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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Zeitlang vermiethen oder verkaufen, sondern
bedürfen dazu des Vertrauens und der Zu-
stimmung ihrer Besitzerin. Diese hält sie durch
die Schulden, die sie bey ihr gemacht haben,
verstrickt, und bewacht ihre Person und kon-
trolirt ihre Gunstbezeugungen als ihre Hypo-
thek. Des Scheins wegen, hängt solch eine
Familie das Schild des Hutstaffierers, des
Kleiderputzers, des Weinschenken etc. aus. Ge-
wöhnlich läßt sich die Tochter an dem einen,
und die Mutter an dem andern Fenster se-
hen, und wenn ein paar lüsterne Augen erstre
auszeichnen, so giebt letztre durch Nicken,
Winken, Husten und andre nicht unverständ-
liche Bewegungen kund, daß man nicht Ursach
habe, es beym bloßen Ansehen bewenden zu
lassen. Diese Klasse ist übrigens am wenig-
sten zahlreich in Warschau, theils, weil die
Liebhaber einer doppelten Erpressung, von Sei-
ten des Mädchens und der Kupplerin, ausge-
setzt sind, mithin sparsam kommen, theils,
weil die Mädchen sich ungern in diese Skla-

Zeitlang vermiethen oder verkaufen, ſondern
beduͤrfen dazu des Vertrauens und der Zu-
ſtimmung ihrer Beſitzerin. Dieſe haͤlt ſie durch
die Schulden, die ſie bey ihr gemacht haben,
verſtrickt, und bewacht ihre Perſon und kon-
trolirt ihre Gunſtbezeugungen als ihre Hypo-
thek. Des Scheins wegen, haͤngt ſolch eine
Familie das Schild des Hutſtaffierers, des
Kleiderputzers, des Weinſchenken ꝛc. aus. Ge-
woͤhnlich laͤßt ſich die Tochter an dem einen,
und die Mutter an dem andern Fenſter ſe-
hen, und wenn ein paar luͤſterne Augen erſtre
auszeichnen, ſo giebt letztre durch Nicken,
Winken, Huſten und andre nicht unverſtaͤnd-
liche Bewegungen kund, daß man nicht Urſach
habe, es beym bloßen Anſehen bewenden zu
laſſen. Dieſe Klaſſe iſt uͤbrigens am wenig-
ſten zahlreich in Warſchau, theils, weil die
Liebhaber einer doppelten Erpreſſung, von Sei-
ten des Maͤdchens und der Kupplerin, ausge-
ſetzt ſind, mithin ſparſam kommen, theils,
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[71/0081] Zeitlang vermiethen oder verkaufen, ſondern beduͤrfen dazu des Vertrauens und der Zu- ſtimmung ihrer Beſitzerin. Dieſe haͤlt ſie durch die Schulden, die ſie bey ihr gemacht haben, verſtrickt, und bewacht ihre Perſon und kon- trolirt ihre Gunſtbezeugungen als ihre Hypo- thek. Des Scheins wegen, haͤngt ſolch eine Familie das Schild des Hutſtaffierers, des Kleiderputzers, des Weinſchenken ꝛc. aus. Ge- woͤhnlich laͤßt ſich die Tochter an dem einen, und die Mutter an dem andern Fenſter ſe- hen, und wenn ein paar luͤſterne Augen erſtre auszeichnen, ſo giebt letztre durch Nicken, Winken, Huſten und andre nicht unverſtaͤnd- liche Bewegungen kund, daß man nicht Urſach habe, es beym bloßen Anſehen bewenden zu laſſen. Dieſe Klaſſe iſt uͤbrigens am wenig- ſten zahlreich in Warſchau, theils, weil die Liebhaber einer doppelten Erpreſſung, von Sei- ten des Maͤdchens und der Kupplerin, ausge- ſetzt ſind, mithin ſparſam kommen, theils, weil die Maͤdchen ſich ungern in dieſe Skla-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/81>, abgerufen am 07.05.2024.