lb/>
Wirthe, aber weniger &#x017F;chlechte Men&#x017F;chen &#x017F;tellen.<lb/>
Der Charakter der Mu&#x0364;nchener hat etwas Ei-<lb/>
genthu&#x0364;mliches, das auf den er&#x017F;ten Blick dem<lb/>
Fremden auffa&#x0364;llt. Es i&#x017F;t eine gewi&#x017F;&#x017F;e Treu-<lb/>
herzigkeit und Offenheit, die &#x017F;ich zwar fa&#x017F;t wie<lb/>
Grobheit ausnimmt, aber es in der That<lb/>
nicht i&#x017F;t. Ein voller und rauher Dialekt und<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e unabge&#x017F;chliffene Manieren geben die<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0250] Wetter ſtroͤmt das Volk in den Wein-, Bier-, Meth- und Tanzhaͤuſern in der Stadt ſelbſt, und im Schauſpiele, zuſammen. An den bei- den vornehmſten Jahrmaͤrkten (hier Dulten genannt) erhaͤlt dies frohe Getuͤmmel den hoͤchſten Grad ſeiner Lebhaftigkeit, und dann giebt es auch Kreuzerkomoͤdie, engliſche Be- reiter, Equilibriſten, und eine Menge anderer Spektakel dieſer Art. Die Faſchingszeit iſt nicht minder ein wichtiger Zeitpunkt fuͤr die Muͤnchner, und Baͤlle, Redouten und Schmau- ſereyen draͤngen ſich waͤhrend deſſelben bei allen Staͤnden. Ein Volk wie dieſes wird viel ſchlechte Wirthe, aber weniger ſchlechte Menſchen ſtellen. Der Charakter der Muͤnchener hat etwas Ei- genthuͤmliches, das auf den erſten Blick dem Fremden auffaͤllt. Es iſt eine gewiſſe Treu- herzigkeit und Offenheit, die ſich zwar faſt wie Grobheit ausnimmt, aber es in der That nicht iſt. Ein voller und rauher Dialekt und gewiſſe unabgeſchliffene Manieren geben die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/250
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/250>, abgerufen am 24.11.2024.