Aber noch spricht (weihe ihr nur ein reines Organ!) die ewige Liebe mit dir die erste, ursprüngliche Spra- che, noch rührt der lebendige Hauch die Saiten der Lyra, und mit den unreinen müssen auch zugleich die reinen tönen. Und wenn (vielleicht bald) der Geist unsers Geschlechts das Aeußerste jener Verlassenheit, jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le- bensstrahlen von ihm weichen, so wird die ihm am fernsten zu stehen, die er vergebens zu suchen schien, die ewige Liebe ihm am nächsten seyn, der dunklen Nacht der Morgen.
Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wis- senschaft, von ihrem ursprünglichen Stand in der gött- lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehrseitigen Er- starrung, spricht irgendwo sehr sinnvoll der bekannte Schwedenborg aus, dessen Zustand dem Pag. 12 erwähr- ten tieferen Grad des Traumes sehr ähnlich, und von diesem nur durch die Verknüpfung mit dem Bewußt- seyn des Wachens verschieden war.
"Einstens, erzählt er, als ich in Unterredung mit einem Geiste war, welcher denkwürdige Dinge, in einem Zustande, welcher dem des Schlafes glich, zu reden schien, kamen Geister zu uns an, welche un- ter einander sprachen, es verstunden aber weder die Geister um mich herum noch ich, was sie redeten. Ich wurde belehrt, daß es Geister aus dem Erdball des Mars wären, welche also unter einan- der sprechen konnten, daß die anwesenden Geister nichts davon verstünden. Ich verwunderte mich, daß es eine solche Sprache geben könnte, da alle Geister
Eine
Aber noch ſpricht (weihe ihr nur ein reines Organ!) die ewige Liebe mit dir die erſte, urſpruͤngliche Spra- che, noch ruͤhrt der lebendige Hauch die Saiten der Lyra, und mit den unreinen muͤſſen auch zugleich die reinen toͤnen. Und wenn (vielleicht bald) der Geiſt unſers Geſchlechts das Aeußerſte jener Verlaſſenheit, jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le- bensſtrahlen von ihm weichen, ſo wird die ihm am fernſten zu ſtehen, die er vergebens zu ſuchen ſchien, die ewige Liebe ihm am naͤchſten ſeyn, der dunklen Nacht der Morgen.
Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wiſ- ſenſchaft, von ihrem urſpruͤnglichen Stand in der goͤtt- lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehrſeitigen Er- ſtarrung, ſpricht irgendwo ſehr ſinnvoll der bekannte Schwedenborg aus, deſſen Zuſtand dem Pag. 12 erwaͤhr- ten tieferen Grad des Traumes ſehr aͤhnlich, und von dieſem nur durch die Verknuͤpfung mit dem Bewußt- ſeyn des Wachens verſchieden war.
„Einſtens, erzaͤhlt er, als ich in Unterredung mit einem Geiſte war, welcher denkwuͤrdige Dinge, in einem Zuſtande, welcher dem des Schlafes glich, zu reden ſchien, kamen Geiſter zu uns an, welche un- ter einander ſprachen, es verſtunden aber weder die Geiſter um mich herum noch ich, was ſie redeten. Ich wurde belehrt, daß es Geiſter aus dem Erdball des Mars waͤren, welche alſo unter einan- der ſprechen konnten, daß die anweſenden Geiſter nichts davon verſtuͤnden. Ich verwunderte mich, daß es eine ſolche Sprache geben koͤnnte, da alle Geiſter
Eine
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Aber noch ſpricht (weihe ihr nur ein reines Organ!)
die ewige Liebe mit dir die erſte, urſpruͤngliche Spra-
che, noch ruͤhrt der lebendige Hauch die Saiten der
Lyra, und mit den unreinen muͤſſen auch zugleich die
reinen toͤnen. Und wenn (vielleicht bald) der Geiſt
unſers Geſchlechts das Aeußerſte jener Verlaſſenheit,
jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le-
bensſtrahlen von ihm weichen, ſo wird die ihm am
fernſten zu ſtehen, die er vergebens zu ſuchen ſchien,
die ewige Liebe ihm am naͤchſten ſeyn, der dunklen
Nacht der Morgen.
Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wiſ-
ſenſchaft, von ihrem urſpruͤnglichen Stand in der goͤtt-
lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehrſeitigen Er-
ſtarrung, ſpricht irgendwo ſehr ſinnvoll der bekannte
Schwedenborg aus, deſſen Zuſtand dem Pag. 12 erwaͤhr-
ten tieferen Grad des Traumes ſehr aͤhnlich, und von
dieſem nur durch die Verknuͤpfung mit dem Bewußt-
ſeyn des Wachens verſchieden war.
„Einſtens, erzaͤhlt er, als ich in Unterredung
mit einem Geiſte war, welcher denkwuͤrdige Dinge,
in einem Zuſtande, welcher dem des Schlafes glich,
zu reden ſchien, kamen Geiſter zu uns an, welche un-
ter einander ſprachen, es verſtunden aber weder
die Geiſter um mich herum noch ich, was ſie
redeten. Ich wurde belehrt, daß es Geiſter aus dem
Erdball des Mars waͤren, welche alſo unter einan-
der ſprechen konnten, daß die anweſenden Geiſter
nichts davon verſtuͤnden. Ich verwunderte mich, daß
es eine ſolche Sprache geben koͤnnte, da alle Geiſter
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/103>, abgerufen am 16.02.2025.
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