bei einer Schlacht ein Woiwode schändlicher- weise die Flucht genommen habe. Wenn die Kastellanen von Wilna und Trozk, und der Starost von Samogitien, zu den Woiwoden gezählt werden, so scheint es daher zu kommen, daß ehemals in Lithauen nur zwei Woiwoden und eben so viel Kastellane, nämlich die von Wilna und Trozk, vorhanden waren, die übrigen Bezirke aber von königlichen Statt- haltern regiert wurden. Als man nachher diese Bezirke in Woiwodschaften verwandelte, ließ man jenen Kastellanen den Rang vor den neuern Woiwoden in denselben. Gleiche Be- schaffenheit hat es wohl mit dem Starosten von Samogitien, der ebenfalls früher vorhan- den war, als die auf ihn folgenden lithauischen Woiwoden. Ueberdies gebührt ihm, schon seines Amts wegen, eine Stelle unter den Woiwoden, denn er hat in seinem Gebiete alle die Macht, welche die Woiwoden in dem ihrigen ausüben, so daß er nur der Benen- nung nach von ihnen unterschieden ist. Einige
bei einer Schlacht ein Woiwode ſchaͤndlicher- weiſe die Flucht genommen habe. Wenn die Kaſtellanen von Wilna und Trozk, und der Staroſt von Samogitien, zu den Woiwoden gezaͤhlt werden, ſo ſcheint es daher zu kommen, daß ehemals in Lithauen nur zwei Woiwoden und eben ſo viel Kaſtellane, naͤmlich die von Wilna und Trozk, vorhanden waren, die uͤbrigen Bezirke aber von koͤniglichen Statt- haltern regiert wurden. Als man nachher dieſe Bezirke in Woiwodſchaften verwandelte, ließ man jenen Kaſtellanen den Rang vor den neuern Woiwoden in denſelben. Gleiche Be- ſchaffenheit hat es wohl mit dem Staroſten von Samogitien, der ebenfalls fruͤher vorhan- den war, als die auf ihn folgenden lithauiſchen Woiwoden. Ueberdies gebuͤhrt ihm, ſchon ſeines Amts wegen, eine Stelle unter den Woiwoden, denn er hat in ſeinem Gebiete alle die Macht, welche die Woiwoden in dem ihrigen ausuͤben, ſo daß er nur der Benen- nung nach von ihnen unterſchieden iſt. Einige
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bei einer Schlacht ein Woiwode ſchaͤndlicher-
weiſe die Flucht genommen habe. Wenn die
Kaſtellanen von Wilna und Trozk, und der
Staroſt von Samogitien, zu den Woiwoden
gezaͤhlt werden, ſo ſcheint es daher zu kommen,
daß ehemals in Lithauen nur zwei Woiwoden
und eben ſo viel Kaſtellane, naͤmlich die von
Wilna und Trozk, vorhanden waren, die
uͤbrigen Bezirke aber von koͤniglichen Statt-
haltern regiert wurden. Als man nachher
dieſe Bezirke in Woiwodſchaften verwandelte,
ließ man jenen Kaſtellanen den Rang vor den
neuern Woiwoden in denſelben. Gleiche Be-
ſchaffenheit hat es wohl mit dem Staroſten
von Samogitien, der ebenfalls fruͤher vorhan-
den war, als die auf ihn folgenden lithauiſchen
Woiwoden. Ueberdies gebuͤhrt ihm, ſchon
ſeines Amts wegen, eine Stelle unter den
Woiwoden, denn er hat in ſeinem Gebiete
alle die Macht, welche die Woiwoden in dem
ihrigen ausuͤben, ſo daß er nur der Benen-
nung nach von ihnen unterſchieden iſt. Einige
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/52>, abgerufen am 16.02.2025.
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