Thor des Pallastes wird so lange zugehalten, bis er sichtbar seyn will, aber die kleine Thür ist offen. Durch diese schleichen sich die Ver- trauten, die Beamten, die Klienten, die Gläu- biger, die Sollicitanten, Gelehrte und Künst- ler, die bei dem Fürsten etwas zu suchen ha- ben, herein. Die Bedienten empfangen sie mit einem Pan spie! (der Herr schläft!) las- sen sie aber in das Vorzimmer, wenn sie ver- sichern, daß sie gern so lange warten wollen, bis er aufsteht. Jn diesem finden sie oft schon Gesellschaften von funfzehn bis zwanzig Per- sonen, die seit Stunden auf der Lauer stehen und mit Sehnsucht erwarten, daß das Schlaf- zimmer aufgeschlossen werde. Wenn sich von Zeit zu Zeit ein Bedienter sehen läßt, so um- ringt ihn alles, was gerne vor den Fürsten will, und bittet um Meldung. Er sieht die Leute kaltblütig an und wählt solche aus, die ihm bekannt sind, oder die sich ihm auf der Stelle durch einen fruchtbaren Druck der Hand bekannt machen, oder die ihm der Fürst
Thor des Pallaſtes wird ſo lange zugehalten, bis er ſichtbar ſeyn will, aber die kleine Thuͤr iſt offen. Durch dieſe ſchleichen ſich die Ver- trauten, die Beamten, die Klienten, die Glaͤu- biger, die Sollicitanten, Gelehrte und Kuͤnſt- ler, die bei dem Fuͤrſten etwas zu ſuchen ha- ben, herein. Die Bedienten empfangen ſie mit einem Pan spie! (der Herr ſchlaͤft!) laſ- ſen ſie aber in das Vorzimmer, wenn ſie ver- ſichern, daß ſie gern ſo lange warten wollen, bis er aufſteht. Jn dieſem finden ſie oft ſchon Geſellſchaften von funfzehn bis zwanzig Per- ſonen, die ſeit Stunden auf der Lauer ſtehen und mit Sehnſucht erwarten, daß das Schlaf- zimmer aufgeſchloſſen werde. Wenn ſich von Zeit zu Zeit ein Bedienter ſehen laͤßt, ſo um- ringt ihn alles, was gerne vor den Fuͤrſten will, und bittet um Meldung. Er ſieht die Leute kaltbluͤtig an und waͤhlt ſolche aus, die ihm bekannt ſind, oder die ſich ihm auf der Stelle durch einen fruchtbaren Druck der Hand bekannt machen, oder die ihm der Fuͤrſt
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Thor des Pallaſtes wird ſo lange zugehalten,
bis er ſichtbar ſeyn will, aber die kleine Thuͤr
iſt offen. Durch dieſe ſchleichen ſich die Ver-
trauten, die Beamten, die Klienten, die Glaͤu-
biger, die Sollicitanten, Gelehrte und Kuͤnſt-
ler, die bei dem Fuͤrſten etwas zu ſuchen ha-
ben, herein. Die Bedienten empfangen ſie
mit einem Pan spie! (der Herr ſchlaͤft!) laſ-
ſen ſie aber in das Vorzimmer, wenn ſie ver-
ſichern, daß ſie gern ſo lange warten wollen,
bis er aufſteht. Jn dieſem finden ſie oft ſchon
Geſellſchaften von funfzehn bis zwanzig Per-
ſonen, die ſeit Stunden auf der Lauer ſtehen
und mit Sehnſucht erwarten, daß das Schlaf-
zimmer aufgeſchloſſen werde. Wenn ſich von
Zeit zu Zeit ein Bedienter ſehen laͤßt, ſo um-
ringt ihn alles, was gerne vor den Fuͤrſten
will, und bittet um Meldung. Er ſieht die
Leute kaltbluͤtig an und waͤhlt ſolche aus, die
ihm bekannt ſind, oder die ſich ihm auf der
Stelle durch einen fruchtbaren Druck der
Hand bekannt machen, oder die ihm der Fuͤrſt
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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