vermehren. Diese Tänzer bestanden ganz aus Einheimischen und zwar aus Lithauern, Männer wie Weiber. Der König hatte sie, meist von Franzosen, in der Tanzkunst unter- richten lassen, und zwey oder drey der Vor- tänzer hatte er ausdrücklich in Paris unterhal- ten, um sich an Ort und Stelle unter Be- stris und Gardel zu bilden. Wenn sie auch ihre Meister nicht erreichten, so war doch de- ren Manier in ihnen auf der Stelle wieder zu erkennen. Der Anstand, der Geschmack in der Kleidung, die Grazie in dem Spiel ihres Kör- pers, die Genauigkeit in ihren Bewegungen, erhoben sie weit über den Rest ihrer Mittän- zer; aber an diesen war wiederum das Be- streben, sich nach ihnen zu bilden, nicht zu verkennen; und so entstand ein Ganzes, dessen Leben und Anmuth ich an keiner Tänzergesell- schaft außer Paris gesehen habe. Die Vor- tänzerinnen erreichten in ihrer Art die Vor- tänzer nicht; aber sie hatten das, was man an den Tänzerinnen in Paris selbst so selten
vermehren. Dieſe Taͤnzer beſtanden ganz aus Einheimiſchen und zwar aus Lithauern, Maͤnner wie Weiber. Der Koͤnig hatte ſie, meiſt von Franzoſen, in der Tanzkunſt unter- richten laſſen, und zwey oder drey der Vor- taͤnzer hatte er ausdruͤcklich in Paris unterhal- ten, um ſich an Ort und Stelle unter Be- ſtris und Gardel zu bilden. Wenn ſie auch ihre Meiſter nicht erreichten, ſo war doch de- ren Manier in ihnen auf der Stelle wieder zu erkennen. Der Anſtand, der Geſchmack in der Kleidung, die Grazie in dem Spiel ihres Koͤr- pers, die Genauigkeit in ihren Bewegungen, erhoben ſie weit uͤber den Reſt ihrer Mittaͤn- zer; aber an dieſen war wiederum das Be- ſtreben, ſich nach ihnen zu bilden, nicht zu verkennen; und ſo entſtand ein Ganzes, deſſen Leben und Anmuth ich an keiner Taͤnzergeſell- ſchaft außer Paris geſehen habe. Die Vor- taͤnzerinnen erreichten in ihrer Art die Vor- taͤnzer nicht; aber ſie hatten das, was man an den Taͤnzerinnen in Paris ſelbſt ſo ſelten
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vermehren. Dieſe Taͤnzer beſtanden ganz
aus Einheimiſchen und zwar aus Lithauern,
Maͤnner wie Weiber. Der Koͤnig hatte ſie,
meiſt von Franzoſen, in der Tanzkunſt unter-
richten laſſen, und zwey oder drey der Vor-
taͤnzer hatte er ausdruͤcklich in Paris unterhal-
ten, um ſich an Ort und Stelle unter Be-
ſtris und Gardel zu bilden. Wenn ſie auch
ihre Meiſter nicht erreichten, ſo war doch de-
ren Manier in ihnen auf der Stelle wieder zu
erkennen. Der Anſtand, der Geſchmack in der
Kleidung, die Grazie in dem Spiel ihres Koͤr-
pers, die Genauigkeit in ihren Bewegungen,
erhoben ſie weit uͤber den Reſt ihrer Mittaͤn-
zer; aber an dieſen war wiederum das Be-
ſtreben, ſich nach ihnen zu bilden, nicht zu
verkennen; und ſo entſtand ein Ganzes, deſſen
Leben und Anmuth ich an keiner Taͤnzergeſell-
ſchaft außer Paris geſehen habe. Die Vor-
taͤnzerinnen erreichten in ihrer Art die Vor-
taͤnzer nicht; aber ſie hatten das, was man
an den Taͤnzerinnen in Paris ſelbſt ſo ſelten
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/82>, abgerufen am 22.07.2024.
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