wurden ihr Führer zurück zu dem höheren Ursprung. Bey einem in alle Laster Versunkenen, *) allen wil- den Leidenschaften zum Spiele Hingegebenen, blieb, aus früher Kindheit her, die Erinnerung an eine einzige bessere Bewegung, an eine einzige bessere Thräne, welche die Ermahnung eines guten Vaters in ihm geweckt hatte. Diese Erinnerung wollte niemals vor aller Dialektik des Lasters entweichen, und sie ward dem Verirrten ein Führer zur verlassenen Wahrheit zurück. Bey einem andern war es die Wirkung ei- ner religiösen Handlung, welche ihn unter allen tie- fen Verirrungen nie verließ, und ihn zuletzt zur ru- higen Erkenntniß führte. **) Wir werden hernach mehrere Fälle solcher Art kennen lernen.
Nicht selten stellen sich, in der Bilder- und Ge- staltensprache des Geistes, jene verschiedenartigen Stim- men, der Seele als besondre, selbstständige Wesen dar, und der gute oder schlimme Dämon wird dieser wirklich sichtbar. Wir wollen hier nicht an die aus alter und neuer Zeit bekannten, daher gehörigen Fäl- le, nicht an die seltsamen Erscheinungen des sich sel- ber Sehens erinnern. Jenem holländischen Predi- ger, ***) der aus unzulänglicher Bedenklichkeit, sein etwas beschwerliches, aber folgenreiches Amt aufge- ben will, werden die Einwürfe und Zurechtweisungen seines Gewissens von der Gestalt eines fremden, un-
ge-
*) Wagnitz Moral in Beyspielen, 1ter Theil.
**) Ebendaselbst.
***)Evert Luyksen.
wurden ihr Fuͤhrer zuruͤck zu dem hoͤheren Urſprung. Bey einem in alle Laſter Verſunkenen, *) allen wil- den Leidenſchaften zum Spiele Hingegebenen, blieb, aus fruͤher Kindheit her, die Erinnerung an eine einzige beſſere Bewegung, an eine einzige beſſere Thraͤne, welche die Ermahnung eines guten Vaters in ihm geweckt hatte. Dieſe Erinnerung wollte niemals vor aller Dialektik des Laſters entweichen, und ſie ward dem Verirrten ein Fuͤhrer zur verlaſſenen Wahrheit zuruͤck. Bey einem andern war es die Wirkung ei- ner religioͤſen Handlung, welche ihn unter allen tie- fen Verirrungen nie verließ, und ihn zuletzt zur ru- higen Erkenntniß fuͤhrte. **) Wir werden hernach mehrere Faͤlle ſolcher Art kennen lernen.
Nicht ſelten ſtellen ſich, in der Bilder- und Ge- ſtaltenſprache des Geiſtes, jene verſchiedenartigen Stim- men, der Seele als beſondre, ſelbſtſtaͤndige Weſen dar, und der gute oder ſchlimme Daͤmon wird dieſer wirklich ſichtbar. Wir wollen hier nicht an die aus alter und neuer Zeit bekannten, daher gehoͤrigen Faͤl- le, nicht an die ſeltſamen Erſcheinungen des ſich ſel- ber Sehens erinnern. Jenem hollaͤndiſchen Predi- ger, ***) der aus unzulaͤnglicher Bedenklichkeit, ſein etwas beſchwerliches, aber folgenreiches Amt aufge- ben will, werden die Einwuͤrfe und Zurechtweiſungen ſeines Gewiſſens von der Geſtalt eines fremden, un-
ge-
*) Wagnitz Moral in Beyſpielen, 1ter Theil.
**) Ebendaſelbſt.
***)Evert Luykſen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="66"/>
wurden ihr Fuͤhrer zuruͤck zu dem hoͤheren Urſprung.<lb/>
Bey einem in alle Laſter Verſunkenen, <noteplace="foot"n="*)">Wagnitz Moral in Beyſpielen, 1ter Theil.</note> allen wil-<lb/>
den Leidenſchaften zum Spiele Hingegebenen, blieb, aus<lb/>
fruͤher Kindheit her, die Erinnerung an eine einzige<lb/>
beſſere Bewegung, an eine einzige beſſere Thraͤne,<lb/>
welche die Ermahnung eines guten Vaters in ihm<lb/>
geweckt hatte. Dieſe Erinnerung wollte niemals vor<lb/>
aller Dialektik des Laſters entweichen, und ſie ward<lb/>
dem Verirrten ein Fuͤhrer zur verlaſſenen Wahrheit<lb/>
zuruͤck. Bey einem andern war es die Wirkung ei-<lb/>
ner religioͤſen Handlung, welche ihn unter allen tie-<lb/>
fen Verirrungen nie verließ, und ihn zuletzt zur ru-<lb/>
higen Erkenntniß fuͤhrte. <noteplace="foot"n="**)">Ebendaſelbſt.</note> Wir werden hernach<lb/>
mehrere Faͤlle ſolcher Art kennen lernen.</p><lb/><p>Nicht ſelten ſtellen ſich, in der Bilder- und Ge-<lb/>ſtaltenſprache des Geiſtes, jene verſchiedenartigen Stim-<lb/>
men, der Seele als beſondre, ſelbſtſtaͤndige Weſen<lb/>
dar, und der gute oder ſchlimme Daͤmon wird dieſer<lb/>
wirklich ſichtbar. Wir wollen hier nicht an die aus<lb/>
alter und neuer Zeit bekannten, daher gehoͤrigen Faͤl-<lb/>
le, nicht an die ſeltſamen Erſcheinungen des ſich ſel-<lb/>
ber Sehens erinnern. Jenem hollaͤndiſchen Predi-<lb/>
ger, <noteplace="foot"n="***)"><hirendition="#aq">Evert Luykſen.</hi></note> der aus unzulaͤnglicher Bedenklichkeit, ſein<lb/>
etwas beſchwerliches, aber folgenreiches Amt aufge-<lb/>
ben will, werden die Einwuͤrfe und Zurechtweiſungen<lb/>ſeines Gewiſſens von der Geſtalt eines fremden, un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ge-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0076]
wurden ihr Fuͤhrer zuruͤck zu dem hoͤheren Urſprung.
Bey einem in alle Laſter Verſunkenen, *) allen wil-
den Leidenſchaften zum Spiele Hingegebenen, blieb, aus
fruͤher Kindheit her, die Erinnerung an eine einzige
beſſere Bewegung, an eine einzige beſſere Thraͤne,
welche die Ermahnung eines guten Vaters in ihm
geweckt hatte. Dieſe Erinnerung wollte niemals vor
aller Dialektik des Laſters entweichen, und ſie ward
dem Verirrten ein Fuͤhrer zur verlaſſenen Wahrheit
zuruͤck. Bey einem andern war es die Wirkung ei-
ner religioͤſen Handlung, welche ihn unter allen tie-
fen Verirrungen nie verließ, und ihn zuletzt zur ru-
higen Erkenntniß fuͤhrte. **) Wir werden hernach
mehrere Faͤlle ſolcher Art kennen lernen.
Nicht ſelten ſtellen ſich, in der Bilder- und Ge-
ſtaltenſprache des Geiſtes, jene verſchiedenartigen Stim-
men, der Seele als beſondre, ſelbſtſtaͤndige Weſen
dar, und der gute oder ſchlimme Daͤmon wird dieſer
wirklich ſichtbar. Wir wollen hier nicht an die aus
alter und neuer Zeit bekannten, daher gehoͤrigen Faͤl-
le, nicht an die ſeltſamen Erſcheinungen des ſich ſel-
ber Sehens erinnern. Jenem hollaͤndiſchen Predi-
ger, ***) der aus unzulaͤnglicher Bedenklichkeit, ſein
etwas beſchwerliches, aber folgenreiches Amt aufge-
ben will, werden die Einwuͤrfe und Zurechtweiſungen
ſeines Gewiſſens von der Geſtalt eines fremden, un-
ge-
*) Wagnitz Moral in Beyſpielen, 1ter Theil.
**) Ebendaſelbſt.
***) Evert Luykſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/76>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.