verwundete Eigenliebe schuldig zu seyn; aber er wußte dies nicht, würde sich auch für ei- nen Thoren gehalten haben, wenn er es er- wartet hätte; mithin war er mürrisch, un- freundlich, verdrossen, und beantwortete mir fast keine Frage mehr. Artige und höfliche Worte halfen nicht, wie sie bey dem italieni- schen gemeinen Mann nie helfen, der sie so- gar oft für Spott aufnimmt, wenn ihn et- was innerlich ärgert oder verdrießt. Erst un- ten an der letzten Stufe seines Thurms söhnte er sich, und dafür desto geschwinder, mit mir aus, als er sah, daß sein Trinkgeld so aus- fiel, als ob er ein halbes Dutzend Arietten mehr gespielt hätte. Jch gab ihm auch noch ein Lob über sein musikalisches Genie, und nun war er recht aufrichtig wie in den Him- mel verzückt.
Uebrigens ist die Aussicht von diesem Thurme weitschichtiger, als die ich gestern von der Andreaskuppel in Mantua hatte, aber schöner ist sie nicht, weil die umliegende
verwundete Eigenliebe ſchuldig zu ſeyn; aber er wußte dies nicht, wuͤrde ſich auch fuͤr ei- nen Thoren gehalten haben, wenn er es er- wartet haͤtte; mithin war er muͤrriſch, un- freundlich, verdroſſen, und beantwortete mir faſt keine Frage mehr. Artige und hoͤfliche Worte halfen nicht, wie ſie bey dem italieni- ſchen gemeinen Mann nie helfen, der ſie ſo- gar oft fuͤr Spott aufnimmt, wenn ihn et- was innerlich aͤrgert oder verdrießt. Erſt un- ten an der letzten Stufe ſeines Thurms ſoͤhnte er ſich, und dafuͤr deſto geſchwinder, mit mir aus, als er ſah, daß ſein Trinkgeld ſo aus- fiel, als ob er ein halbes Dutzend Arietten mehr geſpielt haͤtte. Jch gab ihm auch noch ein Lob uͤber ſein muſikaliſches Genie, und nun war er recht aufrichtig wie in den Him- mel verzuͤckt.
Uebrigens iſt die Ausſicht von dieſem Thurme weitſchichtiger, als die ich geſtern von der Andreaskuppel in Mantua hatte, aber ſchoͤner iſt ſie nicht, weil die umliegende
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verwundete Eigenliebe ſchuldig zu ſeyn; aber
er wußte dies nicht, wuͤrde ſich auch fuͤr ei-
nen Thoren gehalten haben, wenn er es er-
wartet haͤtte; mithin war er muͤrriſch, un-
freundlich, verdroſſen, und beantwortete mir
faſt keine Frage mehr. Artige und hoͤfliche
Worte halfen nicht, wie ſie bey dem italieni-
ſchen gemeinen Mann nie helfen, der ſie ſo-
gar oft fuͤr Spott aufnimmt, wenn ihn et-
was innerlich aͤrgert oder verdrießt. Erſt un-
ten an der letzten Stufe ſeines Thurms ſoͤhnte
er ſich, und dafuͤr deſto geſchwinder, mit mir
aus, als er ſah, daß ſein Trinkgeld ſo aus-
fiel, als ob er ein halbes Dutzend Arietten
mehr geſpielt haͤtte. Jch gab ihm auch noch
ein Lob uͤber ſein muſikaliſches Genie, und
nun war er recht aufrichtig wie in den Him-
mel verzuͤckt.
Uebrigens iſt die Ausſicht von dieſem
Thurme weitſchichtiger, als die ich geſtern
von der Andreaskuppel in Mantua hatte,
aber ſchoͤner iſt ſie nicht, weil die umliegende
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/257>, abgerufen am 16.02.2025.
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