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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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gemäßigten Menschen, folgt in der Ideenassociation
der Natur der tolle Affe, auf den weisen, keuschen
Elephanten das unreine Schwein, auf das Pferd der
Esel, auf das häßliche Cameel die schlanken Rehar-
ten, auf die mit dem gewöhnlichen Loos der Säug-
thiere unzufriedne, dem Vogel nachäffende Fledermaus,
folgt in verschiedener Hinsicht die Maus, die sich kaum
aus der Tiefe herauswagt; dann wieder auf den win-
digen, immer unruhig bewegten Affen, der träge Lori,
und selbst das Faulthier scheinet nach einer gewissen
Affenähnlichkeit seines äußeren Gesichtsumrisses der
träumenden Natur nicht gar zu fern vom Affen weg
zu liegen.

Auch von jener prophetischen Combinationsgabe,
von jener Verknüpfung des Morgen mit dem Gestern,
welche in der Sprache des Traumes bemerkt worden,
findet sich in der Natur das Urbild. Diese Combi-
nationsgabe ist es, vermittelst welcher jedes Bedürfniß
in der Natur, schon bey seinem Erwachen alles um
sich her bereitet, und für alles gesorgt findet, wessen
es zu seiner Befriedigung bedarf. Vermöge jener
Voraussicht baut die Mauerbiene den noch ungelegten
Eyern ihre Zellen, und nimmt hierbey schon auf das
Geschlecht der noch Ungebornen Rücksicht, versorgt sie
auf die einem jeden angemessene Weise mit Vorrath.
Ein Geschlecht der Thiere, das noch keinen Winter er-
lebt hat, ist schon während des Sommers für den zu-
künftigen Winter besorgt; kaum aus der Hülle hervor-
gegangen, und zum ersten Male am Sonnenstrahle sich
wärmend, hat es schon deutliche Vorgefühle von dem
nahen Witterungswechsel; eben so wie jene krankhaft

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gemaͤßigten Menſchen, folgt in der Ideenaſſociation
der Natur der tolle Affe, auf den weiſen, keuſchen
Elephanten das unreine Schwein, auf das Pferd der
Eſel, auf das haͤßliche Cameel die ſchlanken Rehar-
ten, auf die mit dem gewoͤhnlichen Loos der Saͤug-
thiere unzufriedne, dem Vogel nachaͤffende Fledermaus,
folgt in verſchiedener Hinſicht die Maus, die ſich kaum
aus der Tiefe herauswagt; dann wieder auf den win-
digen, immer unruhig bewegten Affen, der traͤge Lori,
und ſelbſt das Faulthier ſcheinet nach einer gewiſſen
Affenaͤhnlichkeit ſeines aͤußeren Geſichtsumriſſes der
traͤumenden Natur nicht gar zu fern vom Affen weg
zu liegen.

Auch von jener prophetiſchen Combinationsgabe,
von jener Verknuͤpfung des Morgen mit dem Geſtern,
welche in der Sprache des Traumes bemerkt worden,
findet ſich in der Natur das Urbild. Dieſe Combi-
nationsgabe iſt es, vermittelſt welcher jedes Beduͤrfniß
in der Natur, ſchon bey ſeinem Erwachen alles um
ſich her bereitet, und fuͤr alles geſorgt findet, weſſen
es zu ſeiner Befriedigung bedarf. Vermoͤge jener
Vorausſicht baut die Mauerbiene den noch ungelegten
Eyern ihre Zellen, und nimmt hierbey ſchon auf das
Geſchlecht der noch Ungebornen Ruͤckſicht, verſorgt ſie
auf die einem jeden angemeſſene Weiſe mit Vorrath.
Ein Geſchlecht der Thiere, das noch keinen Winter er-
lebt hat, iſt ſchon waͤhrend des Sommers fuͤr den zu-
kuͤnftigen Winter beſorgt; kaum aus der Huͤlle hervor-
gegangen, und zum erſten Male am Sonnenſtrahle ſich
waͤrmend, hat es ſchon deutliche Vorgefuͤhle von dem
nahen Witterungswechſel; eben ſo wie jene krankhaft

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[33/0043] gemaͤßigten Menſchen, folgt in der Ideenaſſociation der Natur der tolle Affe, auf den weiſen, keuſchen Elephanten das unreine Schwein, auf das Pferd der Eſel, auf das haͤßliche Cameel die ſchlanken Rehar- ten, auf die mit dem gewoͤhnlichen Loos der Saͤug- thiere unzufriedne, dem Vogel nachaͤffende Fledermaus, folgt in verſchiedener Hinſicht die Maus, die ſich kaum aus der Tiefe herauswagt; dann wieder auf den win- digen, immer unruhig bewegten Affen, der traͤge Lori, und ſelbſt das Faulthier ſcheinet nach einer gewiſſen Affenaͤhnlichkeit ſeines aͤußeren Geſichtsumriſſes der traͤumenden Natur nicht gar zu fern vom Affen weg zu liegen. Auch von jener prophetiſchen Combinationsgabe, von jener Verknuͤpfung des Morgen mit dem Geſtern, welche in der Sprache des Traumes bemerkt worden, findet ſich in der Natur das Urbild. Dieſe Combi- nationsgabe iſt es, vermittelſt welcher jedes Beduͤrfniß in der Natur, ſchon bey ſeinem Erwachen alles um ſich her bereitet, und fuͤr alles geſorgt findet, weſſen es zu ſeiner Befriedigung bedarf. Vermoͤge jener Vorausſicht baut die Mauerbiene den noch ungelegten Eyern ihre Zellen, und nimmt hierbey ſchon auf das Geſchlecht der noch Ungebornen Ruͤckſicht, verſorgt ſie auf die einem jeden angemeſſene Weiſe mit Vorrath. Ein Geſchlecht der Thiere, das noch keinen Winter er- lebt hat, iſt ſchon waͤhrend des Sommers fuͤr den zu- kuͤnftigen Winter beſorgt; kaum aus der Huͤlle hervor- gegangen, und zum erſten Male am Sonnenſtrahle ſich waͤrmend, hat es ſchon deutliche Vorgefuͤhle von dem nahen Witterungswechſel; eben ſo wie jene krankhaft indi- 3

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/43>, abgerufen am 29.03.2024.