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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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Erhebung des höheren Seelenvermögens. In beyden
Fällen aber kommt das gesteigerte Gefühl aus und
vermittelst dem Gangliensystem in unsere Seele. Je-
nes ist überhaupt, wie schon gesagt, Organ des Er-
kennens, und zwar in dem früher erwähnten doppel-
ten Sinne, Organ des körperlichen Erkennens oder
Erzeugens und des geistigen Erkennens. Die Erkennt-
nißkräfte sind schon im Somnambulismus, ja im
Rausche gesteigert, und früh nüchtern, wenn die psy-
chische Erkenntnißkraft des Gangliensystemes noch nicht
in dem Geschäfte der Verdauung erloschen ist, fühlet
sich unser geistiges Erkenntnißvermögen am freyesten,
am erweitertsten und vollkommensten und im Gegen-
theil fühlet es sich durch die entgegengesetzten körper-
lichen Zustände im höchsten Grade beschränkt und ver-
engert. Der Unterschied zwischen einem großen Ta-
lent und einem sehr beschränkten, scheinet bloß davon
abzuhängen, daß bey jenem der Wille mehr Gewalt
über die Region des Gangliensystems hat, und diese
wieder eine leichtere Zurückwirkung auf das Gehirn,
während bey einem beschränkten Talent, jene Commu-
nikation erschwerter ist. Daher wird Blödsinn so oft
durch Bewegung in freyer Luft, durch Verwundun-
gen, besonders am Kopfe, und andere Einwirkungen,
welche jene Communikation erleichtern, gehoben. Die
Somnambülen sagen fast einmüthig aus, daß sie jene
früher erwähnten höheren Erkenntnisse, das Verstehen
fremder Gedanken, die prophetischen Blicke in die
Ferne, und in die eigene oder fremde Zukunft und Ver-
gangenheit, die helle Uebersicht über eine nähere oder
fernere Körperwelt und die Einsicht in den inneren Um-
trieb ihrer Kräfte, vermittelst der Herzgrube, d. h.

mit-

Erhebung des hoͤheren Seelenvermoͤgens. In beyden
Faͤllen aber kommt das geſteigerte Gefuͤhl aus und
vermittelſt dem Ganglienſyſtem in unſere Seele. Je-
nes iſt uͤberhaupt, wie ſchon geſagt, Organ des Er-
kennens, und zwar in dem fruͤher erwaͤhnten doppel-
ten Sinne, Organ des koͤrperlichen Erkennens oder
Erzeugens und des geiſtigen Erkennens. Die Erkennt-
nißkraͤfte ſind ſchon im Somnambulismus, ja im
Rauſche geſteigert, und fruͤh nuͤchtern, wenn die pſy-
chiſche Erkenntnißkraft des Ganglienſyſtemes noch nicht
in dem Geſchaͤfte der Verdauung erloſchen iſt, fuͤhlet
ſich unſer geiſtiges Erkenntnißvermoͤgen am freyeſten,
am erweitertſten und vollkommenſten und im Gegen-
theil fuͤhlet es ſich durch die entgegengeſetzten koͤrper-
lichen Zuſtaͤnde im hoͤchſten Grade beſchraͤnkt und ver-
engert. Der Unterſchied zwiſchen einem großen Ta-
lent und einem ſehr beſchraͤnkten, ſcheinet bloß davon
abzuhaͤngen, daß bey jenem der Wille mehr Gewalt
uͤber die Region des Ganglienſyſtems hat, und dieſe
wieder eine leichtere Zuruͤckwirkung auf das Gehirn,
waͤhrend bey einem beſchraͤnkten Talent, jene Commu-
nikation erſchwerter iſt. Daher wird Bloͤdſinn ſo oft
durch Bewegung in freyer Luft, durch Verwundun-
gen, beſonders am Kopfe, und andere Einwirkungen,
welche jene Communikation erleichtern, gehoben. Die
Somnambuͤlen ſagen faſt einmuͤthig aus, daß ſie jene
fruͤher erwaͤhnten hoͤheren Erkenntniſſe, das Verſtehen
fremder Gedanken, die prophetiſchen Blicke in die
Ferne, und in die eigene oder fremde Zukunft und Ver-
gangenheit, die helle Ueberſicht uͤber eine naͤhere oder
fernere Koͤrperwelt und die Einſicht in den inneren Um-
trieb ihrer Kraͤfte, vermittelſt der Herzgrube, d. h.

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[151/0161] Erhebung des hoͤheren Seelenvermoͤgens. In beyden Faͤllen aber kommt das geſteigerte Gefuͤhl aus und vermittelſt dem Ganglienſyſtem in unſere Seele. Je- nes iſt uͤberhaupt, wie ſchon geſagt, Organ des Er- kennens, und zwar in dem fruͤher erwaͤhnten doppel- ten Sinne, Organ des koͤrperlichen Erkennens oder Erzeugens und des geiſtigen Erkennens. Die Erkennt- nißkraͤfte ſind ſchon im Somnambulismus, ja im Rauſche geſteigert, und fruͤh nuͤchtern, wenn die pſy- chiſche Erkenntnißkraft des Ganglienſyſtemes noch nicht in dem Geſchaͤfte der Verdauung erloſchen iſt, fuͤhlet ſich unſer geiſtiges Erkenntnißvermoͤgen am freyeſten, am erweitertſten und vollkommenſten und im Gegen- theil fuͤhlet es ſich durch die entgegengeſetzten koͤrper- lichen Zuſtaͤnde im hoͤchſten Grade beſchraͤnkt und ver- engert. Der Unterſchied zwiſchen einem großen Ta- lent und einem ſehr beſchraͤnkten, ſcheinet bloß davon abzuhaͤngen, daß bey jenem der Wille mehr Gewalt uͤber die Region des Ganglienſyſtems hat, und dieſe wieder eine leichtere Zuruͤckwirkung auf das Gehirn, waͤhrend bey einem beſchraͤnkten Talent, jene Commu- nikation erſchwerter iſt. Daher wird Bloͤdſinn ſo oft durch Bewegung in freyer Luft, durch Verwundun- gen, beſonders am Kopfe, und andere Einwirkungen, welche jene Communikation erleichtern, gehoben. Die Somnambuͤlen ſagen faſt einmuͤthig aus, daß ſie jene fruͤher erwaͤhnten hoͤheren Erkenntniſſe, das Verſtehen fremder Gedanken, die prophetiſchen Blicke in die Ferne, und in die eigene oder fremde Zukunft und Ver- gangenheit, die helle Ueberſicht uͤber eine naͤhere oder fernere Koͤrperwelt und die Einſicht in den inneren Um- trieb ihrer Kraͤfte, vermittelſt der Herzgrube, d. h. mit-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/161>, abgerufen am 30.04.2024.