Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

bald war es ein Kessel von beträchtlicherem
Umfange, der in seiner Tiefe Wasser enthielt
und rund herum an seinem Abhange Maulbeer-
oder Weidenbäume nährte, die, für ihre be-
drückte Lage, muthig genug grünten; bald
waren es Trümmer ehemaliger Terrassen, auf
denen Weinstöcke in einer ärmlichen Gestalt
herum krochen; bald ein paar mächtige Stein-
klötze, deren Oberfläche Zeit und Wetter zu
erweichen anfingen und in deren verwitterten
Theilen feine Moose sich anzusiedeln wagten.
Diese Zeichen von der unermüdlichen Guther-
zigkeit der Natur, die den Tod selbst zur Ge-
burt und die Fäulniß zur Blüthe macht, be-
wegten mich wunderbar und beschäftigten mich
sehr angenehm bey meiner Durchfahrt durch
diese Steinhaufen, die übrigens keine Spur
von Feuer zeigen, mithin wohl die Kinder ei-
nes Erdbebens seyn mögen.

Nach einer beträchtlichen Strecke wird der
Weg besser, die Berge stehen wieder aufrecht,
das Thal wird wieder fruchtbar und ist ent-

weder

bald war es ein Keſſel von betraͤchtlicherem
Umfange, der in ſeiner Tiefe Waſſer enthielt
und rund herum an ſeinem Abhange Maulbeer-
oder Weidenbaͤume naͤhrte, die, fuͤr ihre be-
druͤckte Lage, muthig genug gruͤnten; bald
waren es Truͤmmer ehemaliger Terraſſen, auf
denen Weinſtoͤcke in einer aͤrmlichen Geſtalt
herum krochen; bald ein paar maͤchtige Stein-
kloͤtze, deren Oberflaͤche Zeit und Wetter zu
erweichen anfingen und in deren verwitterten
Theilen feine Mooſe ſich anzuſiedeln wagten.
Dieſe Zeichen von der unermuͤdlichen Guther-
zigkeit der Natur, die den Tod ſelbſt zur Ge-
burt und die Faͤulniß zur Bluͤthe macht, be-
wegten mich wunderbar und beſchaͤftigten mich
ſehr angenehm bey meiner Durchfahrt durch
dieſe Steinhaufen, die uͤbrigens keine Spur
von Feuer zeigen, mithin wohl die Kinder ei-
nes Erdbebens ſeyn moͤgen.

Nach einer betraͤchtlichen Strecke wird der
Weg beſſer, die Berge ſtehen wieder aufrecht,
das Thal wird wieder fruchtbar und iſt ent-

weder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="48"/>
bald war es ein Ke&#x017F;&#x017F;el von betra&#x0364;chtlicherem<lb/>
Umfange, der in &#x017F;einer Tiefe Wa&#x017F;&#x017F;er enthielt<lb/>
und rund herum an &#x017F;einem Abhange Maulbeer-<lb/>
oder Weidenba&#x0364;ume na&#x0364;hrte, die, fu&#x0364;r ihre be-<lb/>
dru&#x0364;ckte Lage, muthig genug gru&#x0364;nten; bald<lb/>
waren es Tru&#x0364;mmer ehemaliger Terra&#x017F;&#x017F;en, auf<lb/>
denen Wein&#x017F;to&#x0364;cke in einer a&#x0364;rmlichen Ge&#x017F;talt<lb/>
herum krochen; bald ein paar ma&#x0364;chtige Stein-<lb/>
klo&#x0364;tze, deren Oberfla&#x0364;che Zeit und Wetter zu<lb/>
erweichen anfingen und in deren verwitterten<lb/>
Theilen feine Moo&#x017F;e &#x017F;ich anzu&#x017F;iedeln wagten.<lb/>
Die&#x017F;e Zeichen von der unermu&#x0364;dlichen Guther-<lb/>
zigkeit der Natur, die den Tod &#x017F;elb&#x017F;t zur Ge-<lb/>
burt und die Fa&#x0364;ulniß zur Blu&#x0364;the macht, be-<lb/>
wegten mich wunderbar und be&#x017F;cha&#x0364;ftigten mich<lb/>
&#x017F;ehr angenehm bey meiner Durchfahrt durch<lb/>
die&#x017F;e Steinhaufen, die u&#x0364;brigens keine Spur<lb/>
von Feuer zeigen, mithin wohl die Kinder ei-<lb/>
nes Erdbebens &#x017F;eyn mo&#x0364;gen.</p><lb/>
          <p>Nach einer betra&#x0364;chtlichen Strecke wird der<lb/>
Weg be&#x017F;&#x017F;er, die Berge &#x017F;tehen wieder aufrecht,<lb/>
das Thal wird wieder fruchtbar und i&#x017F;t ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weder</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0056] bald war es ein Keſſel von betraͤchtlicherem Umfange, der in ſeiner Tiefe Waſſer enthielt und rund herum an ſeinem Abhange Maulbeer- oder Weidenbaͤume naͤhrte, die, fuͤr ihre be- druͤckte Lage, muthig genug gruͤnten; bald waren es Truͤmmer ehemaliger Terraſſen, auf denen Weinſtoͤcke in einer aͤrmlichen Geſtalt herum krochen; bald ein paar maͤchtige Stein- kloͤtze, deren Oberflaͤche Zeit und Wetter zu erweichen anfingen und in deren verwitterten Theilen feine Mooſe ſich anzuſiedeln wagten. Dieſe Zeichen von der unermuͤdlichen Guther- zigkeit der Natur, die den Tod ſelbſt zur Ge- burt und die Faͤulniß zur Bluͤthe macht, be- wegten mich wunderbar und beſchaͤftigten mich ſehr angenehm bey meiner Durchfahrt durch dieſe Steinhaufen, die uͤbrigens keine Spur von Feuer zeigen, mithin wohl die Kinder ei- nes Erdbebens ſeyn moͤgen. Nach einer betraͤchtlichen Strecke wird der Weg beſſer, die Berge ſtehen wieder aufrecht, das Thal wird wieder fruchtbar und iſt ent- weder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/56
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/56>, abgerufen am 05.05.2024.