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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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rade in den höchsten Augenblicken des jetzigen Daseyns
der Dinge, die Anlagen zu einem künftigen höheren
erzeugt werden, und oft in diesen selber, oder bald nach-
her sichtbar werden. Aus diesem Grunde sind jene
höchsten Augenblicke zerstörend, weil ein neuaufgehen-
des höheres Streben das alte verdrängt, weil von nun
an die Empfänglichkeit für die Einflüsse des jetzigen
Daseyns sich vermindert.

Es hat auch die Vorwelt in diesem Gesetz, welches
die höchsten Momente des Lebens unmittelbar mit dem
Tode verknüpft, das Geheimniß der Liebe und des
Todes, die Hoffnung einer unsterblichen Fortdauer
unsres Wesens, und den Trost über den Untergang der
hohen alten Vergangenheit gefunden. Es wurde des-
halb in den Mysterien der Egypter und zu Eleusis,
auf die Geschichte der alten Zeit gedeutet, *) und den
Eingeweiheten die Zuversicht einer seeligen Fortdauer
nach dem Tode gegeben. Das Bild, unter welchem
in den Mysterien der Tod erschien, stellte diesen dem
Gemüth vielmehr lieblich und süß, als schrecklich dar,
und die Einweihung wurde deshalb als ein Mittel gegen
die Furcht vor dem Tode gepriesen. **) Ja es ward
noch den Sterbenden, und nach einem frommen Glau-

*) Plutarch. Isis et Osiris
**) Heyne ad Apollodor.

rade in den hoͤchſten Augenblicken des jetzigen Daſeyns
der Dinge, die Anlagen zu einem kuͤnftigen hoͤheren
erzeugt werden, und oft in dieſen ſelber, oder bald nach-
her ſichtbar werden. Aus dieſem Grunde ſind jene
hoͤchſten Augenblicke zerſtoͤrend, weil ein neuaufgehen-
des hoͤheres Streben das alte verdraͤngt, weil von nun
an die Empfaͤnglichkeit fuͤr die Einfluͤſſe des jetzigen
Daſeyns ſich vermindert.

Es hat auch die Vorwelt in dieſem Geſetz, welches
die hoͤchſten Momente des Lebens unmittelbar mit dem
Tode verknuͤpft, das Geheimniß der Liebe und des
Todes, die Hoffnung einer unſterblichen Fortdauer
unſres Weſens, und den Troſt uͤber den Untergang der
hohen alten Vergangenheit gefunden. Es wurde des-
halb in den Myſterien der Egypter und zu Eleuſis,
auf die Geſchichte der alten Zeit gedeutet, *) und den
Eingeweiheten die Zuverſicht einer ſeeligen Fortdauer
nach dem Tode gegeben. Das Bild, unter welchem
in den Myſterien der Tod erſchien, ſtellte dieſen dem
Gemuͤth vielmehr lieblich und ſuͤß, als ſchrecklich dar,
und die Einweihung wurde deshalb als ein Mittel gegen
die Furcht vor dem Tode geprieſen. **) Ja es ward
noch den Sterbenden, und nach einem frommen Glau-

*) Plutarch. Iſis et Oſiris
**) Heyne ad Apollodor.
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[71/0085] rade in den hoͤchſten Augenblicken des jetzigen Daſeyns der Dinge, die Anlagen zu einem kuͤnftigen hoͤheren erzeugt werden, und oft in dieſen ſelber, oder bald nach- her ſichtbar werden. Aus dieſem Grunde ſind jene hoͤchſten Augenblicke zerſtoͤrend, weil ein neuaufgehen- des hoͤheres Streben das alte verdraͤngt, weil von nun an die Empfaͤnglichkeit fuͤr die Einfluͤſſe des jetzigen Daſeyns ſich vermindert. Es hat auch die Vorwelt in dieſem Geſetz, welches die hoͤchſten Momente des Lebens unmittelbar mit dem Tode verknuͤpft, das Geheimniß der Liebe und des Todes, die Hoffnung einer unſterblichen Fortdauer unſres Weſens, und den Troſt uͤber den Untergang der hohen alten Vergangenheit gefunden. Es wurde des- halb in den Myſterien der Egypter und zu Eleuſis, auf die Geſchichte der alten Zeit gedeutet, *) und den Eingeweiheten die Zuverſicht einer ſeeligen Fortdauer nach dem Tode gegeben. Das Bild, unter welchem in den Myſterien der Tod erſchien, ſtellte dieſen dem Gemuͤth vielmehr lieblich und ſuͤß, als ſchrecklich dar, und die Einweihung wurde deshalb als ein Mittel gegen die Furcht vor dem Tode geprieſen. **) Ja es ward noch den Sterbenden, und nach einem frommen Glau- *) Plutarch. Iſis et Oſiris **) Heyne ad Apollodor.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/85>, abgerufen am 27.04.2024.