Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

leibeigen, dann wird er Sklav, da er, ver-
möge seines Vertrages, nur Knecht, nur Ar-
beiter geworden war.

Schon seit Jahrhunderten ist der Bauer
in Polen auf jenem Wege seiner persönlichen
Freiheit beraubt und dadurch zu einer Waare
geworden, die man, wie das Gut selbst, zu
dem er gehört, erbt, kauft und verschenkt.
Jn der polnischen Verfassung liegt nichts, das
zu seinem Vortheil spräche, aber wohl ist eine
Reihe von Gesetzen vorhanden, die alle zu
seinem Nachtheile sind. Kein Bauer darf
einen Rechtshandel gegen seinen Herrn anfan-
gen; darf ohne dessen Erlaubniß sein Dorf
verlassen; darf heurathen, Vieh vertauschen
oder verkaufen, Branntwein anderswoher als
aus seinem Kruge nehmen, Waaren anderer
Art kaufen, die nicht der betraute Jude lie-
ferte; kein Bauer darf seine Habseligkeiten
Verwandten vermachen, wenn er keine Kinder
hat, weil sein Herr der nächste Erbe ist; er
darf nicht für andre arbeiten, selbst wenn seine

leibeigen, dann wird er Sklav, da er, ver-
moͤge ſeines Vertrages, nur Knecht, nur Ar-
beiter geworden war.

Schon ſeit Jahrhunderten iſt der Bauer
in Polen auf jenem Wege ſeiner perſoͤnlichen
Freiheit beraubt und dadurch zu einer Waare
geworden, die man, wie das Gut ſelbſt, zu
dem er gehoͤrt, erbt, kauft und verſchenkt.
Jn der polniſchen Verfaſſung liegt nichts, das
zu ſeinem Vortheil ſpraͤche, aber wohl iſt eine
Reihe von Geſetzen vorhanden, die alle zu
ſeinem Nachtheile ſind. Kein Bauer darf
einen Rechtshandel gegen ſeinen Herrn anfan-
gen; darf ohne deſſen Erlaubniß ſein Dorf
verlaſſen; darf heurathen, Vieh vertauſchen
oder verkaufen, Branntwein anderswoher als
aus ſeinem Kruge nehmen, Waaren anderer
Art kaufen, die nicht der betraute Jude lie-
ferte; kein Bauer darf ſeine Habſeligkeiten
Verwandten vermachen, wenn er keine Kinder
hat, weil ſein Herr der naͤchſte Erbe iſt; er
darf nicht fuͤr andre arbeiten, ſelbſt wenn ſeine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0102" n="92"/>
leibeigen, dann wird er Sklav, da er, ver-<lb/>
mo&#x0364;ge &#x017F;eines Vertrages, nur Knecht, nur Ar-<lb/>
beiter geworden war.</p><lb/>
        <p>Schon &#x017F;eit Jahrhunderten i&#x017F;t der Bauer<lb/>
in Polen auf jenem Wege &#x017F;einer per&#x017F;o&#x0364;nlichen<lb/>
Freiheit beraubt und dadurch zu einer Waare<lb/>
geworden, die man, wie das Gut &#x017F;elb&#x017F;t, zu<lb/>
dem er geho&#x0364;rt, erbt, kauft und ver&#x017F;chenkt.<lb/>
Jn der polni&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ung liegt nichts, das<lb/>
zu &#x017F;einem Vortheil &#x017F;pra&#x0364;che, aber wohl i&#x017F;t eine<lb/>
Reihe von Ge&#x017F;etzen vorhanden, die alle zu<lb/>
&#x017F;einem Nachtheile &#x017F;ind. Kein Bauer darf<lb/>
einen Rechtshandel gegen &#x017F;einen Herrn anfan-<lb/>
gen; darf ohne de&#x017F;&#x017F;en Erlaubniß &#x017F;ein Dorf<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en; darf heurathen, Vieh vertau&#x017F;chen<lb/>
oder verkaufen, Branntwein anderswoher als<lb/>
aus &#x017F;einem Kruge nehmen, Waaren anderer<lb/>
Art kaufen, die nicht der betraute Jude lie-<lb/>
ferte; kein Bauer darf &#x017F;eine Hab&#x017F;eligkeiten<lb/>
Verwandten vermachen, wenn er keine Kinder<lb/>
hat, weil &#x017F;ein Herr der na&#x0364;ch&#x017F;te Erbe i&#x017F;t; er<lb/>
darf nicht fu&#x0364;r andre arbeiten, &#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0102] leibeigen, dann wird er Sklav, da er, ver- moͤge ſeines Vertrages, nur Knecht, nur Ar- beiter geworden war. Schon ſeit Jahrhunderten iſt der Bauer in Polen auf jenem Wege ſeiner perſoͤnlichen Freiheit beraubt und dadurch zu einer Waare geworden, die man, wie das Gut ſelbſt, zu dem er gehoͤrt, erbt, kauft und verſchenkt. Jn der polniſchen Verfaſſung liegt nichts, das zu ſeinem Vortheil ſpraͤche, aber wohl iſt eine Reihe von Geſetzen vorhanden, die alle zu ſeinem Nachtheile ſind. Kein Bauer darf einen Rechtshandel gegen ſeinen Herrn anfan- gen; darf ohne deſſen Erlaubniß ſein Dorf verlaſſen; darf heurathen, Vieh vertauſchen oder verkaufen, Branntwein anderswoher als aus ſeinem Kruge nehmen, Waaren anderer Art kaufen, die nicht der betraute Jude lie- ferte; kein Bauer darf ſeine Habſeligkeiten Verwandten vermachen, wenn er keine Kinder hat, weil ſein Herr der naͤchſte Erbe iſt; er darf nicht fuͤr andre arbeiten, ſelbſt wenn ſeine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/102
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/102>, abgerufen am 21.11.2024.