Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

genthümlichen Daseyn gelangen. Die Schieferartig
geschichteten Gebirgsarten, welche in der ersten Hälf-
te der Urzeit so häufig sind, zeigen den großen und
fast ausschließenden Einfluß der Schwere auf die Bil-
dung derselben, während sich erst in der zweyten Hälf-
te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und selbst-
ständigeren Formen erheben, überhaupt aber in der jüng-
sten Hauptperiode, in der der Flözzeit, diese freyeren
und kühneren Formen am häufigsten werden. So
zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem
Thierreich ihre Abhängigkeit von dem Planeten,
und die Einheit mit demselben aus. Erst das
Thier wird vom Boden frey und selbstständig be-
weglich, während die Pflanze gleichsam nur noch ein
Theil des Bodens ist, in welchem sie wurzelt. Es
geht also auch in der organischen Welt jener passivere
Zustand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer
Vereinigung mit seinem Ganzen besteht, jenem vor-
aus, wo das Einzelne ein Ganzes in sich, und unab-
hängig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und
zwar vorzüglich in der Klasse der Säugethiere sowohl
der Zeit nach als dem Gange der allmäligen Ausbil-
dung der Formen, eine Reihe vorausgehen sehen, wo
die Geschlechter durch ihre größere Körpermasse und
Schwerfälligkeit, durch die Langsamkeit ihrer Bewe-
gungen, ja wie zum Beyspiel die untergegangenen Rie-
senthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un-
fähigkeit zum eigentlichen Gehen, statt dessen nur ein
mühsames Kriechen möglich war, von dem Boden ab-

genthuͤmlichen Daſeyn gelangen. Die Schieferartig
geſchichteten Gebirgsarten, welche in der erſten Haͤlf-
te der Urzeit ſo haͤufig ſind, zeigen den großen und
faſt ausſchließenden Einfluß der Schwere auf die Bil-
dung derſelben, waͤhrend ſich erſt in der zweyten Haͤlf-
te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und ſelbſt-
ſtaͤndigeren Formen erheben, uͤberhaupt aber in der juͤng-
ſten Hauptperiode, in der der Floͤzzeit, dieſe freyeren
und kuͤhneren Formen am haͤufigſten werden. So
zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem
Thierreich ihre Abhaͤngigkeit von dem Planeten,
und die Einheit mit demſelben aus. Erſt das
Thier wird vom Boden frey und ſelbſtſtaͤndig be-
weglich, waͤhrend die Pflanze gleichſam nur noch ein
Theil des Bodens iſt, in welchem ſie wurzelt. Es
geht alſo auch in der organiſchen Welt jener paſſivere
Zuſtand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer
Vereinigung mit ſeinem Ganzen beſteht, jenem vor-
aus, wo das Einzelne ein Ganzes in ſich, und unab-
haͤngig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und
zwar vorzuͤglich in der Klaſſe der Saͤugethiere ſowohl
der Zeit nach als dem Gange der allmaͤligen Ausbil-
dung der Formen, eine Reihe vorausgehen ſehen, wo
die Geſchlechter durch ihre groͤßere Koͤrpermaſſe und
Schwerfaͤlligkeit, durch die Langſamkeit ihrer Bewe-
gungen, ja wie zum Beyſpiel die untergegangenen Rie-
ſenthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un-
faͤhigkeit zum eigentlichen Gehen, ſtatt deſſen nur ein
muͤhſames Kriechen moͤglich war, von dem Boden ab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0312" n="298"/>
genthu&#x0364;mlichen Da&#x017F;eyn gelangen. Die Schieferartig<lb/>
ge&#x017F;chichteten Gebirgsarten, welche in der er&#x017F;ten Ha&#x0364;lf-<lb/>
te der Urzeit &#x017F;o ha&#x0364;ufig &#x017F;ind, zeigen den großen und<lb/>
fa&#x017F;t aus&#x017F;chließenden Einfluß der Schwere auf die Bil-<lb/>
dung der&#x017F;elben, wa&#x0364;hrend &#x017F;ich er&#x017F;t in der zweyten Ha&#x0364;lf-<lb/>
te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und &#x017F;elb&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigeren Formen erheben, u&#x0364;berhaupt aber in der ju&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;ten Hauptperiode, in der der Flo&#x0364;zzeit, die&#x017F;e freyeren<lb/>
und ku&#x0364;hneren Formen am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten werden. So<lb/>
zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem<lb/>
Thierreich ihre Abha&#x0364;ngigkeit von dem Planeten,<lb/>
und die Einheit mit dem&#x017F;elben aus. Er&#x017F;t das<lb/>
Thier wird vom Boden frey und &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndig be-<lb/>
weglich, wa&#x0364;hrend die Pflanze gleich&#x017F;am nur noch ein<lb/>
Theil des Bodens i&#x017F;t, in welchem &#x017F;ie wurzelt. Es<lb/>
geht al&#x017F;o auch in der organi&#x017F;chen Welt jener pa&#x017F;&#x017F;ivere<lb/>
Zu&#x017F;tand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer<lb/>
Vereinigung mit &#x017F;einem Ganzen be&#x017F;teht, <hi rendition="#g">jenem</hi> vor-<lb/>
aus, wo das Einzelne ein Ganzes in &#x017F;ich, und unab-<lb/>
ha&#x0364;ngig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und<lb/>
zwar vorzu&#x0364;glich in der Kla&#x017F;&#x017F;e der Sa&#x0364;ugethiere &#x017F;owohl<lb/>
der Zeit nach als dem Gange der allma&#x0364;ligen Ausbil-<lb/>
dung der Formen, eine Reihe vorausgehen &#x017F;ehen, wo<lb/>
die Ge&#x017F;chlechter durch ihre gro&#x0364;ßere Ko&#x0364;rperma&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
Schwerfa&#x0364;lligkeit, durch die Lang&#x017F;amkeit ihrer Bewe-<lb/>
gungen, ja wie zum Bey&#x017F;piel die untergegangenen Rie-<lb/>
&#x017F;enthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un-<lb/>
fa&#x0364;higkeit zum eigentlichen Gehen, &#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en nur ein<lb/>
mu&#x0364;h&#x017F;ames Kriechen mo&#x0364;glich war, von dem Boden ab-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0312] genthuͤmlichen Daſeyn gelangen. Die Schieferartig geſchichteten Gebirgsarten, welche in der erſten Haͤlf- te der Urzeit ſo haͤufig ſind, zeigen den großen und faſt ausſchließenden Einfluß der Schwere auf die Bil- dung derſelben, waͤhrend ſich erſt in der zweyten Haͤlf- te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und ſelbſt- ſtaͤndigeren Formen erheben, uͤberhaupt aber in der juͤng- ſten Hauptperiode, in der der Floͤzzeit, dieſe freyeren und kuͤhneren Formen am haͤufigſten werden. So zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem Thierreich ihre Abhaͤngigkeit von dem Planeten, und die Einheit mit demſelben aus. Erſt das Thier wird vom Boden frey und ſelbſtſtaͤndig be- weglich, waͤhrend die Pflanze gleichſam nur noch ein Theil des Bodens iſt, in welchem ſie wurzelt. Es geht alſo auch in der organiſchen Welt jener paſſivere Zuſtand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer Vereinigung mit ſeinem Ganzen beſteht, jenem vor- aus, wo das Einzelne ein Ganzes in ſich, und unab- haͤngig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und zwar vorzuͤglich in der Klaſſe der Saͤugethiere ſowohl der Zeit nach als dem Gange der allmaͤligen Ausbil- dung der Formen, eine Reihe vorausgehen ſehen, wo die Geſchlechter durch ihre groͤßere Koͤrpermaſſe und Schwerfaͤlligkeit, durch die Langſamkeit ihrer Bewe- gungen, ja wie zum Beyſpiel die untergegangenen Rie- ſenthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un- faͤhigkeit zum eigentlichen Gehen, ſtatt deſſen nur ein muͤhſames Kriechen moͤglich war, von dem Boden ab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/312
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/312>, abgerufen am 10.05.2024.