Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

hängiger, der allgemeinen Schwere mehr unterworfen
waren, welches sich auch in dem durchgängig passiven
Wesen und in der Pflanzennahrung ausspricht. Erst
in der zweyten Reihe zeigt sich der thierische Charakter
freyer und selbstständiger entwicklet. Darum ist es je-
nem allgemeinen Naturgesetz gemäß, daß auch in der
Geschichte des Menschen zuerst eine lange Periode der
Hingebung und der Abhängigkeit von der äußren Na-
tur, jener der Freyheit und Selbstständigkeit voraus-
gieng. Wie die Kunsttriebe, die sich blind und be-
wußtlos in dem Bau kunstreicher Höhlen und andrer
Wohnungen äußern, am vollkommensten gleich am
Anfang der ersten Reihe, und hiermit der ganzen Klas-
se der Säugethiere, in dem Biber und einigen andern
Nagethieren erscheinen, so zeigt sich auch in der Ge-
schichte des Menschen gleich Anfangs jener mathema-
tisch astronomische Kunsttrieb, den wir noch jetzt in
den wissenschaftlichen Denkmählern der ältesten Vor-
welt bewundern.

Die höchste Vollkommenheit scheint in der Mitte
zu schweben, und wenn auch der Mensch in seinem
ganzen Bau sich mehr nach der ersten Reihe herüber-
neigt, deren Gipfel er ist, so scheint doch auch die
höchste Blüthe der zweyten, die Vollendung des Mus-
kelsystems und der innren Theile, in ihm zugleich ent-
faltet. Die vollkommenste Harmonie des Nervensy-
stems und der Sinnen, mit dem Muskelsystem, ist
es, welche den Menschen vor allen Thieren auszeich-
net. Es ist die höchste Thätigkeit und Wirkung des

haͤngiger, der allgemeinen Schwere mehr unterworfen
waren, welches ſich auch in dem durchgaͤngig paſſiven
Weſen und in der Pflanzennahrung ausſpricht. Erſt
in der zweyten Reihe zeigt ſich der thieriſche Charakter
freyer und ſelbſtſtaͤndiger entwicklet. Darum iſt es je-
nem allgemeinen Naturgeſetz gemaͤß, daß auch in der
Geſchichte des Menſchen zuerſt eine lange Periode der
Hingebung und der Abhaͤngigkeit von der aͤußren Na-
tur, jener der Freyheit und Selbſtſtaͤndigkeit voraus-
gieng. Wie die Kunſttriebe, die ſich blind und be-
wußtlos in dem Bau kunſtreicher Hoͤhlen und andrer
Wohnungen aͤußern, am vollkommenſten gleich am
Anfang der erſten Reihe, und hiermit der ganzen Klaſ-
ſe der Saͤugethiere, in dem Biber und einigen andern
Nagethieren erſcheinen, ſo zeigt ſich auch in der Ge-
ſchichte des Menſchen gleich Anfangs jener mathema-
tiſch aſtronomiſche Kunſttrieb, den wir noch jetzt in
den wiſſenſchaftlichen Denkmaͤhlern der aͤlteſten Vor-
welt bewundern.

Die hoͤchſte Vollkommenheit ſcheint in der Mitte
zu ſchweben, und wenn auch der Menſch in ſeinem
ganzen Bau ſich mehr nach der erſten Reihe heruͤber-
neigt, deren Gipfel er iſt, ſo ſcheint doch auch die
hoͤchſte Bluͤthe der zweyten, die Vollendung des Mus-
kelſyſtems und der innren Theile, in ihm zugleich ent-
faltet. Die vollkommenſte Harmonie des Nervenſy-
ſtems und der Sinnen, mit dem Muskelſyſtem, iſt
es, welche den Menſchen vor allen Thieren auszeich-
net. Es iſt die hoͤchſte Thaͤtigkeit und Wirkung des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="299"/>
ha&#x0364;ngiger, der allgemeinen Schwere mehr unterworfen<lb/>
waren, welches &#x017F;ich auch in dem durchga&#x0364;ngig pa&#x017F;&#x017F;iven<lb/>
We&#x017F;en und in der Pflanzennahrung aus&#x017F;pricht. Er&#x017F;t<lb/>
in der zweyten Reihe zeigt &#x017F;ich der thieri&#x017F;che Charakter<lb/>
freyer und &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndiger entwicklet. Darum i&#x017F;t es je-<lb/>
nem allgemeinen Naturge&#x017F;etz gema&#x0364;ß, daß auch in der<lb/>
Ge&#x017F;chichte des Men&#x017F;chen zuer&#x017F;t eine lange Periode der<lb/>
Hingebung und der Abha&#x0364;ngigkeit von der a&#x0364;ußren Na-<lb/>
tur, jener der Freyheit und Selb&#x017F;t&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit voraus-<lb/>
gieng. Wie die Kun&#x017F;ttriebe, die &#x017F;ich blind und be-<lb/>
wußtlos in dem Bau kun&#x017F;treicher Ho&#x0364;hlen und andrer<lb/>
Wohnungen a&#x0364;ußern, am vollkommen&#x017F;ten gleich am<lb/>
Anfang der er&#x017F;ten Reihe, und hiermit der ganzen Kla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e der Sa&#x0364;ugethiere, in dem Biber und einigen andern<lb/>
Nagethieren er&#x017F;cheinen, &#x017F;o zeigt &#x017F;ich auch in der Ge-<lb/>
&#x017F;chichte des Men&#x017F;chen gleich Anfangs jener mathema-<lb/>
ti&#x017F;ch a&#x017F;tronomi&#x017F;che Kun&#x017F;ttrieb, den wir noch jetzt in<lb/>
den wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Denkma&#x0364;hlern der a&#x0364;lte&#x017F;ten Vor-<lb/>
welt bewundern.</p><lb/>
        <p>Die ho&#x0364;ch&#x017F;te Vollkommenheit &#x017F;cheint in der Mitte<lb/>
zu &#x017F;chweben, und wenn auch der Men&#x017F;ch in &#x017F;einem<lb/>
ganzen Bau &#x017F;ich mehr nach der er&#x017F;ten Reihe heru&#x0364;ber-<lb/>
neigt, deren Gipfel er i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;cheint doch auch die<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te Blu&#x0364;the der zweyten, die Vollendung des Mus-<lb/>
kel&#x017F;y&#x017F;tems und der innren Theile, in ihm zugleich ent-<lb/>
faltet. Die vollkommen&#x017F;te Harmonie des Nerven&#x017F;y-<lb/>
&#x017F;tems und der Sinnen, mit dem Muskel&#x017F;y&#x017F;tem, i&#x017F;t<lb/>
es, welche den Men&#x017F;chen vor allen Thieren auszeich-<lb/>
net. Es i&#x017F;t die ho&#x0364;ch&#x017F;te Tha&#x0364;tigkeit und Wirkung des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0313] haͤngiger, der allgemeinen Schwere mehr unterworfen waren, welches ſich auch in dem durchgaͤngig paſſiven Weſen und in der Pflanzennahrung ausſpricht. Erſt in der zweyten Reihe zeigt ſich der thieriſche Charakter freyer und ſelbſtſtaͤndiger entwicklet. Darum iſt es je- nem allgemeinen Naturgeſetz gemaͤß, daß auch in der Geſchichte des Menſchen zuerſt eine lange Periode der Hingebung und der Abhaͤngigkeit von der aͤußren Na- tur, jener der Freyheit und Selbſtſtaͤndigkeit voraus- gieng. Wie die Kunſttriebe, die ſich blind und be- wußtlos in dem Bau kunſtreicher Hoͤhlen und andrer Wohnungen aͤußern, am vollkommenſten gleich am Anfang der erſten Reihe, und hiermit der ganzen Klaſ- ſe der Saͤugethiere, in dem Biber und einigen andern Nagethieren erſcheinen, ſo zeigt ſich auch in der Ge- ſchichte des Menſchen gleich Anfangs jener mathema- tiſch aſtronomiſche Kunſttrieb, den wir noch jetzt in den wiſſenſchaftlichen Denkmaͤhlern der aͤlteſten Vor- welt bewundern. Die hoͤchſte Vollkommenheit ſcheint in der Mitte zu ſchweben, und wenn auch der Menſch in ſeinem ganzen Bau ſich mehr nach der erſten Reihe heruͤber- neigt, deren Gipfel er iſt, ſo ſcheint doch auch die hoͤchſte Bluͤthe der zweyten, die Vollendung des Mus- kelſyſtems und der innren Theile, in ihm zugleich ent- faltet. Die vollkommenſte Harmonie des Nervenſy- ſtems und der Sinnen, mit dem Muskelſyſtem, iſt es, welche den Menſchen vor allen Thieren auszeich- net. Es iſt die hoͤchſte Thaͤtigkeit und Wirkung des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/313
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/313>, abgerufen am 10.05.2024.