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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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Warschau hat übrigens wenig oder gar
keine Manufakturen und Fabriken, welche Volks-
menge und Wohlstand, mithin den Anbau der
Stadt, befördern könnten. Dafür hat sie aber
etwas anderes, das zu ihrem bessern Ausbau
kräftig wirkt: dies sind die Reichstage, die
Reichskollegien und die Vergnügungen einer
wohlhabenden und üppigen Hauptstadt.

Wer von den Mitgliedern des erstern kein
Eigenthum in Warschau besitzt, verlangt we-
nigstens eine bequeme, gemiethete Wohnung;
und wenn die Reichsboten noch vor funfzig
Jahren oft mit einer Dachstube vorlieb nah-
men, so verlangen ihre Enkel mehrentheils
schon einen ganzen Stock, nebst Stallung und
Schuppen. Die Verheyratheten unter ihnen
brauchen noch mehr Platz, weil ihre Gemah-
linnen ihnen nach Warschau folgen und Raum
für ihren Putztisch und ihre -- Liebhaber sehr
nöthig haben. Die Reichskollegien beschäftigen
eine Menge Köpfe und Hände, und da die
obern Stellen in denselben meist immer mit

Warſchau hat uͤbrigens wenig oder gar
keine Manufakturen und Fabriken, welche Volks-
menge und Wohlſtand, mithin den Anbau der
Stadt, befoͤrdern koͤnnten. Dafuͤr hat ſie aber
etwas anderes, das zu ihrem beſſern Ausbau
kraͤftig wirkt: dies ſind die Reichstage, die
Reichskollegien und die Vergnuͤgungen einer
wohlhabenden und uͤppigen Hauptſtadt.

Wer von den Mitgliedern des erſtern kein
Eigenthum in Warſchau beſitzt, verlangt we-
nigſtens eine bequeme, gemiethete Wohnung;
und wenn die Reichsboten noch vor funfzig
Jahren oft mit einer Dachſtube vorlieb nah-
men, ſo verlangen ihre Enkel mehrentheils
ſchon einen ganzen Stock, nebſt Stallung und
Schuppen. Die Verheyratheten unter ihnen
brauchen noch mehr Platz, weil ihre Gemah-
linnen ihnen nach Warſchau folgen und Raum
fuͤr ihren Putztiſch und ihre — Liebhaber ſehr
noͤthig haben. Die Reichskollegien beſchaͤftigen
eine Menge Koͤpfe und Haͤnde, und da die
obern Stellen in denſelben meiſt immer mit

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[119/0137] Warſchau hat uͤbrigens wenig oder gar keine Manufakturen und Fabriken, welche Volks- menge und Wohlſtand, mithin den Anbau der Stadt, befoͤrdern koͤnnten. Dafuͤr hat ſie aber etwas anderes, das zu ihrem beſſern Ausbau kraͤftig wirkt: dies ſind die Reichstage, die Reichskollegien und die Vergnuͤgungen einer wohlhabenden und uͤppigen Hauptſtadt. Wer von den Mitgliedern des erſtern kein Eigenthum in Warſchau beſitzt, verlangt we- nigſtens eine bequeme, gemiethete Wohnung; und wenn die Reichsboten noch vor funfzig Jahren oft mit einer Dachſtube vorlieb nah- men, ſo verlangen ihre Enkel mehrentheils ſchon einen ganzen Stock, nebſt Stallung und Schuppen. Die Verheyratheten unter ihnen brauchen noch mehr Platz, weil ihre Gemah- linnen ihnen nach Warſchau folgen und Raum fuͤr ihren Putztiſch und ihre — Liebhaber ſehr noͤthig haben. Die Reichskollegien beſchaͤftigen eine Menge Koͤpfe und Haͤnde, und da die obern Stellen in denſelben meiſt immer mit

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/137>, abgerufen am 27.04.2024.