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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
scheinlichkeit" des Zusammentreffens der gedachten Ereignisse ist von be-
rechtigtem Einfluss auf unser Verhalten in solchem Falle. Allein hier, in
diesem Werke, handelt es sich nur um unabweisbare, denknotwendige
Schlussfolgerungen.

Zufolge des jeweiligen Wegfalles so vieler der Zeit nach parti-
kularer Prämissen vereinfacht sich das Geschäft des Schliessens be-
greiflicherweise allemal ausserordentlich, und so wird kein Anlass vor-
liegen, eine aparte Symbolik für den Zweck zu ersinnen. Für welche
Symbolik indessen man immer sich entscheiden mag, keine wird uns
doch dessen überheben können, das oben charakterisirte Minimum von
Einzel-Konklusionen zu ziehen, (wie dies Mitchell's "Nebelbilder-
problem" auch in seiner Behandlungsweise an den Gliedern der von
ihm auszumultiplizirenden Polynome deutlichst erkennen lässt.)

Unser Aussagenkalkul ist also sehr wol imstande, die Schluss-
folgerung auch aus "in der Zeit partikularen" Prämissen zu bewältigen.

m) Damit sind nun freilich diese zeitlich partikularen Urteile
ganz anders behandelt, als die schlechtweg partikularen. Auch aus
letzteren könnte man wol die Konklusionen des Klassenkalkuls nach
denselben Grundsätzen gewinnen, wie ich sie soeben für die ersteren
aufgestellt und empfohlen habe. Allein damit ginge man aller Vorteile
des Kalkuls verlustig, indem man die Methoden der algebraischen
Logik ersetzte durch ein urwüchsiges, kunstloses und rohes Verfahren, --
schlimmer als das Jevons'sche; -- ein Verfahren, das zwar bei zeit-
lich partikularen ganz wol angeht und praktisch noch nirgends zu
Unzuträglichkeiten geführt hat, das dagegen, auf die Partikularität
schlechthin ausgedehnt, in ganz unerträgliche Umständlichkeiten und
Weitläufigkeiten schon bei wenig verwickelten Problemen führen müsste.

Dieser auffallende Gegensatz erklärt sich durch den Umstand,
dass das Partikularitäts-Pronomen "einige, manche, some" im zeitlichen
Sinne immer nur mit demselben Nomen: "Gelegenheiten" oder synonym
"Fälle, Male, Zeiten", verknüpft ist, -- wie denn auch sprachlich in
"manchmal, sometimes" Pronomen und Nomen zusammengewachsen
sind, -- wogegen sonst in "einige x" das Nomen oder Urteilssubjekt x
in der mannigfaltigsten Weise wechseln, den verschiedensten Ideenkreisen
entstammen wird.

In der Tragweite dieses von meinen Gegnern wol übersehenen
oder nicht genügend gewürdigten Umstandes liegt, wie mir scheint,
ein zweiter Angelpunkt der obschwebenden Streitfrage.

Wenn die Konstitution unseres Intellekts uns nicht gestattete, das
Pronomen "einige" auf verschiedenerlei Objekte anzuwenden, wenn wir

Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 31

§ 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile.
scheinlichkeit“ des Zusammentreffens der gedachten Ereignisse ist von be-
rechtigtem Einfluss auf unser Verhalten in solchem Falle. Allein hier, in
diesem Werke, handelt es sich nur um unabweisbare, denknotwendige
Schlussfolgerungen.

Zufolge des jeweiligen Wegfalles so vieler der Zeit nach parti-
kularer Prämissen vereinfacht sich das Geschäft des Schliessens be-
greiflicherweise allemal ausserordentlich, und so wird kein Anlass vor-
liegen, eine aparte Symbolik für den Zweck zu ersinnen. Für welche
Symbolik indessen man immer sich entscheiden mag, keine wird uns
doch dessen überheben können, das oben charakterisirte Minimum von
Einzel-Konklusionen zu ziehen, (wie dies Mitchell’s „Nebelbilder-
problem“ auch in seiner Behandlungsweise an den Gliedern der von
ihm auszumultiplizirenden Polynome deutlichst erkennen lässt.)

Unser Aussagenkalkul ist also sehr wol imstande, die Schluss-
folgerung auch aus „in der Zeit partikularen“ Prämissen zu bewältigen.

μ) Damit sind nun freilich diese zeitlich partikularen Urteile
ganz anders behandelt, als die schlechtweg partikularen. Auch aus
letzteren könnte man wol die Konklusionen des Klassenkalkuls nach
denselben Grundsätzen gewinnen, wie ich sie soeben für die ersteren
aufgestellt und empfohlen habe. Allein damit ginge man aller Vorteile
des Kalkuls verlustig, indem man die Methoden der algebraischen
Logik ersetzte durch ein urwüchsiges, kunstloses und rohes Verfahren, —
schlimmer als das Jevons’sche; — ein Verfahren, das zwar bei zeit-
lich partikularen ganz wol angeht und praktisch noch nirgends zu
Unzuträglichkeiten geführt hat, das dagegen, auf die Partikularität
schlechthin ausgedehnt, in ganz unerträgliche Umständlichkeiten und
Weitläufigkeiten schon bei wenig verwickelten Problemen führen müsste.

Dieser auffallende Gegensatz erklärt sich durch den Umstand,
dass das Partikularitäts-Pronomen „einige, manche, some“ im zeitlichen
Sinne immer nur mit demselben Nomen: „Gelegenheiten“ oder synonym
„Fälle, Male, Zeiten“, verknüpft ist, — wie denn auch sprachlich in
„manchmal, sometimes“ Pronomen und Nomen zusammengewachsen
sind, — wogegen sonst in „einige x“ das Nomen oder Urteilssubjekt x
in der mannigfaltigsten Weise wechseln, den verschiedensten Ideenkreisen
entstammen wird.

In der Tragweite dieses von meinen Gegnern wol übersehenen
oder nicht genügend gewürdigten Umstandes liegt, wie mir scheint,
ein zweiter Angelpunkt der obschwebenden Streitfrage.

Wenn die Konstitution unseres Intellekts uns nicht gestattete, das
Pronomen „einige“ auf verschiedenerlei Objekte anzuwenden, wenn wir

Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 31
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[481/0125] § 54. Fortsetzung. Über zeitlich partikulare Urteile. scheinlichkeit“ des Zusammentreffens der gedachten Ereignisse ist von be- rechtigtem Einfluss auf unser Verhalten in solchem Falle. Allein hier, in diesem Werke, handelt es sich nur um unabweisbare, denknotwendige Schlussfolgerungen. Zufolge des jeweiligen Wegfalles so vieler der Zeit nach parti- kularer Prämissen vereinfacht sich das Geschäft des Schliessens be- greiflicherweise allemal ausserordentlich, und so wird kein Anlass vor- liegen, eine aparte Symbolik für den Zweck zu ersinnen. Für welche Symbolik indessen man immer sich entscheiden mag, keine wird uns doch dessen überheben können, das oben charakterisirte Minimum von Einzel-Konklusionen zu ziehen, (wie dies Mitchell’s „Nebelbilder- problem“ auch in seiner Behandlungsweise an den Gliedern der von ihm auszumultiplizirenden Polynome deutlichst erkennen lässt.) Unser Aussagenkalkul ist also sehr wol imstande, die Schluss- folgerung auch aus „in der Zeit partikularen“ Prämissen zu bewältigen. μ) Damit sind nun freilich diese zeitlich partikularen Urteile ganz anders behandelt, als die schlechtweg partikularen. Auch aus letzteren könnte man wol die Konklusionen des Klassenkalkuls nach denselben Grundsätzen gewinnen, wie ich sie soeben für die ersteren aufgestellt und empfohlen habe. Allein damit ginge man aller Vorteile des Kalkuls verlustig, indem man die Methoden der algebraischen Logik ersetzte durch ein urwüchsiges, kunstloses und rohes Verfahren, — schlimmer als das Jevons’sche; — ein Verfahren, das zwar bei zeit- lich partikularen ganz wol angeht und praktisch noch nirgends zu Unzuträglichkeiten geführt hat, das dagegen, auf die Partikularität schlechthin ausgedehnt, in ganz unerträgliche Umständlichkeiten und Weitläufigkeiten schon bei wenig verwickelten Problemen führen müsste. Dieser auffallende Gegensatz erklärt sich durch den Umstand, dass das Partikularitäts-Pronomen „einige, manche, some“ im zeitlichen Sinne immer nur mit demselben Nomen: „Gelegenheiten“ oder synonym „Fälle, Male, Zeiten“, verknüpft ist, — wie denn auch sprachlich in „manchmal, sometimes“ Pronomen und Nomen zusammengewachsen sind, — wogegen sonst in „einige x“ das Nomen oder Urteilssubjekt x in der mannigfaltigsten Weise wechseln, den verschiedensten Ideenkreisen entstammen wird. In der Tragweite dieses von meinen Gegnern wol übersehenen oder nicht genügend gewürdigten Umstandes liegt, wie mir scheint, ein zweiter Angelpunkt der obschwebenden Streitfrage. Wenn die Konstitution unseres Intellekts uns nicht gestattete, das Pronomen „einige“ auf verschiedenerlei Objekte anzuwenden, wenn wir Schröder, Algebra der Logik. 2. II. 31

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/125>, abgerufen am 28.04.2024.