Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

zuführen. So brauchte jeder Pallast mehrere
Hütten, worin die Arbeiter wohnten. Sie
durften nicht sehr weit von dem prächtigen
Bau entfernt seyn, wenn er gefördert werden
sollte. Eben so verhielt es sich mit andern
Bedürfnissen und ihren Verfertigern. Alle
mußte man um sich wohnen und leben lassen,
weil sie -- arbeiteten. Es waren Lastthiere,
die man miethete, oder die man auf sein Fut-
ter und seinen Stall sich hielt. So bildeten
Palläste und Hütten, Fürsten und Bettler, die
physische und moralische Grundlage von War-
schau.

Der politische Stolz, der diesen Grund
legte, hatte einen Nebenbuhler an dem geistli-
chen. Wenn jener seine Größe in sich selbst
suchte; so suchte sie dieser, mit anscheinender
Bescheidenheit, in Gott, und bauete diesem
Tempel und Klöster, worin er wohnte. So
entstanden neben den Pallästen die Kirchen
und neben diesen die Klöster. Das Kapital
zu diesen kam eben daher, woher das Kapital

F

zufuͤhren. So brauchte jeder Pallaſt mehrere
Huͤtten, worin die Arbeiter wohnten. Sie
durften nicht ſehr weit von dem praͤchtigen
Bau entfernt ſeyn, wenn er gefoͤrdert werden
ſollte. Eben ſo verhielt es ſich mit andern
Beduͤrfniſſen und ihren Verfertigern. Alle
mußte man um ſich wohnen und leben laſſen,
weil ſie — arbeiteten. Es waren Laſtthiere,
die man miethete, oder die man auf ſein Fut-
ter und ſeinen Stall ſich hielt. So bildeten
Pallaͤſte und Huͤtten, Fuͤrſten und Bettler, die
phyſiſche und moraliſche Grundlage von War-
ſchau.

Der politiſche Stolz, der dieſen Grund
legte, hatte einen Nebenbuhler an dem geiſtli-
chen. Wenn jener ſeine Groͤße in ſich ſelbſt
ſuchte; ſo ſuchte ſie dieſer, mit anſcheinender
Beſcheidenheit, in Gott, und bauete dieſem
Tempel und Kloͤſter, worin er wohnte. So
entſtanden neben den Pallaͤſten die Kirchen
und neben dieſen die Kloͤſter. Das Kapital
zu dieſen kam eben daher, woher das Kapital

F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="81"/>
zufu&#x0364;hren. So brauchte jeder Palla&#x017F;t mehrere<lb/>
Hu&#x0364;tten, worin die Arbeiter wohnten. Sie<lb/>
durften nicht &#x017F;ehr weit von dem pra&#x0364;chtigen<lb/>
Bau entfernt &#x017F;eyn, wenn er gefo&#x0364;rdert werden<lb/>
&#x017F;ollte. Eben &#x017F;o verhielt es &#x017F;ich mit andern<lb/>
Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;en und ihren Verfertigern. Alle<lb/>
mußte man um &#x017F;ich wohnen und leben la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
weil &#x017F;ie &#x2014; arbeiteten. Es waren La&#x017F;tthiere,<lb/>
die man miethete, oder die man auf &#x017F;ein Fut-<lb/>
ter und &#x017F;einen Stall &#x017F;ich hielt. So bildeten<lb/>
Palla&#x0364;&#x017F;te und Hu&#x0364;tten, Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Bettler, die<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;che und morali&#x017F;che Grundlage von War-<lb/>
&#x017F;chau.</p><lb/>
          <p>Der politi&#x017F;che Stolz, der die&#x017F;en Grund<lb/>
legte, hatte einen Nebenbuhler an dem gei&#x017F;tli-<lb/>
chen. Wenn jener &#x017F;eine Gro&#x0364;ße in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
&#x017F;uchte; &#x017F;o &#x017F;uchte &#x017F;ie die&#x017F;er, mit an&#x017F;cheinender<lb/>
Be&#x017F;cheidenheit, in Gott, und bauete die&#x017F;em<lb/>
Tempel und Klo&#x0364;&#x017F;ter, worin er wohnte. So<lb/>
ent&#x017F;tanden neben den Palla&#x0364;&#x017F;ten die Kirchen<lb/>
und neben die&#x017F;en die Klo&#x0364;&#x017F;ter. Das Kapital<lb/>
zu die&#x017F;en kam eben daher, woher das Kapital<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0099] zufuͤhren. So brauchte jeder Pallaſt mehrere Huͤtten, worin die Arbeiter wohnten. Sie durften nicht ſehr weit von dem praͤchtigen Bau entfernt ſeyn, wenn er gefoͤrdert werden ſollte. Eben ſo verhielt es ſich mit andern Beduͤrfniſſen und ihren Verfertigern. Alle mußte man um ſich wohnen und leben laſſen, weil ſie — arbeiteten. Es waren Laſtthiere, die man miethete, oder die man auf ſein Fut- ter und ſeinen Stall ſich hielt. So bildeten Pallaͤſte und Huͤtten, Fuͤrſten und Bettler, die phyſiſche und moraliſche Grundlage von War- ſchau. Der politiſche Stolz, der dieſen Grund legte, hatte einen Nebenbuhler an dem geiſtli- chen. Wenn jener ſeine Groͤße in ſich ſelbſt ſuchte; ſo ſuchte ſie dieſer, mit anſcheinender Beſcheidenheit, in Gott, und bauete dieſem Tempel und Kloͤſter, worin er wohnte. So entſtanden neben den Pallaͤſten die Kirchen und neben dieſen die Kloͤſter. Das Kapital zu dieſen kam eben daher, woher das Kapital F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/99
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/99>, abgerufen am 23.11.2024.