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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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zu appelliren. Der Starosten ohne Gerichts-
barkeit sind mehr, als der Starosten mit Ge-
richtsbarkeit, und der Grund davon ist, daß
viele, die bloß Tenutarien waren, allmählig
den Titel Starost sich angemaßt haben.

Jch darf wohl kaum anmerken, daß nur
diejenige Klasse der Edelleute, für welche die
Verfassung alles thut, daß nur die einge-
bornen
und besitzlichen fähig sind, solche
Starosteyen zu erhalten; man muß hinzusetzen:
auch nur die reichen, aus mächtigen Familien
stammenden, schon mit Ehrenstellen versehe-
nen. Es wäre sehr natürlich, daß man diese
Staatswohlthaten den ärmern besitzlichen Edel-
leuten erwiese, aber diese kommen sehr selten
dazu, eben weil sie die Kosten, welche die
Verleihung dieser Wohlthat erfordert, nicht
bestreiten können. Vordem vergab der König
die Starosteyen, und sie waren weniger kost-
bar zu erhalten, weil es leichter war, die Zu-
gänge zu einem Einzigen mit Gold zu be-
streuen, oder seine Gutmüthigkeit auf irgend

F 2

zu appelliren. Der Staroſten ohne Gerichts-
barkeit ſind mehr, als der Staroſten mit Ge-
richtsbarkeit, und der Grund davon iſt, daß
viele, die bloß Tenutarien waren, allmaͤhlig
den Titel Staroſt ſich angemaßt haben.

Jch darf wohl kaum anmerken, daß nur
diejenige Klaſſe der Edelleute, fuͤr welche die
Verfaſſung alles thut, daß nur die einge-
bornen
und beſitzlichen faͤhig ſind, ſolche
Staroſteyen zu erhalten; man muß hinzuſetzen:
auch nur die reichen, aus maͤchtigen Familien
ſtammenden, ſchon mit Ehrenſtellen verſehe-
nen. Es waͤre ſehr natuͤrlich, daß man dieſe
Staatswohlthaten den aͤrmern beſitzlichen Edel-
leuten erwieſe, aber dieſe kommen ſehr ſelten
dazu, eben weil ſie die Koſten, welche die
Verleihung dieſer Wohlthat erfordert, nicht
beſtreiten koͤnnen. Vordem vergab der Koͤnig
die Staroſteyen, und ſie waren weniger koſt-
bar zu erhalten, weil es leichter war, die Zu-
gaͤnge zu einem Einzigen mit Gold zu be-
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F 2
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[83/0093] zu appelliren. Der Staroſten ohne Gerichts- barkeit ſind mehr, als der Staroſten mit Ge- richtsbarkeit, und der Grund davon iſt, daß viele, die bloß Tenutarien waren, allmaͤhlig den Titel Staroſt ſich angemaßt haben. Jch darf wohl kaum anmerken, daß nur diejenige Klaſſe der Edelleute, fuͤr welche die Verfaſſung alles thut, daß nur die einge- bornen und beſitzlichen faͤhig ſind, ſolche Staroſteyen zu erhalten; man muß hinzuſetzen: auch nur die reichen, aus maͤchtigen Familien ſtammenden, ſchon mit Ehrenſtellen verſehe- nen. Es waͤre ſehr natuͤrlich, daß man dieſe Staatswohlthaten den aͤrmern beſitzlichen Edel- leuten erwieſe, aber dieſe kommen ſehr ſelten dazu, eben weil ſie die Koſten, welche die Verleihung dieſer Wohlthat erfordert, nicht beſtreiten koͤnnen. Vordem vergab der Koͤnig die Staroſteyen, und ſie waren weniger koſt- bar zu erhalten, weil es leichter war, die Zu- gaͤnge zu einem Einzigen mit Gold zu be- ſtreuen, oder ſeine Gutmuͤthigkeit auf irgend F 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/93>, abgerufen am 28.04.2024.