Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

mittelst des Gangliensystemes empfangen, und nicht auf
dem gewöhnlichen Wege der sinnlichen Erkenntnisse.
Jenes System ist überhaupt das einzige Organ für
alle Erkenntnisse, welche außerhalb der engen Schran-
ken der gewöhnlichen Sinnlichkeit liegen, *) und wenn
in gewissen Zuständen dem Menschen, selbst noch wäh-
rend des jetzigen Lebens Blicke in eine höhere geistige
Region oder ins innerste und verborgenste Geheimniß
eines fremden Herzens, das Errathen und deutliche
Wissen fremder Gedanken und Gesinnungen gelingt
**), so wird dieses auch nur dadurch möglich, daß die
Seele das im jetzigen Leben meist für sie verloren ge-
gangene und im niederen Geschäfte befangene Organ
eines höheren und geistigeren Erkennens von neuem wie-
der empfängt, ein Glück, welches, so selten es ist, den-
noch von Einigen für eine beständige Furcht unserer rein-
sten und höchsten Bestrebungen gehalten wird. ***)

Wenn
*) Hieher gehörte wohl auch vorzüglich die von Spieß
im 1ten Bande erzählte Geschichte des wahnsinnigen
Jacob W. Dieser, ohne sein Zimmer zu verlassen,
wußte mit einem ganz besondern Hellsehen, nicht bloß
alles was auf den Feldern und unter den entsernten
Heerden seines Gutes vorging, sondern errieth und er-
kannte auch offenbar fremde Gedanken und Gesin-
nungen.
**) Terstegens Leben heiliger Seelen, Originalausgabe
B. 1. S. 61. u. f. Reiz Historie der Wiedergebor-
nen, B. 6. S. 19.
***) Thomas Bromley über die Offenbarungen, wel-
che man außerordentliche zu nennen pflegt. Aus dem
Englischen.

mittelſt des Ganglienſyſtemes empfangen, und nicht auf
dem gewoͤhnlichen Wege der ſinnlichen Erkenntniſſe.
Jenes Syſtem iſt uͤberhaupt das einzige Organ fuͤr
alle Erkenntniſſe, welche außerhalb der engen Schran-
ken der gewoͤhnlichen Sinnlichkeit liegen, *) und wenn
in gewiſſen Zuſtaͤnden dem Menſchen, ſelbſt noch waͤh-
rend des jetzigen Lebens Blicke in eine hoͤhere geiſtige
Region oder ins innerſte und verborgenſte Geheimniß
eines fremden Herzens, das Errathen und deutliche
Wiſſen fremder Gedanken und Geſinnungen gelingt
**), ſo wird dieſes auch nur dadurch moͤglich, daß die
Seele das im jetzigen Leben meiſt fuͤr ſie verloren ge-
gangene und im niederen Geſchaͤfte befangene Organ
eines hoͤheren und geiſtigeren Erkennens von neuem wie-
der empfaͤngt, ein Gluͤck, welches, ſo ſelten es iſt, den-
noch von Einigen fuͤr eine beſtaͤndige Furcht unſerer rein-
ſten und hoͤchſten Beſtrebungen gehalten wird. ***)

Wenn
*) Hieher gehoͤrte wohl auch vorzuͤglich die von Spieß
im 1ten Bande erzaͤhlte Geſchichte des wahnſinnigen
Jacob W. Dieſer, ohne ſein Zimmer zu verlaſſen,
wußte mit einem ganz beſondern Hellſehen, nicht bloß
alles was auf den Feldern und unter den entſernten
Heerden ſeines Gutes vorging, ſondern errieth und er-
kannte auch offenbar fremde Gedanken und Geſin-
nungen.
**) Terſtegens Leben heiliger Seelen, Originalausgabe
B. 1. S. 61. u. f. Reiz Hiſtorie der Wiedergebor-
nen, B. 6. S. 19.
***) Thomas Bromley uͤber die Offenbarungen, wel-
che man außerordentliche zu nennen pflegt. Aus dem
Engliſchen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0162" n="152"/>
mittel&#x017F;t des Ganglien&#x017F;y&#x017F;temes empfangen, und nicht auf<lb/>
dem gewo&#x0364;hnlichen Wege der &#x017F;innlichen Erkenntni&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
Jenes Sy&#x017F;tem i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt das einzige Organ fu&#x0364;r<lb/>
alle Erkenntni&#x017F;&#x017F;e, welche außerhalb der engen Schran-<lb/>
ken der gewo&#x0364;hnlichen Sinnlichkeit liegen, <note place="foot" n="*)">Hieher geho&#x0364;rte wohl auch vorzu&#x0364;glich die von Spieß<lb/>
im 1ten Bande erza&#x0364;hlte Ge&#x017F;chichte des wahn&#x017F;innigen<lb/>
Jacob W. Die&#x017F;er, ohne &#x017F;ein Zimmer zu verla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wußte mit einem ganz be&#x017F;ondern Hell&#x017F;ehen, nicht bloß<lb/>
alles was auf den Feldern und unter den ent&#x017F;ernten<lb/>
Heerden &#x017F;eines Gutes vorging, &#x017F;ondern errieth und er-<lb/>
kannte auch offenbar fremde Gedanken und Ge&#x017F;in-<lb/>
nungen.</note> und wenn<lb/>
in gewi&#x017F;&#x017F;en Zu&#x017F;ta&#x0364;nden dem Men&#x017F;chen, &#x017F;elb&#x017F;t noch wa&#x0364;h-<lb/>
rend des jetzigen Lebens Blicke in eine ho&#x0364;here gei&#x017F;tige<lb/>
Region oder ins inner&#x017F;te und verborgen&#x017F;te Geheimniß<lb/>
eines fremden Herzens, das Errathen und deutliche<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en fremder Gedanken und Ge&#x017F;innungen gelingt<lb/><note place="foot" n="**)"><hi rendition="#g">Ter&#x017F;tegens</hi> Leben heiliger Seelen, Originalausgabe<lb/>
B. 1. S. 61. u. f. <hi rendition="#g">Reiz</hi> Hi&#x017F;torie der Wiedergebor-<lb/>
nen, B. 6. S. 19.</note>, &#x017F;o wird die&#x017F;es auch nur dadurch mo&#x0364;glich, daß die<lb/>
Seele das im jetzigen Leben mei&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;ie verloren ge-<lb/>
gangene und im niederen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte befangene Organ<lb/>
eines ho&#x0364;heren und gei&#x017F;tigeren Erkennens von neuem wie-<lb/>
der empfa&#x0364;ngt, ein Glu&#x0364;ck, welches, &#x017F;o &#x017F;elten es i&#x017F;t, den-<lb/>
noch von Einigen fu&#x0364;r eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Furcht un&#x017F;erer rein-<lb/>
&#x017F;ten und ho&#x0364;ch&#x017F;ten Be&#x017F;trebungen gehalten wird. <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#g">Thomas Bromley</hi> u&#x0364;ber die Offenbarungen, wel-<lb/>
che man außerordentliche zu nennen pflegt. Aus dem<lb/>
Engli&#x017F;chen.</note></p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Wenn</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0162] mittelſt des Ganglienſyſtemes empfangen, und nicht auf dem gewoͤhnlichen Wege der ſinnlichen Erkenntniſſe. Jenes Syſtem iſt uͤberhaupt das einzige Organ fuͤr alle Erkenntniſſe, welche außerhalb der engen Schran- ken der gewoͤhnlichen Sinnlichkeit liegen, *) und wenn in gewiſſen Zuſtaͤnden dem Menſchen, ſelbſt noch waͤh- rend des jetzigen Lebens Blicke in eine hoͤhere geiſtige Region oder ins innerſte und verborgenſte Geheimniß eines fremden Herzens, das Errathen und deutliche Wiſſen fremder Gedanken und Geſinnungen gelingt **), ſo wird dieſes auch nur dadurch moͤglich, daß die Seele das im jetzigen Leben meiſt fuͤr ſie verloren ge- gangene und im niederen Geſchaͤfte befangene Organ eines hoͤheren und geiſtigeren Erkennens von neuem wie- der empfaͤngt, ein Gluͤck, welches, ſo ſelten es iſt, den- noch von Einigen fuͤr eine beſtaͤndige Furcht unſerer rein- ſten und hoͤchſten Beſtrebungen gehalten wird. ***) Wenn *) Hieher gehoͤrte wohl auch vorzuͤglich die von Spieß im 1ten Bande erzaͤhlte Geſchichte des wahnſinnigen Jacob W. Dieſer, ohne ſein Zimmer zu verlaſſen, wußte mit einem ganz beſondern Hellſehen, nicht bloß alles was auf den Feldern und unter den entſernten Heerden ſeines Gutes vorging, ſondern errieth und er- kannte auch offenbar fremde Gedanken und Geſin- nungen. **) Terſtegens Leben heiliger Seelen, Originalausgabe B. 1. S. 61. u. f. Reiz Hiſtorie der Wiedergebor- nen, B. 6. S. 19. ***) Thomas Bromley uͤber die Offenbarungen, wel- che man außerordentliche zu nennen pflegt. Aus dem Engliſchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/162
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/162>, abgerufen am 30.04.2024.