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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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willkührlich zu Werke geht, und nur selten an einer
tieferen Bedeutung ber Naturgegenstände hinstreifet.
So könnte z. B. eben so gut die eine als die andre
Blume in jener Briefsprache eine Zusammenkunft, oder
das eifersüchtige Auge des Wächters bedeuten, und
wirklich (man denke nur an die so verschiedene Be-
deutung des Stiefmütterchens, im Deutschen und im
Französischen) ist fast jede Nation mit solchen will-
kührlichen Auslegungen auf eigene Weise zu Werke
gegangen. Wenn dagegen z. B. die Herbstzeitlose
(colchicum autumnale) deren lilienartige Blume noch
im Herbst, wenn die Zeit fast aller andern Blumen
vorüber ist, unsre Wiesen bedeckt, und nach wenig Ta-
gen wieder verschwindet, ohne Blätter oder Früchte er-
zeugt zu haben, die dann erst im Frühling des näch-
sten Jahres zum Vorschein kommen, in jener Blu-
mensprache die Unsterblichkeit, das im jetzigen Leben
ungestillte, erst im Frühling eines neuen Lebens in Er-
füllung gehende Sehnen bedeutet, *) so scheint eine
solche Auslegung einem tiefer eindringenden Verständ-
niß wenigstens nicht ferne zu stehen.

Schon bey den Alten **) ist jener in den Myste-
rien gefeyerte Dionysos die Vielheit, er offenbart sich
als bunte Mannigfaltigkeit der Elemente und Geschlech-

ter
*) Hierin dem Asphodelos der Alten nicht unähnlich.
**) Ueber alle hier erwähnten Ansichten des Alterthums sehe
man Creuzers Symbolik und Mythologie, besonders
das dritte Buch, aus dem sie hier wörtlich entlehnt
worden.

willkuͤhrlich zu Werke geht, und nur ſelten an einer
tieferen Bedeutung ber Naturgegenſtaͤnde hinſtreifet.
So koͤnnte z. B. eben ſo gut die eine als die andre
Blume in jener Briefſprache eine Zuſammenkunft, oder
das eiferſuͤchtige Auge des Waͤchters bedeuten, und
wirklich (man denke nur an die ſo verſchiedene Be-
deutung des Stiefmuͤtterchens, im Deutſchen und im
Franzoͤſiſchen) iſt faſt jede Nation mit ſolchen will-
kuͤhrlichen Auslegungen auf eigene Weiſe zu Werke
gegangen. Wenn dagegen z. B. die Herbſtzeitloſe
(colchicum autumnale) deren lilienartige Blume noch
im Herbſt, wenn die Zeit faſt aller andern Blumen
voruͤber iſt, unſre Wieſen bedeckt, und nach wenig Ta-
gen wieder verſchwindet, ohne Blaͤtter oder Fruͤchte er-
zeugt zu haben, die dann erſt im Fruͤhling des naͤch-
ſten Jahres zum Vorſchein kommen, in jener Blu-
menſprache die Unſterblichkeit, das im jetzigen Leben
ungeſtillte, erſt im Fruͤhling eines neuen Lebens in Er-
fuͤllung gehende Sehnen bedeutet, *) ſo ſcheint eine
ſolche Auslegung einem tiefer eindringenden Verſtaͤnd-
niß wenigſtens nicht ferne zu ſtehen.

Schon bey den Alten **) iſt jener in den Myſte-
rien gefeyerte Dionyſos die Vielheit, er offenbart ſich
als bunte Mannigfaltigkeit der Elemente und Geſchlech-

ter
*) Hierin dem Asphodelos der Alten nicht unaͤhnlich.
**) Ueber alle hier erwaͤhnten Anſichten des Alterthums ſehe
man Creuzers Symbolik und Mythologie, beſonders
das dritte Buch, aus dem ſie hier woͤrtlich entlehnt
worden.
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[28/0038] willkuͤhrlich zu Werke geht, und nur ſelten an einer tieferen Bedeutung ber Naturgegenſtaͤnde hinſtreifet. So koͤnnte z. B. eben ſo gut die eine als die andre Blume in jener Briefſprache eine Zuſammenkunft, oder das eiferſuͤchtige Auge des Waͤchters bedeuten, und wirklich (man denke nur an die ſo verſchiedene Be- deutung des Stiefmuͤtterchens, im Deutſchen und im Franzoͤſiſchen) iſt faſt jede Nation mit ſolchen will- kuͤhrlichen Auslegungen auf eigene Weiſe zu Werke gegangen. Wenn dagegen z. B. die Herbſtzeitloſe (colchicum autumnale) deren lilienartige Blume noch im Herbſt, wenn die Zeit faſt aller andern Blumen voruͤber iſt, unſre Wieſen bedeckt, und nach wenig Ta- gen wieder verſchwindet, ohne Blaͤtter oder Fruͤchte er- zeugt zu haben, die dann erſt im Fruͤhling des naͤch- ſten Jahres zum Vorſchein kommen, in jener Blu- menſprache die Unſterblichkeit, das im jetzigen Leben ungeſtillte, erſt im Fruͤhling eines neuen Lebens in Er- fuͤllung gehende Sehnen bedeutet, *) ſo ſcheint eine ſolche Auslegung einem tiefer eindringenden Verſtaͤnd- niß wenigſtens nicht ferne zu ſtehen. Schon bey den Alten **) iſt jener in den Myſte- rien gefeyerte Dionyſos die Vielheit, er offenbart ſich als bunte Mannigfaltigkeit der Elemente und Geſchlech- ter *) Hierin dem Asphodelos der Alten nicht unaͤhnlich. **) Ueber alle hier erwaͤhnten Anſichten des Alterthums ſehe man Creuzers Symbolik und Mythologie, beſonders das dritte Buch, aus dem ſie hier woͤrtlich entlehnt worden.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/38>, abgerufen am 25.11.2024.