Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.sind, aber dem Kinde die versagte mütterliche ſind, aber dem Kinde die verſagte muͤtterliche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="205"/> ſind, aber dem Kinde die verſagte muͤtterliche<lb/> Zaͤrtlichkeit und vaͤterliche Liebe nicht erſetzen<lb/> koͤnnen. Da ſie dieſe nicht genießen, da ſie<lb/> ihre Eltern ſelten ſehen, da ſie dieſelben erſt<lb/> ſpaͤt kennen lernen; ſo iſt es unmoͤglich, daß<lb/> das ſchoͤne Gefuͤhl der Dankbarkeit und der<lb/> Vertraulichkeit in ihren zarten Herzen Wurzel<lb/> faſſen, daß das Bewußtſeyn der Abhaͤngigkeit,<lb/> mithin die Pflicht des Gehorſams, in ihnen<lb/> lebendig und dauerhaft werden koͤnne. Ge-<lb/> ſchieht nun noch (was hier gewoͤhnlich der<lb/> Fall iſt) daß die Mutter ihr Kind, erſt wenn<lb/> es ſich entwickelt, bloß als ein <hi rendition="#g">ſchoͤneſ</hi> Kind,<lb/> aus Eitelkeit, zu lieben anfaͤngt, und es auf<lb/> einmal mit unbeſonnenen Liebkoſungen, Schmei-<lb/> cheleyen und Lobpreiſungen beſtuͤrmt: ſo muͤßte<lb/> die menſchliche Natur eine goͤttliche ſeyn, wenn<lb/> ſie ununtergraben und unverdorben bleiben<lb/> ſollte. Daher koͤmmt es, daß die polniſchen<lb/> Kinder beyderley Geſchlechts, ſchon in ſehr<lb/> fruͤhen Jahren, dieſelben Anmaßungen, den-<lb/> ſelben Egoismus, denſelben Hang zu allen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [205/0215]
ſind, aber dem Kinde die verſagte muͤtterliche
Zaͤrtlichkeit und vaͤterliche Liebe nicht erſetzen
koͤnnen. Da ſie dieſe nicht genießen, da ſie
ihre Eltern ſelten ſehen, da ſie dieſelben erſt
ſpaͤt kennen lernen; ſo iſt es unmoͤglich, daß
das ſchoͤne Gefuͤhl der Dankbarkeit und der
Vertraulichkeit in ihren zarten Herzen Wurzel
faſſen, daß das Bewußtſeyn der Abhaͤngigkeit,
mithin die Pflicht des Gehorſams, in ihnen
lebendig und dauerhaft werden koͤnne. Ge-
ſchieht nun noch (was hier gewoͤhnlich der
Fall iſt) daß die Mutter ihr Kind, erſt wenn
es ſich entwickelt, bloß als ein ſchoͤneſ Kind,
aus Eitelkeit, zu lieben anfaͤngt, und es auf
einmal mit unbeſonnenen Liebkoſungen, Schmei-
cheleyen und Lobpreiſungen beſtuͤrmt: ſo muͤßte
die menſchliche Natur eine goͤttliche ſeyn, wenn
ſie ununtergraben und unverdorben bleiben
ſollte. Daher koͤmmt es, daß die polniſchen
Kinder beyderley Geſchlechts, ſchon in ſehr
fruͤhen Jahren, dieſelben Anmaßungen, den-
ſelben Egoismus, denſelben Hang zu allen
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