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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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diesen. Sie ist dieselbe Sprache, welche die höhere
Region der Geisterwelt vom Anfange gesprochen, und
noch spricht, und so sehr sich auch der Mensch von
jener Sprache Gottes entwöhnt hat, ist ihm doch noch
immer ein Strahl des anfänglichen Verständnisses
übrig geblieben, und wir werden hernach sehen, auf
welche gewaltige Weise der Geist jenes großen Natur-
buches, dessen Buchstaben Leben sind, noch jetzt auf
ihn wirkt, ihn ergreift, so selten er sich auch dieser
Wirkung bewußt wird.

So haben wir im Vorhergehenden das Wichtigste
nur andeuten wollen, und versparen eine weitere Aus-
führung an einen anderen Ort. Vielleicht, daß es
dann gelingt, aus der innern Geschichte der Natur
Aufschlüsse von sehr verschiedener Art zu erhalten, zum
Theil über Räthsel, die uns das fernste Alter-
thum noch aufgegeben. Ehe wir diesen Abschnitt ganz
verlassen, wollen wir hier nur noch Eines solchen Räth-
sels erwähnen.

Der ganzen Vorwelt scheint die Idee eines Fleisch
gewordenen Gottes, welcher als Mensch geboren wor-
den, und als solcher alle Schmerzen der menschlichen
Beschränkung erfahren, durchaus nicht fremd. Jener
Gott aus Gott geboren, welchen das egyptische Sy-
stem erkennt, ist als die letzte Göttergeburt und die
äußerste Ausstrahlung des ewigen Wesens, gleich uns
Fleisch geworden, und muß in menschlicher Hülle das
Aeußerste erleiden, selbst den grausamsten Tod. *)

Eben
*) Creuzer, B. III. P. 143.

dieſen. Sie iſt dieſelbe Sprache, welche die hoͤhere
Region der Geiſterwelt vom Anfange geſprochen, und
noch ſpricht, und ſo ſehr ſich auch der Menſch von
jener Sprache Gottes entwoͤhnt hat, iſt ihm doch noch
immer ein Strahl des anfaͤnglichen Verſtaͤndniſſes
uͤbrig geblieben, und wir werden hernach ſehen, auf
welche gewaltige Weiſe der Geiſt jenes großen Natur-
buches, deſſen Buchſtaben Leben ſind, noch jetzt auf
ihn wirkt, ihn ergreift, ſo ſelten er ſich auch dieſer
Wirkung bewußt wird.

So haben wir im Vorhergehenden das Wichtigſte
nur andeuten wollen, und verſparen eine weitere Aus-
fuͤhrung an einen anderen Ort. Vielleicht, daß es
dann gelingt, aus der innern Geſchichte der Natur
Aufſchluͤſſe von ſehr verſchiedener Art zu erhalten, zum
Theil uͤber Raͤthſel, die uns das fernſte Alter-
thum noch aufgegeben. Ehe wir dieſen Abſchnitt ganz
verlaſſen, wollen wir hier nur noch Eines ſolchen Raͤth-
ſels erwaͤhnen.

Der ganzen Vorwelt ſcheint die Idee eines Fleiſch
gewordenen Gottes, welcher als Menſch geboren wor-
den, und als ſolcher alle Schmerzen der menſchlichen
Beſchraͤnkung erfahren, durchaus nicht fremd. Jener
Gott aus Gott geboren, welchen das egyptiſche Sy-
ſtem erkennt, iſt als die letzte Goͤttergeburt und die
aͤußerſte Ausſtrahlung des ewigen Weſens, gleich uns
Fleiſch geworden, und muß in menſchlicher Huͤlle das
Aeußerſte erleiden, ſelbſt den grauſamſten Tod. *)

Eben
*) Creuzer, B. III. P. 143.
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[46/0056] dieſen. Sie iſt dieſelbe Sprache, welche die hoͤhere Region der Geiſterwelt vom Anfange geſprochen, und noch ſpricht, und ſo ſehr ſich auch der Menſch von jener Sprache Gottes entwoͤhnt hat, iſt ihm doch noch immer ein Strahl des anfaͤnglichen Verſtaͤndniſſes uͤbrig geblieben, und wir werden hernach ſehen, auf welche gewaltige Weiſe der Geiſt jenes großen Natur- buches, deſſen Buchſtaben Leben ſind, noch jetzt auf ihn wirkt, ihn ergreift, ſo ſelten er ſich auch dieſer Wirkung bewußt wird. So haben wir im Vorhergehenden das Wichtigſte nur andeuten wollen, und verſparen eine weitere Aus- fuͤhrung an einen anderen Ort. Vielleicht, daß es dann gelingt, aus der innern Geſchichte der Natur Aufſchluͤſſe von ſehr verſchiedener Art zu erhalten, zum Theil uͤber Raͤthſel, die uns das fernſte Alter- thum noch aufgegeben. Ehe wir dieſen Abſchnitt ganz verlaſſen, wollen wir hier nur noch Eines ſolchen Raͤth- ſels erwaͤhnen. Der ganzen Vorwelt ſcheint die Idee eines Fleiſch gewordenen Gottes, welcher als Menſch geboren wor- den, und als ſolcher alle Schmerzen der menſchlichen Beſchraͤnkung erfahren, durchaus nicht fremd. Jener Gott aus Gott geboren, welchen das egyptiſche Sy- ſtem erkennt, iſt als die letzte Goͤttergeburt und die aͤußerſte Ausſtrahlung des ewigen Weſens, gleich uns Fleiſch geworden, und muß in menſchlicher Huͤlle das Aeußerſte erleiden, ſelbſt den grauſamſten Tod. *) Eben *) Creuzer, B. III. P. 143.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/56>, abgerufen am 28.04.2024.