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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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das alles hat die Nation nichts gewonnen,
als daß die Redensart "far viaggio alla
polacca
" von den Jtalienern gebraucht wird,
wenn sie einen Reisenden bezeichnen wollen,
der sich von jedem auf die plumpeste Art be-
trügen läßt, und dabei bloß um zu essen, zu
trinken, zu schlafen und liederlichen Weibern
nachzurennen, seine Reise unternommen zu
haben scheint.

Frankreich war von jeher das Lieblings-
land der Polen. Sie schickten häufig ihre
Kinder nach Straßburg, um in den Wissen-
schaften, und sodann nach Paris, um in den
feinen Sitten Bildung zu erhalten. Sie ver-
schrieben sich von daher Lehrer aller Art,
Wundärzte, Kammerdiener, Friseurs, Schnei-
der, Putzmacherinnen etc. und bevölkerten da-
mit das flache Land und die Städte. Sie
wohnten in französisch aufgeputzten Zimmern,
schliefen in französischen Betten, kleideten sich
in französischen Stoffen und Tüchern. Da
in ihrem Charakter mehrere Züge sind, die sie

das alles hat die Nation nichts gewonnen,
als daß die Redensart „far viaggio alla
polacca
“ von den Jtalienern gebraucht wird,
wenn ſie einen Reiſenden bezeichnen wollen,
der ſich von jedem auf die plumpeſte Art be-
truͤgen laͤßt, und dabei bloß um zu eſſen, zu
trinken, zu ſchlafen und liederlichen Weibern
nachzurennen, ſeine Reiſe unternommen zu
haben ſcheint.

Frankreich war von jeher das Lieblings-
land der Polen. Sie ſchickten haͤufig ihre
Kinder nach Straßburg, um in den Wiſſen-
ſchaften, und ſodann nach Paris, um in den
feinen Sitten Bildung zu erhalten. Sie ver-
ſchrieben ſich von daher Lehrer aller Art,
Wundaͤrzte, Kammerdiener, Friſeurs, Schnei-
der, Putzmacherinnen ꝛc. und bevoͤlkerten da-
mit das flache Land und die Staͤdte. Sie
wohnten in franzoͤſiſch aufgeputzten Zimmern,
ſchliefen in franzoͤſiſchen Betten, kleideten ſich
in franzoͤſiſchen Stoffen und Tuͤchern. Da
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[166/0176] das alles hat die Nation nichts gewonnen, als daß die Redensart „far viaggio alla polacca“ von den Jtalienern gebraucht wird, wenn ſie einen Reiſenden bezeichnen wollen, der ſich von jedem auf die plumpeſte Art be- truͤgen laͤßt, und dabei bloß um zu eſſen, zu trinken, zu ſchlafen und liederlichen Weibern nachzurennen, ſeine Reiſe unternommen zu haben ſcheint. Frankreich war von jeher das Lieblings- land der Polen. Sie ſchickten haͤufig ihre Kinder nach Straßburg, um in den Wiſſen- ſchaften, und ſodann nach Paris, um in den feinen Sitten Bildung zu erhalten. Sie ver- ſchrieben ſich von daher Lehrer aller Art, Wundaͤrzte, Kammerdiener, Friſeurs, Schnei- der, Putzmacherinnen ꝛc. und bevoͤlkerten da- mit das flache Land und die Staͤdte. Sie wohnten in franzoͤſiſch aufgeputzten Zimmern, ſchliefen in franzoͤſiſchen Betten, kleideten ſich in franzoͤſiſchen Stoffen und Tuͤchern. Da in ihrem Charakter mehrere Zuͤge ſind, die ſie

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/176>, abgerufen am 02.05.2024.