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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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tur-Bilderwelt thätig, obgleich gerade diese Thätig-
keitsäußerung, in dem jetzigen Zustande nur ein sehr
untergeordnetes Geschäft der Seele ist.

Dasselbe, was wir bey der Sprache des Traumes
bemerken, jenen Ton der Ironie, jene eigenthümliche
Ideenassociation und den Geist der Weissagung, fin-
den wir denn auch auf ganz vorzügliche Weise, in
dem Originale der Traumwelt, in der Natur wieder.
In der That, die Natur scheint ganz mit unserm ver-
steckten Poeten einverstanden, und gemeinschaftlich mit
ihm über unsere elende Lust und lustiges Elend zu spot-
ten, wenn sie bald aus Gräbern uns anlacht, bald an
Hochzeitbetten ihre Trauerklagen hören lässet, und auf
diese Weise Klage mit Lust, Fröhlichkeit mit Trauer
wunderlich paart, gleich jener Naturstimme, der Luft-
musik auf Ceilon, welche im Tone einer tiefklagenden,
herzzerschneidenden Stimme, furchtbar lustige Menuetten
singt. Die Zeit der Liebe und der Freude ist es, wenn
die Nachtigall ihren klagenden Gesang am meisten hö-
ren lässet, worinnen sie nach einem dichterischen Aus-
druck, die Rose über Gräbern besinget, und alle Freu-
dengesänge der Natur haben den klagenden Mollton,
während umgekehrt ein ephemeres Geflügel den Tag
seiner Hochzeit unmittelbar am Grabe, am Tage des
Todes seyert. Tod und Hochzeit, Hochzeit und Tod
liegen sich in der Ideenassociation der Natur so nahe
wie in der des Traumes, eins scheint oft das andere
zu bedeuten, eins das andere herbeyzuführen oder vor-
auszusetzen; sie erscheinen öfters in der Sprache der
Natur als zwey gleichbedeutende Worte, davon nach
Gelegenheit eins für das andre gesetzt wird. Die

Er-

tur-Bilderwelt thaͤtig, obgleich gerade dieſe Thaͤtig-
keitsaͤußerung, in dem jetzigen Zuſtande nur ein ſehr
untergeordnetes Geſchaͤft der Seele iſt.

Daſſelbe, was wir bey der Sprache des Traumes
bemerken, jenen Ton der Ironie, jene eigenthuͤmliche
Ideenaſſociation und den Geiſt der Weiſſagung, fin-
den wir denn auch auf ganz vorzuͤgliche Weiſe, in
dem Originale der Traumwelt, in der Natur wieder.
In der That, die Natur ſcheint ganz mit unſerm ver-
ſteckten Poeten einverſtanden, und gemeinſchaftlich mit
ihm uͤber unſere elende Luſt und luſtiges Elend zu ſpot-
ten, wenn ſie bald aus Graͤbern uns anlacht, bald an
Hochzeitbetten ihre Trauerklagen hoͤren laͤſſet, und auf
dieſe Weiſe Klage mit Luſt, Froͤhlichkeit mit Trauer
wunderlich paart, gleich jener Naturſtimme, der Luft-
muſik auf Ceilon, welche im Tone einer tiefklagenden,
herzzerſchneidenden Stimme, furchtbar luſtige Menuetten
ſingt. Die Zeit der Liebe und der Freude iſt es, wenn
die Nachtigall ihren klagenden Geſang am meiſten hoͤ-
ren laͤſſet, worinnen ſie nach einem dichteriſchen Aus-
druck, die Roſe uͤber Graͤbern beſinget, und alle Freu-
dengeſaͤnge der Natur haben den klagenden Mollton,
waͤhrend umgekehrt ein ephemeres Gefluͤgel den Tag
ſeiner Hochzeit unmittelbar am Grabe, am Tage des
Todes ſeyert. Tod und Hochzeit, Hochzeit und Tod
liegen ſich in der Ideenaſſociation der Natur ſo nahe
wie in der des Traumes, eins ſcheint oft das andere
zu bedeuten, eins das andere herbeyzufuͤhren oder vor-
auszuſetzen; ſie erſcheinen oͤfters in der Sprache der
Natur als zwey gleichbedeutende Worte, davon nach
Gelegenheit eins fuͤr das andre geſetzt wird. Die

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[30/0040] tur-Bilderwelt thaͤtig, obgleich gerade dieſe Thaͤtig- keitsaͤußerung, in dem jetzigen Zuſtande nur ein ſehr untergeordnetes Geſchaͤft der Seele iſt. Daſſelbe, was wir bey der Sprache des Traumes bemerken, jenen Ton der Ironie, jene eigenthuͤmliche Ideenaſſociation und den Geiſt der Weiſſagung, fin- den wir denn auch auf ganz vorzuͤgliche Weiſe, in dem Originale der Traumwelt, in der Natur wieder. In der That, die Natur ſcheint ganz mit unſerm ver- ſteckten Poeten einverſtanden, und gemeinſchaftlich mit ihm uͤber unſere elende Luſt und luſtiges Elend zu ſpot- ten, wenn ſie bald aus Graͤbern uns anlacht, bald an Hochzeitbetten ihre Trauerklagen hoͤren laͤſſet, und auf dieſe Weiſe Klage mit Luſt, Froͤhlichkeit mit Trauer wunderlich paart, gleich jener Naturſtimme, der Luft- muſik auf Ceilon, welche im Tone einer tiefklagenden, herzzerſchneidenden Stimme, furchtbar luſtige Menuetten ſingt. Die Zeit der Liebe und der Freude iſt es, wenn die Nachtigall ihren klagenden Geſang am meiſten hoͤ- ren laͤſſet, worinnen ſie nach einem dichteriſchen Aus- druck, die Roſe uͤber Graͤbern beſinget, und alle Freu- dengeſaͤnge der Natur haben den klagenden Mollton, waͤhrend umgekehrt ein ephemeres Gefluͤgel den Tag ſeiner Hochzeit unmittelbar am Grabe, am Tage des Todes ſeyert. Tod und Hochzeit, Hochzeit und Tod liegen ſich in der Ideenaſſociation der Natur ſo nahe wie in der des Traumes, eins ſcheint oft das andere zu bedeuten, eins das andere herbeyzufuͤhren oder vor- auszuſetzen; ſie erſcheinen oͤfters in der Sprache der Natur als zwey gleichbedeutende Worte, davon nach Gelegenheit eins fuͤr das andre geſetzt wird. Die Er-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/40>, abgerufen am 25.11.2024.