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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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Verhandlungen im Reichssaale nicht abgege-
ben. Als die Russen Polen betraten, gab
man ihnen die Oberbefehlshaberschaft über ein-
zelne Abtheilungen der kleinen ungeübten, un-
versorgten, polnischen Armee, und sie glaubten
eben so zuversichtlich, mit derselben ein vierfach
stärkeres, abgehärtetes, siegreiches Heer zu
schlagen, wie ihre Führer, eine neue Verfas-
sung, gegen den Vortheil dreyer der mächtig-
sten Staaten in Europa, durchsetzen zu kön-
nen geglaubt hatten.



Jch reisete den 15ten May von Warschau
ab. Das Wetter war etwas stürmisch, ver-
wandelte sich aber gegen Mittag in abwechs-
lende stillere Regenschauer, die mich zwar um
die Beleuchtung der schönen Ebene vor War-
schau brachten, aber dafür das Grün um mich
her erfrischten und doppelt fruchtbar darstellten.
Der Sand, durch welchen ich, auf der an-
dern Seite der Weichsel, nach Warschau hin-

Verhandlungen im Reichsſaale nicht abgege-
ben. Als die Ruſſen Polen betraten, gab
man ihnen die Oberbefehlshaberſchaft uͤber ein-
zelne Abtheilungen der kleinen ungeuͤbten, un-
verſorgten, polniſchen Armee, und ſie glaubten
eben ſo zuverſichtlich, mit derſelben ein vierfach
ſtaͤrkeres, abgehaͤrtetes, ſiegreiches Heer zu
ſchlagen, wie ihre Fuͤhrer, eine neue Verfaſ-
ſung, gegen den Vortheil dreyer der maͤchtig-
ſten Staaten in Europa, durchſetzen zu koͤn-
nen geglaubt hatten.



Jch reiſete den 15ten May von Warſchau
ab. Das Wetter war etwas ſtuͤrmiſch, ver-
wandelte ſich aber gegen Mittag in abwechs-
lende ſtillere Regenſchauer, die mich zwar um
die Beleuchtung der ſchoͤnen Ebene vor War-
ſchau brachten, aber dafuͤr das Gruͤn um mich
her erfriſchten und doppelt fruchtbar darſtellten.
Der Sand, durch welchen ich, auf der an-
dern Seite der Weichſel, nach Warſchau hin-

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[190/0200] Verhandlungen im Reichsſaale nicht abgege- ben. Als die Ruſſen Polen betraten, gab man ihnen die Oberbefehlshaberſchaft uͤber ein- zelne Abtheilungen der kleinen ungeuͤbten, un- verſorgten, polniſchen Armee, und ſie glaubten eben ſo zuverſichtlich, mit derſelben ein vierfach ſtaͤrkeres, abgehaͤrtetes, ſiegreiches Heer zu ſchlagen, wie ihre Fuͤhrer, eine neue Verfaſ- ſung, gegen den Vortheil dreyer der maͤchtig- ſten Staaten in Europa, durchſetzen zu koͤn- nen geglaubt hatten. Jch reiſete den 15ten May von Warſchau ab. Das Wetter war etwas ſtuͤrmiſch, ver- wandelte ſich aber gegen Mittag in abwechs- lende ſtillere Regenſchauer, die mich zwar um die Beleuchtung der ſchoͤnen Ebene vor War- ſchau brachten, aber dafuͤr das Gruͤn um mich her erfriſchten und doppelt fruchtbar darſtellten. Der Sand, durch welchen ich, auf der an- dern Seite der Weichſel, nach Warſchau hin-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/200>, abgerufen am 06.05.2024.