bestimmte Arbeit gethan ist; ja, er kann nicht einmal ein armseliges, erspartes Sümmchen besitzen, ohne die Besorgniß, sein Herr möchte es ihm abfordern oder abborgen; er kann in seinen Feyerstunden nichts durch seinen Fleiß hervorbringen, worauf sein Herr nicht An- sprüche machen könnte; er hat gegen Grau- samkeiten nicht den mindesten Schutz, denn sein Beleidiger ist zugleich sein Richter; und ein muthwilliger Todtschlag, an ihm begangen, bleibt, obwohl ein neueres Gesetz da ist, das den Kopf dafür verlangt, ungestraft, weil zu viel zum Beweise gehört, weil der Thäter da- bei ertappt seyn muß, weil der öffentliche An- kläger leicht bestochen wird, und weil die Rich- ter selbst, da sie mit ihren Bauern in gleichem Verhältnisse stehen, nur zu sehr geneigt sind, ihn gleichmäßig zu behandeln, um ihre eigenen Rechte über ihn nicht zu untergraben.
Jn diesen Zustand hat sich der Bauer begeben, um sich das Leben zu erhalten, und diesen Zweck hat er auch wirklich erreicht.
beſtimmte Arbeit gethan iſt; ja, er kann nicht einmal ein armſeliges, erſpartes Suͤmmchen beſitzen, ohne die Beſorgniß, ſein Herr moͤchte es ihm abfordern oder abborgen; er kann in ſeinen Feyerſtunden nichts durch ſeinen Fleiß hervorbringen, worauf ſein Herr nicht An- ſpruͤche machen koͤnnte; er hat gegen Grau- ſamkeiten nicht den mindeſten Schutz, denn ſein Beleidiger iſt zugleich ſein Richter; und ein muthwilliger Todtſchlag, an ihm begangen, bleibt, obwohl ein neueres Geſetz da iſt, das den Kopf dafuͤr verlangt, ungeſtraft, weil zu viel zum Beweiſe gehoͤrt, weil der Thaͤter da- bei ertappt ſeyn muß, weil der oͤffentliche An- klaͤger leicht beſtochen wird, und weil die Rich- ter ſelbſt, da ſie mit ihren Bauern in gleichem Verhaͤltniſſe ſtehen, nur zu ſehr geneigt ſind, ihn gleichmaͤßig zu behandeln, um ihre eigenen Rechte uͤber ihn nicht zu untergraben.
Jn dieſen Zuſtand hat ſich der Bauer begeben, um ſich das Leben zu erhalten, und dieſen Zweck hat er auch wirklich erreicht.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0103"n="93"/>
beſtimmte Arbeit gethan iſt; ja, er kann nicht<lb/>
einmal ein armſeliges, erſpartes Suͤmmchen<lb/>
beſitzen, ohne die Beſorgniß, ſein Herr moͤchte<lb/>
es ihm abfordern oder abborgen; er kann in<lb/>ſeinen Feyerſtunden nichts durch ſeinen Fleiß<lb/>
hervorbringen, worauf ſein Herr nicht An-<lb/>ſpruͤche machen koͤnnte; er hat gegen Grau-<lb/>ſamkeiten nicht den mindeſten Schutz, denn<lb/>ſein Beleidiger iſt zugleich ſein Richter; und<lb/>
ein muthwilliger Todtſchlag, an ihm begangen,<lb/>
bleibt, obwohl ein neueres Geſetz da iſt, das<lb/>
den Kopf dafuͤr verlangt, ungeſtraft, weil zu<lb/>
viel zum Beweiſe gehoͤrt, weil der Thaͤter da-<lb/>
bei ertappt ſeyn muß, weil der oͤffentliche An-<lb/>
klaͤger leicht beſtochen wird, und weil die Rich-<lb/>
ter ſelbſt, da ſie mit ihren Bauern in gleichem<lb/>
Verhaͤltniſſe ſtehen, nur zu ſehr geneigt ſind,<lb/>
ihn gleichmaͤßig zu behandeln, um ihre eigenen<lb/>
Rechte uͤber ihn nicht zu untergraben.</p><lb/><p>Jn dieſen Zuſtand hat ſich der Bauer<lb/>
begeben, um ſich das Leben zu erhalten, und<lb/>
dieſen Zweck hat er auch wirklich erreicht.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[93/0103]
beſtimmte Arbeit gethan iſt; ja, er kann nicht
einmal ein armſeliges, erſpartes Suͤmmchen
beſitzen, ohne die Beſorgniß, ſein Herr moͤchte
es ihm abfordern oder abborgen; er kann in
ſeinen Feyerſtunden nichts durch ſeinen Fleiß
hervorbringen, worauf ſein Herr nicht An-
ſpruͤche machen koͤnnte; er hat gegen Grau-
ſamkeiten nicht den mindeſten Schutz, denn
ſein Beleidiger iſt zugleich ſein Richter; und
ein muthwilliger Todtſchlag, an ihm begangen,
bleibt, obwohl ein neueres Geſetz da iſt, das
den Kopf dafuͤr verlangt, ungeſtraft, weil zu
viel zum Beweiſe gehoͤrt, weil der Thaͤter da-
bei ertappt ſeyn muß, weil der oͤffentliche An-
klaͤger leicht beſtochen wird, und weil die Rich-
ter ſelbſt, da ſie mit ihren Bauern in gleichem
Verhaͤltniſſe ſtehen, nur zu ſehr geneigt ſind,
ihn gleichmaͤßig zu behandeln, um ihre eigenen
Rechte uͤber ihn nicht zu untergraben.
Jn dieſen Zuſtand hat ſich der Bauer
begeben, um ſich das Leben zu erhalten, und
dieſen Zweck hat er auch wirklich erreicht.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/103>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.