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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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ren Daseyns anvertrauen. -- Der Wurm einiger In-
sekten pflegt, wenn er sich in seinem engen Gehäuse
zur höhern Verwandlung anschickt, sich auf eine be-
wundernswürdige Weise umzukehren, was unten war,
wird jetzt oben -- der neue Vogel Phönix entsteht
nach der alten Sage aus einem Wurm, und im müt-
terlichen Körper bildet sich das neue Leben, mitten
zwischen den Stätten des Moders und des Todes. --
Nach einer andern, vielfältig veränderten Sage, ge-
schieht die Bildung der neuen himmlischen Natur und
die Auferstehung des Leibes aus dem im bisherigen
Zustande unscheinbaren und unwerthen Beinchen Lus. *)



Wir nehmen nun hier den Faden, dessen Zu-
sammenhang durch jene physiologischen Erörterungen
vielleicht um etwas klarer geworden, wieder auf. Der
Stimmnerve und der ganze mit ihm verbundene Kreis
der Sprachorgane, gehöret zu einem Systeme unsers
Körpers; dessen Geschäft jenes des schaffenden Wortes
ist -- eine ganze ihm untergeordnete kleine Welt zu
erzeugen und zu bilden. Wenn auch dieser Kreis sehr
verengert ist, so zeigen uns doch mehrere Erscheinun-
gen, unter andern jene psychische Gewalt welche der
Magnetiseur über die ganz von ihm verschiedene Person
der Somnambüle, noch mehr jene, welche der Mensch
in gewissen Fällen über die ganze ihn umgebende Na-
tur ausübt **), daß das Gangliensystem, so wie es noch

jetzt
*) M. s. Kanne's älteste Urkunde.
**) Der hieher gehörigen Thatsachen wird noch im nächsten
Abschnitte erwähnt werden.

ren Daſeyns anvertrauen. — Der Wurm einiger In-
ſekten pflegt, wenn er ſich in ſeinem engen Gehaͤuſe
zur hoͤhern Verwandlung anſchickt, ſich auf eine be-
wundernswuͤrdige Weiſe umzukehren, was unten war,
wird jetzt oben — der neue Vogel Phoͤnix entſteht
nach der alten Sage aus einem Wurm, und im muͤt-
terlichen Koͤrper bildet ſich das neue Leben, mitten
zwiſchen den Staͤtten des Moders und des Todes. —
Nach einer andern, vielfaͤltig veraͤnderten Sage, ge-
ſchieht die Bildung der neuen himmliſchen Natur und
die Auferſtehung des Leibes aus dem im bisherigen
Zuſtande unſcheinbaren und unwerthen Beinchen Lus. *)



Wir nehmen nun hier den Faden, deſſen Zu-
ſammenhang durch jene phyſiologiſchen Eroͤrterungen
vielleicht um etwas klarer geworden, wieder auf. Der
Stimmnerve und der ganze mit ihm verbundene Kreis
der Sprachorgane, gehoͤret zu einem Syſteme unſers
Koͤrpers; deſſen Geſchaͤft jenes des ſchaffenden Wortes
iſt — eine ganze ihm untergeordnete kleine Welt zu
erzeugen und zu bilden. Wenn auch dieſer Kreis ſehr
verengert iſt, ſo zeigen uns doch mehrere Erſcheinun-
gen, unter andern jene pſychiſche Gewalt welche der
Magnetiſeur uͤber die ganz von ihm verſchiedene Perſon
der Somnambuͤle, noch mehr jene, welche der Menſch
in gewiſſen Faͤllen uͤber die ganze ihn umgebende Na-
tur ausuͤbt **), daß das Ganglienſyſtem, ſo wie es noch

jetzt
*) M. ſ. Kanne’s aͤlteſte Urkunde.
**) Der hieher gehoͤrigen Thatſachen wird noch im naͤchſten
Abſchnitte erwaͤhnt werden.
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[154/0164] ren Daſeyns anvertrauen. — Der Wurm einiger In- ſekten pflegt, wenn er ſich in ſeinem engen Gehaͤuſe zur hoͤhern Verwandlung anſchickt, ſich auf eine be- wundernswuͤrdige Weiſe umzukehren, was unten war, wird jetzt oben — der neue Vogel Phoͤnix entſteht nach der alten Sage aus einem Wurm, und im muͤt- terlichen Koͤrper bildet ſich das neue Leben, mitten zwiſchen den Staͤtten des Moders und des Todes. — Nach einer andern, vielfaͤltig veraͤnderten Sage, ge- ſchieht die Bildung der neuen himmliſchen Natur und die Auferſtehung des Leibes aus dem im bisherigen Zuſtande unſcheinbaren und unwerthen Beinchen Lus. *) Wir nehmen nun hier den Faden, deſſen Zu- ſammenhang durch jene phyſiologiſchen Eroͤrterungen vielleicht um etwas klarer geworden, wieder auf. Der Stimmnerve und der ganze mit ihm verbundene Kreis der Sprachorgane, gehoͤret zu einem Syſteme unſers Koͤrpers; deſſen Geſchaͤft jenes des ſchaffenden Wortes iſt — eine ganze ihm untergeordnete kleine Welt zu erzeugen und zu bilden. Wenn auch dieſer Kreis ſehr verengert iſt, ſo zeigen uns doch mehrere Erſcheinun- gen, unter andern jene pſychiſche Gewalt welche der Magnetiſeur uͤber die ganz von ihm verſchiedene Perſon der Somnambuͤle, noch mehr jene, welche der Menſch in gewiſſen Faͤllen uͤber die ganze ihn umgebende Na- tur ausuͤbt **), daß das Ganglienſyſtem, ſo wie es noch jetzt *) M. ſ. Kanne’s aͤlteſte Urkunde. **) Der hieher gehoͤrigen Thatſachen wird noch im naͤchſten Abſchnitte erwaͤhnt werden.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/164>, abgerufen am 24.11.2024.