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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Zweite Vorlesung.
schreibung "Empfänger oder Empfängerin von Wohlthaten seitens-" unsre
Zuflucht nehmen, u. s. w.

Um nicht zu übergrosser Weitläufigkeit gezwungen zu sein kann ich
nur die Bitte an den Leser richten (sofern nicht ausdrücklich das Gegen-
teil stipulirt wird) das Genus in welchem ein relativer Name eingeführt
wird, allemal ignoriren zu wollen.

Ferner bedeutet nun das identische Produkt ab alles was zugleich
Liebender und Wohlthäter ist von- (sc. jemand), die identische Summe
a + b: was Liebender oder Wohlthäter (eventuell beides) ist von-.

Dagegen wird das relative Produkt a ; b zu interpretiren sein als
"Liebender von einem Wohlthäter von-", und die relative Summe a j b
als "Liebender von allen ausser Wohlthätern von-", womit indessen
gänzlich offen gelassen (in keiner Weise präjudizirt) sein soll, ob er
etwa auch solche Wohlthäter liebe, oder nicht. Wir werden in unsrer
Disziplin fein unterscheiden müssen zwischen den Partikeln "ausser"
(englisch: but, save?, besides?) und "ausgenommen" (englisch: excepting).

Sagen wir von den Personen, Menschen auf einem untergegangenen
Schiffe: "Alle wurden gerettet mit Ausnahme der Besatzung", so wurden
blos die Passagiere gerettet und die Mannschaft ist umgekommen, sagen
wir dagegen: "alle Personen ausser der Besatzung sind gerettet", so steht
zwar fest, dass die Passagiere gerettet sind; von der Besatzung aber will
ganz und gar nichts ausgesagt sein; vielleicht ist sie untergegangen, viel-
leicht schwebt sie noch in Lebensgefahr, wird teilweise oder ganz (eben-
falls) noch gerettet.

Von grösster Wichtigkeit für das richtige Erfassen unsrer Theorie
ist es nunmehr, dass der Leser, bevor er in dieselbe eintritt, folgendes
beachte.

Alle Sätze der Algebra der Relative dürfen eine "dreifache Evi-
denz
" beanspruchen.

In dreierlei Sinne -- schon nach den bisherigen Ausführungen --
mögen wir von "einer Evidenz" derselben reden; auf drei grundver-
schiednen Wegen können wir sie einleuchtend finden, je nachdem wir
zum Ausgangspunkt nehmen: die in § 3 aufgestellten fundamentalen
Festsetzungen, oder aber: die geometrische Repräsentation der Relative
und der mit ihnen zu vollziehenden Operationen, wie wir sie oben
an die Betrachtung der Matrix knüpften, oder endlich: die verbale
Interpretation der Relativsymbole, ihre Wiedergabe durch relative
Namen der Wortsprache zu Zwecken der angewandten Logik -- wie
wir sie zuletzt, soeben, und vorgreifend, angedeutet.

Kurz, wenn auch nicht vollkommen erschöpfend, will ich diese
dreierlei Evidenzen als die analytische, die geometrische und die rheto-

Zweite Vorlesung.
schreibung „Empfänger oder Empfängerin von Wohlthaten seitens-“ unsre
Zuflucht nehmen, u. s. w.

Um nicht zu übergrosser Weitläufigkeit gezwungen zu sein kann ich
nur die Bitte an den Leser richten (sofern nicht ausdrücklich das Gegen-
teil stipulirt wird) das Genus in welchem ein relativer Name eingeführt
wird, allemal ignoriren zu wollen.

Ferner bedeutet nun das identische Produkt ab alles was zugleich
Liebender und Wohlthäter ist von- (sc. jemand), die identische Summe
a + b: was Liebender oder Wohlthäter (eventuell beides) ist von-.

Dagegen wird das relative Produkt a ; b zu interpretiren sein als
„Liebender von einem Wohlthäter von-“, und die relative Summe a ɟ b
als „Liebender von allen ausser Wohlthätern von-“, womit indessen
gänzlich offen gelassen (in keiner Weise präjudizirt) sein soll, ob er
etwa auch solche Wohlthäter liebe, oder nicht. Wir werden in unsrer
Disziplin fein unterscheiden müssen zwischen den Partikeln „ausser
(englisch: but, save?, besides?) und „ausgenommen“ (englisch: excepting).

Sagen wir von den Personen, Menschen auf einem untergegangenen
Schiffe: „Alle wurden gerettet mit Ausnahme der Besatzung“, so wurden
blos die Passagiere gerettet und die Mannschaft ist umgekommen, sagen
wir dagegen: „alle Personen ausser der Besatzung sind gerettet“, so steht
zwar fest, dass die Passagiere gerettet sind; von der Besatzung aber will
ganz und gar nichts ausgesagt sein; vielleicht ist sie untergegangen, viel-
leicht schwebt sie noch in Lebensgefahr, wird teilweise oder ganz (eben-
falls) noch gerettet.

Von grösster Wichtigkeit für das richtige Erfassen unsrer Theorie
ist es nunmehr, dass der Leser, bevor er in dieselbe eintritt, folgendes
beachte.

Alle Sätze der Algebra der Relative dürfen eine „dreifache Evi-
denz
“ beanspruchen.

In dreierlei Sinne — schon nach den bisherigen Ausführungen —
mögen wir von „einer Evidenz“ derselben reden; auf drei grundver-
schiednen Wegen können wir sie einleuchtend finden, je nachdem wir
zum Ausgangspunkt nehmen: die in § 3 aufgestellten fundamentalen
Festsetzungen, oder aber: die geometrische Repräsentation der Relative
und der mit ihnen zu vollziehenden Operationen, wie wir sie oben
an die Betrachtung der Matrix knüpften, oder endlich: die verbale
Interpretation der Relativsymbole, ihre Wiedergabe durch relative
Namen der Wortsprache zu Zwecken der angewandten Logik — wie
wir sie zuletzt, soeben, und vorgreifend, angedeutet.

Kurz, wenn auch nicht vollkommen erschöpfend, will ich diese
dreierlei Evidenzen als die analytische, die geometrische und die rheto-

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[64/0078] Zweite Vorlesung. schreibung „Empfänger oder Empfängerin von Wohlthaten seitens-“ unsre Zuflucht nehmen, u. s. w. Um nicht zu übergrosser Weitläufigkeit gezwungen zu sein kann ich nur die Bitte an den Leser richten (sofern nicht ausdrücklich das Gegen- teil stipulirt wird) das Genus in welchem ein relativer Name eingeführt wird, allemal ignoriren zu wollen. Ferner bedeutet nun das identische Produkt ab alles was zugleich Liebender und Wohlthäter ist von- (sc. jemand), die identische Summe a + b: was Liebender oder Wohlthäter (eventuell beides) ist von-. Dagegen wird das relative Produkt a ; b zu interpretiren sein als „Liebender von einem Wohlthäter von-“, und die relative Summe a ɟ b als „Liebender von allen ausser Wohlthätern von-“, womit indessen gänzlich offen gelassen (in keiner Weise präjudizirt) sein soll, ob er etwa auch solche Wohlthäter liebe, oder nicht. Wir werden in unsrer Disziplin fein unterscheiden müssen zwischen den Partikeln „ausser“ (englisch: but, save?, besides?) und „ausgenommen“ (englisch: excepting). Sagen wir von den Personen, Menschen auf einem untergegangenen Schiffe: „Alle wurden gerettet mit Ausnahme der Besatzung“, so wurden blos die Passagiere gerettet und die Mannschaft ist umgekommen, sagen wir dagegen: „alle Personen ausser der Besatzung sind gerettet“, so steht zwar fest, dass die Passagiere gerettet sind; von der Besatzung aber will ganz und gar nichts ausgesagt sein; vielleicht ist sie untergegangen, viel- leicht schwebt sie noch in Lebensgefahr, wird teilweise oder ganz (eben- falls) noch gerettet. Von grösster Wichtigkeit für das richtige Erfassen unsrer Theorie ist es nunmehr, dass der Leser, bevor er in dieselbe eintritt, folgendes beachte. Alle Sätze der Algebra der Relative dürfen eine „dreifache Evi- denz“ beanspruchen. In dreierlei Sinne — schon nach den bisherigen Ausführungen — mögen wir von „einer Evidenz“ derselben reden; auf drei grundver- schiednen Wegen können wir sie einleuchtend finden, je nachdem wir zum Ausgangspunkt nehmen: die in § 3 aufgestellten fundamentalen Festsetzungen, oder aber: die geometrische Repräsentation der Relative und der mit ihnen zu vollziehenden Operationen, wie wir sie oben an die Betrachtung der Matrix knüpften, oder endlich: die verbale Interpretation der Relativsymbole, ihre Wiedergabe durch relative Namen der Wortsprache zu Zwecken der angewandten Logik — wie wir sie zuletzt, soeben, und vorgreifend, angedeutet. Kurz, wenn auch nicht vollkommen erschöpfend, will ich diese dreierlei Evidenzen als die analytische, die geometrische und die rheto-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/78>, abgerufen am 03.05.2024.