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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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schichte der Astronomie und des Naturcultus, so wird
man diesen angebohrnen Vorzug des Menschen bey ih-
nen allen weit unvollkommner und unausgebildeter
finden.

Es ist bekannt, welche große Mühe und lange
Versuche in Griechenland blos die einfache Eintheilung
der Zeit gekostet hat. Noch sind die Gedichte des
Orpheus und Linus astronomischen Innhalts gewesen,
und wir wissen aus der Tradition, die uns von ihnen
noch Zahlen der Zeitrechnung aufbewahrt hat, daß sie
die Bedeutung jener merkwürdigen Zahl 432, deren
Kenntniß nach unsrer Meynung schon ein tieferes Ver-
stehen der alten Naturweisheit voraussetzte, gekannt
haben. *) Doch tritt bald nachher über diese Gegen-
stände die größte Ungewißheit ein. Als vorzüglich
ungeschickt und unbequem fällt die zweyjährige Inter-
calationsmethode auf, die wir noch zu unsers Aelter-
vaters Hippocrates Zeiten finden **) und wenn nicht
die Olympischen Spiele der Chronologie zu Hülfe kä-
men, würde diese bey den Griechen noch ungleich
schwieriger seyn als sie es schon ist. Jene wahrhaften
und tiefen Kenntnisse der Natur und des Weltgebäu-

*) Sie bedienten sich bey der Zeiteintheilung der Zahlen
120 und 3600, beyde multiplicirt sind die indische Zahl
432000.
**) Alle 2 Jahre mußte ein ganzer Monat eingeschaltet
werden.

ſchichte der Aſtronomie und des Naturcultus, ſo wird
man dieſen angebohrnen Vorzug des Menſchen bey ih-
nen allen weit unvollkommner und unausgebildeter
finden.

Es iſt bekannt, welche große Muͤhe und lange
Verſuche in Griechenland blos die einfache Eintheilung
der Zeit gekoſtet hat. Noch ſind die Gedichte des
Orpheus und Linus aſtronomiſchen Innhalts geweſen,
und wir wiſſen aus der Tradition, die uns von ihnen
noch Zahlen der Zeitrechnung aufbewahrt hat, daß ſie
die Bedeutung jener merkwuͤrdigen Zahl 432, deren
Kenntniß nach unſrer Meynung ſchon ein tieferes Ver-
ſtehen der alten Naturweisheit vorausſetzte, gekannt
haben. *) Doch tritt bald nachher uͤber dieſe Gegen-
ſtaͤnde die groͤßte Ungewißheit ein. Als vorzuͤglich
ungeſchickt und unbequem faͤllt die zweyjaͤhrige Inter-
calationsmethode auf, die wir noch zu unſers Aelter-
vaters Hippocrates Zeiten finden **) und wenn nicht
die Olympiſchen Spiele der Chronologie zu Huͤlfe kaͤ-
men, wuͤrde dieſe bey den Griechen noch ungleich
ſchwieriger ſeyn als ſie es ſchon iſt. Jene wahrhaften
und tiefen Kenntniſſe der Natur und des Weltgebaͤu-

*) Sie bedienten ſich bey der Zeiteintheilung der Zahlen
120 und 3600, beyde multiplicirt ſind die indiſche Zahl
432000.
**) Alle 2 Jahre mußte ein ganzer Monat eingeſchaltet
werden.
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[87/0101] ſchichte der Aſtronomie und des Naturcultus, ſo wird man dieſen angebohrnen Vorzug des Menſchen bey ih- nen allen weit unvollkommner und unausgebildeter finden. Es iſt bekannt, welche große Muͤhe und lange Verſuche in Griechenland blos die einfache Eintheilung der Zeit gekoſtet hat. Noch ſind die Gedichte des Orpheus und Linus aſtronomiſchen Innhalts geweſen, und wir wiſſen aus der Tradition, die uns von ihnen noch Zahlen der Zeitrechnung aufbewahrt hat, daß ſie die Bedeutung jener merkwuͤrdigen Zahl 432, deren Kenntniß nach unſrer Meynung ſchon ein tieferes Ver- ſtehen der alten Naturweisheit vorausſetzte, gekannt haben. *) Doch tritt bald nachher uͤber dieſe Gegen- ſtaͤnde die groͤßte Ungewißheit ein. Als vorzuͤglich ungeſchickt und unbequem faͤllt die zweyjaͤhrige Inter- calationsmethode auf, die wir noch zu unſers Aelter- vaters Hippocrates Zeiten finden **) und wenn nicht die Olympiſchen Spiele der Chronologie zu Huͤlfe kaͤ- men, wuͤrde dieſe bey den Griechen noch ungleich ſchwieriger ſeyn als ſie es ſchon iſt. Jene wahrhaften und tiefen Kenntniſſe der Natur und des Weltgebaͤu- *) Sie bedienten ſich bey der Zeiteintheilung der Zahlen 120 und 3600, beyde multiplicirt ſind die indiſche Zahl 432000. **) Alle 2 Jahre mußte ein ganzer Monat eingeſchaltet werden.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/101>, abgerufen am 10.05.2024.