Italiens," und selbst das neue Nationaltheater in der Richelieustraße zu Paris. Denselben Fehler hat das zu Warschau. Es steht, ob- gleich auf einem freyen Platze, stumpf und zu- sammengedrückt da, und läßt von seinem Jn- nern gar nichts erwarten. Dieses überrascht dadurch freylich desto mehr. Es ist ein schö- nes Oval, hat vier Reihen Logen über einan- der und ist mit viel Einfalt und Geschmack verziert. Das Paterre ist zur Hälfte mit Bän- ken besetzt, zur Hälfte ohne Bänke. Die Büh- ne selbst ist geräumig, hat gute Verzierungen und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma- schinenwerk.
Die polnische Truppe, die voriges Jahr hier spielte, ziehe ich jeder deutschen vor, die ich noch gesehen habe. Die Polen besitzen ei- ne natürliche Leichtigkeit und Behendigkeit; einen, im Ganzen, ungleich feinern und schö- nern Wuchs; eine mehr geschmeidige, ausge- arbeitete Kehle, als die Deutschen; sie nähern sich im Lustspiele ganz auffallend der ehemali-
Italienſ,“ und ſelbſt das neue Nationaltheater in der Richelieuſtraße zu Paris. Denſelben Fehler hat das zu Warſchau. Es ſteht, ob- gleich auf einem freyen Platze, ſtumpf und zu- ſammengedruͤckt da, und laͤßt von ſeinem Jn- nern gar nichts erwarten. Dieſes uͤberraſcht dadurch freylich deſto mehr. Es iſt ein ſchoͤ- nes Oval, hat vier Reihen Logen uͤber einan- der und iſt mit viel Einfalt und Geſchmack verziert. Das Paterre iſt zur Haͤlfte mit Baͤn- ken beſetzt, zur Haͤlfte ohne Baͤnke. Die Buͤh- ne ſelbſt iſt geraͤumig, hat gute Verzierungen und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma- ſchinenwerk.
Die polniſche Truppe, die voriges Jahr hier ſpielte, ziehe ich jeder deutſchen vor, die ich noch geſehen habe. Die Polen beſitzen ei- ne natuͤrliche Leichtigkeit und Behendigkeit; einen, im Ganzen, ungleich feinern und ſchoͤ- nern Wuchs; eine mehr geſchmeidige, auſge- arbeitete Kehle, als die Deutſchen; ſie naͤhern ſich im Luſtſpiele ganz auffallend der ehemali-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="66"/><hirendition="#aq">Italienſ,“</hi> und ſelbſt das neue Nationaltheater<lb/>
in der Richelieuſtraße zu Paris. Denſelben<lb/>
Fehler hat das zu Warſchau. Es ſteht, ob-<lb/>
gleich auf einem freyen Platze, ſtumpf und zu-<lb/>ſammengedruͤckt da, und laͤßt von ſeinem Jn-<lb/>
nern gar nichts erwarten. Dieſes uͤberraſcht<lb/>
dadurch freylich deſto mehr. Es iſt ein ſchoͤ-<lb/>
nes Oval, hat vier Reihen Logen uͤber einan-<lb/>
der und iſt mit viel Einfalt und Geſchmack<lb/>
verziert. Das Paterre iſt zur Haͤlfte mit Baͤn-<lb/>
ken beſetzt, zur Haͤlfte ohne Baͤnke. Die Buͤh-<lb/>
ne ſelbſt iſt geraͤumig, hat gute Verzierungen<lb/>
und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma-<lb/>ſchinenwerk.</p><lb/><p>Die polniſche Truppe, die voriges Jahr<lb/>
hier ſpielte, ziehe ich jeder deutſchen vor, die<lb/>
ich noch geſehen habe. Die Polen beſitzen ei-<lb/>
ne natuͤrliche Leichtigkeit und Behendigkeit;<lb/>
einen, im Ganzen, ungleich feinern und ſchoͤ-<lb/>
nern Wuchs; eine mehr geſchmeidige, auſge-<lb/>
arbeitete Kehle, als die Deutſchen; ſie naͤhern<lb/>ſich im Luſtſpiele ganz auffallend der ehemali-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0076]
Italienſ,“ und ſelbſt das neue Nationaltheater
in der Richelieuſtraße zu Paris. Denſelben
Fehler hat das zu Warſchau. Es ſteht, ob-
gleich auf einem freyen Platze, ſtumpf und zu-
ſammengedruͤckt da, und laͤßt von ſeinem Jn-
nern gar nichts erwarten. Dieſes uͤberraſcht
dadurch freylich deſto mehr. Es iſt ein ſchoͤ-
nes Oval, hat vier Reihen Logen uͤber einan-
der und iſt mit viel Einfalt und Geſchmack
verziert. Das Paterre iſt zur Haͤlfte mit Baͤn-
ken beſetzt, zur Haͤlfte ohne Baͤnke. Die Buͤh-
ne ſelbſt iſt geraͤumig, hat gute Verzierungen
und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma-
ſchinenwerk.
Die polniſche Truppe, die voriges Jahr
hier ſpielte, ziehe ich jeder deutſchen vor, die
ich noch geſehen habe. Die Polen beſitzen ei-
ne natuͤrliche Leichtigkeit und Behendigkeit;
einen, im Ganzen, ungleich feinern und ſchoͤ-
nern Wuchs; eine mehr geſchmeidige, auſge-
arbeitete Kehle, als die Deutſchen; ſie naͤhern
ſich im Luſtſpiele ganz auffallend der ehemali-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/76>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.