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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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Was in sogenannten Charaktermasken er-
scheint, ist gewöhnlich auch nicht von feiner
Abkunft, den Fall ausgenommen, daß man
sich darein steckte, um einen gesellschaftlichen
Scherz auszuführen, oder um für irgend eine
verliebte Absicht zu kundschaften. Man nimmt
die allergewöhnlichsten dazu, als Mönche,
Strußen, Kutscher, Kosaken, Teufel, Juden,
Fledermäuse etc. Nur ein einzigesmal ist mir
eine satyrische Maske vorgekommen. Es war
ein ungeheurer Stiefel mit Stulpen, sorgfäl-
tig gewichst und mit Sporn nach Verhältniß
versehen. Dieser wandelte in den Sälen des
Radziwilschen Pallastes umher, war aber, sei-
ner Dicke wegen, oft gezwungen, still zu stehn,
und auszuruhen. Auf der Stulpe stand ein
wunderlicher Name, der den Verfertiger sol-
cher Stiefeln bezeichnete. Kurz vorher waren
nämlich die steifen Stiefeln mehr als vorher
Mode geworden, und eine Menge Leute, die
nicht gerade Bereiter oder Stallmeister waren,
fingen an, sie zu tragen. Darauf bezog sich

Was in ſogenannten Charaktermasken er-
ſcheint, iſt gewoͤhnlich auch nicht von feiner
Abkunft, den Fall ausgenommen, daß man
ſich darein ſteckte, um einen geſellſchaftlichen
Scherz auszufuͤhren, oder um fuͤr irgend eine
verliebte Abſicht zu kundſchaften. Man nimmt
die allergewoͤhnlichſten dazu, als Moͤnche,
Strußen, Kutſcher, Koſaken, Teufel, Juden,
Fledermaͤuſe ꝛc. Nur ein einzigesmal iſt mir
eine ſatyriſche Maske vorgekommen. Es war
ein ungeheurer Stiefel mit Stulpen, ſorgfaͤl-
tig gewichſt und mit Sporn nach Verhaͤltniß
verſehen. Dieſer wandelte in den Saͤlen des
Radziwilſchen Pallaſtes umher, war aber, ſei-
ner Dicke wegen, oft gezwungen, ſtill zu ſtehn,
und auszuruhen. Auf der Stulpe ſtand ein
wunderlicher Name, der den Verfertiger ſol-
cher Stiefeln bezeichnete. Kurz vorher waren
naͤmlich die ſteifen Stiefeln mehr als vorher
Mode geworden, und eine Menge Leute, die
nicht gerade Bereiter oder Stallmeiſter waren,
fingen an, ſie zu tragen. Darauf bezog ſich

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[30/0040] Was in ſogenannten Charaktermasken er- ſcheint, iſt gewoͤhnlich auch nicht von feiner Abkunft, den Fall ausgenommen, daß man ſich darein ſteckte, um einen geſellſchaftlichen Scherz auszufuͤhren, oder um fuͤr irgend eine verliebte Abſicht zu kundſchaften. Man nimmt die allergewoͤhnlichſten dazu, als Moͤnche, Strußen, Kutſcher, Koſaken, Teufel, Juden, Fledermaͤuſe ꝛc. Nur ein einzigesmal iſt mir eine ſatyriſche Maske vorgekommen. Es war ein ungeheurer Stiefel mit Stulpen, ſorgfaͤl- tig gewichſt und mit Sporn nach Verhaͤltniß verſehen. Dieſer wandelte in den Saͤlen des Radziwilſchen Pallaſtes umher, war aber, ſei- ner Dicke wegen, oft gezwungen, ſtill zu ſtehn, und auszuruhen. Auf der Stulpe ſtand ein wunderlicher Name, der den Verfertiger ſol- cher Stiefeln bezeichnete. Kurz vorher waren naͤmlich die ſteifen Stiefeln mehr als vorher Mode geworden, und eine Menge Leute, die nicht gerade Bereiter oder Stallmeiſter waren, fingen an, ſie zu tragen. Darauf bezog ſich

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/40>, abgerufen am 23.04.2024.