Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.men ohne Liebe, den Schein des Lebens, ohne Leben; Seitdem die ursprüngliche Sprache der Natur Aber *) Wie in Sprache und Mythus (nach Kannt.)
men ohne Liebe, den Schein des Lebens, ohne Leben; Seitdem die urſpruͤngliche Sprache der Natur Aber *) Wie in Sprache und Mythus (nach Kannt.)
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0102" n="92"/> men ohne Liebe, den Schein des Lebens, ohne Leben;<lb/> kaltes Feuer, warme Kaͤlte, dunkles Licht, duͤrres<lb/> Waſſer!</p><lb/> <p>Seitdem die urſpruͤngliche Sprache der Natur<lb/> und des Gefuͤhles, deren Inhalt Liebe des Goͤttlichen<lb/> war, fuͤr den Menſchen, weil er ihre Ausdruͤcke faͤlſch-<lb/> lich auf ſeine eigene entartete Neigung anwendete,<lb/> und bloß in dieſer ſchlimmeren Beziehung nahm, un-<lb/> mittelbar gar nicht mehr verſtaͤndlich, und ſelbſt ge-<lb/> faͤhrlich geworden iſt, hat ſein Geiſt durch Sprache<lb/> und Wiſſenſchaft einen von der Region des Gefuͤhls<lb/> (das ihm nun zum bloß ſinnlichen geworden) immer<lb/> mehr abfuͤhrenden Weg gehen muͤſſen. Auf der ei-<lb/> nen Seite iſt ihm die Scheidung von jener unſicheren<lb/> dunklen Region wohlthaͤtig, auf der andern entſetzlich<lb/> toͤdtend, allen, auch den letzten Lebenskeim erſtickend<lb/> geweſen. Doch allerdings das erſtere mehr als das<lb/> letztere, und nicht zu unſerm Nachtheil iſt die an-<lb/> faͤngliche Sprache der Poeſie, zur Sprache der nuͤch-<lb/> ternen Proſa, das Lied der Natur zur Philoſophie<lb/> geworden. Freylich ſtirbt, ohne Nahrung von oben,<lb/> gar leicht der Keim der hoͤheren Gefuͤhle zugleich mit<lb/> den niedern, und die ſchoͤne Taube, die vom Baume<lb/> des Lebens mit uns redete, iſt gar vielfaͤltig zum tod-<lb/> ten bleyernen Vogel geworden. <note place="foot" n="*)">Wie in Sprache und Mythus (nach Kannt.)</note> In der That, un-<lb/> ſer Wiſſen, wie unſere Geſinnung haben ſich von meh-<lb/> reren Seiten bald in jene beeiste Region verloren,<lb/> wo auch das letzte Gefuͤhl, die letzte Liebe ſtirbt.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Aber</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [92/0102]
men ohne Liebe, den Schein des Lebens, ohne Leben;
kaltes Feuer, warme Kaͤlte, dunkles Licht, duͤrres
Waſſer!
Seitdem die urſpruͤngliche Sprache der Natur
und des Gefuͤhles, deren Inhalt Liebe des Goͤttlichen
war, fuͤr den Menſchen, weil er ihre Ausdruͤcke faͤlſch-
lich auf ſeine eigene entartete Neigung anwendete,
und bloß in dieſer ſchlimmeren Beziehung nahm, un-
mittelbar gar nicht mehr verſtaͤndlich, und ſelbſt ge-
faͤhrlich geworden iſt, hat ſein Geiſt durch Sprache
und Wiſſenſchaft einen von der Region des Gefuͤhls
(das ihm nun zum bloß ſinnlichen geworden) immer
mehr abfuͤhrenden Weg gehen muͤſſen. Auf der ei-
nen Seite iſt ihm die Scheidung von jener unſicheren
dunklen Region wohlthaͤtig, auf der andern entſetzlich
toͤdtend, allen, auch den letzten Lebenskeim erſtickend
geweſen. Doch allerdings das erſtere mehr als das
letztere, und nicht zu unſerm Nachtheil iſt die an-
faͤngliche Sprache der Poeſie, zur Sprache der nuͤch-
ternen Proſa, das Lied der Natur zur Philoſophie
geworden. Freylich ſtirbt, ohne Nahrung von oben,
gar leicht der Keim der hoͤheren Gefuͤhle zugleich mit
den niedern, und die ſchoͤne Taube, die vom Baume
des Lebens mit uns redete, iſt gar vielfaͤltig zum tod-
ten bleyernen Vogel geworden. *) In der That, un-
ſer Wiſſen, wie unſere Geſinnung haben ſich von meh-
reren Seiten bald in jene beeiste Region verloren,
wo auch das letzte Gefuͤhl, die letzte Liebe ſtirbt.
Aber
*) Wie in Sprache und Mythus (nach Kannt.)
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