Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Entwurf zu einer neuen Konstitution, den
sie durchsetzten, war unreif und unvollendet,
voller Widersprüche, und ein Gewebe von al-
ten Vorurtheilen und von neuen Grundsätzen,
beydes so unter einander gemischt und so zwey-
deutig gestellt, daß die ganze alte Verfassung
daraus verwiesen oder umgeworfen, und die
ganze neue darauf gegründet, aber auch da-
durch aufgehoben werden konnte. Wenn man
sich davon überzeugen will, gehe man nur die
beyden ersten Artikel, mit Hinsicht auf die in
diesem Werke aufgestellten staatsrechtlichen An-
gaben, aufmerksam durch, und man wird fin-
den, daß sie alle übrigen Artikel, die auf sie
folgen, theils beschränken, theils völlig aufhe-
ben.

Der König hatte sich, fast drey Jahre hin-
durch, bey den Verhandlungen des Konstitu-
tions-Reichstags leidend verhalten, weil die
Patrioten ihm durch die Mehrheit die Hände
banden, und weil er unter den damaligen Um-
ständen, von Rußland keine thätige Hülfe er-

Viertes Heft. L

Der Entwurf zu einer neuen Konſtitution, den
ſie durchſetzten, war unreif und unvollendet,
voller Widerſpruͤche, und ein Gewebe von al-
ten Vorurtheilen und von neuen Grundſaͤtzen,
beydes ſo unter einander gemiſcht und ſo zwey-
deutig geſtellt, daß die ganze alte Verfaſſung
daraus verwieſen oder umgeworfen, und die
ganze neue darauf gegruͤndet, aber auch da-
durch aufgehoben werden konnte. Wenn man
ſich davon uͤberzeugen will, gehe man nur die
beyden erſten Artikel, mit Hinſicht auf die in
dieſem Werke aufgeſtellten ſtaatsrechtlichen An-
gaben, aufmerkſam durch, und man wird fin-
den, daß ſie alle uͤbrigen Artikel, die auf ſie
folgen, theils beſchraͤnken, theils voͤllig aufhe-
ben.

Der Koͤnig hatte ſich, faſt drey Jahre hin-
durch, bey den Verhandlungen des Konſtitu-
tions-Reichstags leidend verhalten, weil die
Patrioten ihm durch die Mehrheit die Haͤnde
banden, und weil er unter den damaligen Um-
ſtaͤnden, von Rußland keine thaͤtige Huͤlfe er-

Viertes Heft. L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="161"/>
Der Entwurf zu einer neuen Kon&#x017F;titution, den<lb/>
&#x017F;ie durch&#x017F;etzten, war unreif und unvollendet,<lb/>
voller Wider&#x017F;pru&#x0364;che, und ein Gewebe von al-<lb/>
ten Vorurtheilen und von neuen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen,<lb/>
beydes &#x017F;o unter einander gemi&#x017F;cht und &#x017F;o zwey-<lb/>
deutig ge&#x017F;tellt, daß die ganze alte Verfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
daraus verwie&#x017F;en oder umgeworfen, und die<lb/>
ganze neue darauf gegru&#x0364;ndet, aber auch da-<lb/>
durch aufgehoben werden konnte. Wenn man<lb/>
&#x017F;ich davon u&#x0364;berzeugen will, gehe man nur die<lb/>
beyden er&#x017F;ten Artikel, mit Hin&#x017F;icht auf die in<lb/>
die&#x017F;em Werke aufge&#x017F;tellten &#x017F;taatsrechtlichen An-<lb/>
gaben, aufmerk&#x017F;am durch, und man wird fin-<lb/>
den, daß &#x017F;ie alle u&#x0364;brigen Artikel, die auf &#x017F;ie<lb/>
folgen, theils be&#x017F;chra&#x0364;nken, theils vo&#x0364;llig aufhe-<lb/>
ben.</p><lb/>
        <p>Der Ko&#x0364;nig hatte &#x017F;ich, fa&#x017F;t drey Jahre hin-<lb/>
durch, bey den Verhandlungen des Kon&#x017F;titu-<lb/>
tions-Reichstags leidend verhalten, weil die<lb/>
Patrioten ihm durch die Mehrheit die Ha&#x0364;nde<lb/>
banden, und weil er unter den damaligen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden, von Rußland keine tha&#x0364;tige Hu&#x0364;lfe er-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Viertes Heft. L</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0171] Der Entwurf zu einer neuen Konſtitution, den ſie durchſetzten, war unreif und unvollendet, voller Widerſpruͤche, und ein Gewebe von al- ten Vorurtheilen und von neuen Grundſaͤtzen, beydes ſo unter einander gemiſcht und ſo zwey- deutig geſtellt, daß die ganze alte Verfaſſung daraus verwieſen oder umgeworfen, und die ganze neue darauf gegruͤndet, aber auch da- durch aufgehoben werden konnte. Wenn man ſich davon uͤberzeugen will, gehe man nur die beyden erſten Artikel, mit Hinſicht auf die in dieſem Werke aufgeſtellten ſtaatsrechtlichen An- gaben, aufmerkſam durch, und man wird fin- den, daß ſie alle uͤbrigen Artikel, die auf ſie folgen, theils beſchraͤnken, theils voͤllig aufhe- ben. Der Koͤnig hatte ſich, faſt drey Jahre hin- durch, bey den Verhandlungen des Konſtitu- tions-Reichstags leidend verhalten, weil die Patrioten ihm durch die Mehrheit die Haͤnde banden, und weil er unter den damaligen Um- ſtaͤnden, von Rußland keine thaͤtige Huͤlfe er- Viertes Heft. L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/171
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/171>, abgerufen am 21.11.2024.