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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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guten Engels, und macht nun die verzweifelnde Seele
desto sicherer gegen die Stimme alles besseren Trostes,
aller Liebe und des höheren Friedens taub. Mit be-
wundernswürdiger Dialectik *) weiß derselbe alle Ge-
gengründe und Vorstellungen der besseren Stimme zu
widerlegen, und diese Dialectik erscheint überhaupt
noch anderwärts als eine Erfindung des bösen Dä-
mons, deren der gute nicht bedarf. Hieher gehören
alle Ausbrüche des sogenannten religiösen Wahnsinnes
und des Fanatismus, und die scheinbar religiöse Mas-
ke ist eine der gewöhnlichsten Erscheinungsformen jenes
schlimmen Geistes, wodurch er nur zu häufig auch die
Aeußerungen des guten lächerlich und verdächtig
machet. **)

Jene Bilder- und Gestaltensprache, deren sich
das geistige Organ der ursprünglichen Sprache, im
Traume, und in der poetischen und prophetischen Be-
geisterung bedienet, finden wir auch in seinen ersten
und unmittelbarsten Aeußerungen als Gewissen wie-
der, und auch die Welt der Furien spricht mit dem
Menschen auf furchtbar laute Weise, jene Geister-

sprache.
*) Diese zeigt unter andern die Gemahlin des Rupert
Harris, in der Lebensgeschichte des letzteren. Gesch.
d. Wiedergebornen.
**) Allerdings ist, besonders bey Gelegenheit der soge-
nannt religiösen Melancholie, etwas Körperliches nicht
zu verkennen, nur bleibe man bey diesem Körperlichen
nicht allein stehen.

guten Engels, und macht nun die verzweifelnde Seele
deſto ſicherer gegen die Stimme alles beſſeren Troſtes,
aller Liebe und des hoͤheren Friedens taub. Mit be-
wundernswuͤrdiger Dialectik *) weiß derſelbe alle Ge-
gengruͤnde und Vorſtellungen der beſſeren Stimme zu
widerlegen, und dieſe Dialectik erſcheint uͤberhaupt
noch anderwaͤrts als eine Erfindung des boͤſen Daͤ-
mons, deren der gute nicht bedarf. Hieher gehoͤren
alle Ausbruͤche des ſogenannten religioͤſen Wahnſinnes
und des Fanatismus, und die ſcheinbar religioͤſe Mas-
ke iſt eine der gewoͤhnlichſten Erſcheinungsformen jenes
ſchlimmen Geiſtes, wodurch er nur zu haͤufig auch die
Aeußerungen des guten laͤcherlich und verdaͤchtig
machet. **)

Jene Bilder- und Geſtaltenſprache, deren ſich
das geiſtige Organ der urſpruͤnglichen Sprache, im
Traume, und in der poetiſchen und prophetiſchen Be-
geiſterung bedienet, finden wir auch in ſeinen erſten
und unmittelbarſten Aeußerungen als Gewiſſen wie-
der, und auch die Welt der Furien ſpricht mit dem
Menſchen auf furchtbar laute Weiſe, jene Geiſter-

ſprache.
*) Dieſe zeigt unter andern die Gemahlin des Rupert
Harris, in der Lebensgeſchichte des letzteren. Geſch.
d. Wiedergebornen.
**) Allerdings iſt, beſonders bey Gelegenheit der ſoge-
nannt religioͤſen Melancholie, etwas Koͤrperliches nicht
zu verkennen, nur bleibe man bey dieſem Koͤrperlichen
nicht allein ſtehen.
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[64/0074] guten Engels, und macht nun die verzweifelnde Seele deſto ſicherer gegen die Stimme alles beſſeren Troſtes, aller Liebe und des hoͤheren Friedens taub. Mit be- wundernswuͤrdiger Dialectik *) weiß derſelbe alle Ge- gengruͤnde und Vorſtellungen der beſſeren Stimme zu widerlegen, und dieſe Dialectik erſcheint uͤberhaupt noch anderwaͤrts als eine Erfindung des boͤſen Daͤ- mons, deren der gute nicht bedarf. Hieher gehoͤren alle Ausbruͤche des ſogenannten religioͤſen Wahnſinnes und des Fanatismus, und die ſcheinbar religioͤſe Mas- ke iſt eine der gewoͤhnlichſten Erſcheinungsformen jenes ſchlimmen Geiſtes, wodurch er nur zu haͤufig auch die Aeußerungen des guten laͤcherlich und verdaͤchtig machet. **) Jene Bilder- und Geſtaltenſprache, deren ſich das geiſtige Organ der urſpruͤnglichen Sprache, im Traume, und in der poetiſchen und prophetiſchen Be- geiſterung bedienet, finden wir auch in ſeinen erſten und unmittelbarſten Aeußerungen als Gewiſſen wie- der, und auch die Welt der Furien ſpricht mit dem Menſchen auf furchtbar laute Weiſe, jene Geiſter- ſprache. *) Dieſe zeigt unter andern die Gemahlin des Rupert Harris, in der Lebensgeſchichte des letzteren. Geſch. d. Wiedergebornen. **) Allerdings iſt, beſonders bey Gelegenheit der ſoge- nannt religioͤſen Melancholie, etwas Koͤrperliches nicht zu verkennen, nur bleibe man bey dieſem Koͤrperlichen nicht allein ſtehen.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/74>, abgerufen am 27.04.2024.