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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Fünfundzwanzigste Vorlesung.
lich, diese Zusammenstellung bis zur Gegenwart fortzuführen und zu
vervollständigen, noch mehr aber, damit eine Kritik dieser Bezeichnungs-
vorschläge zu verbinden.

Ich gestatte mir, beispielsweise über die Art, wie Herr Peano sich
die wesentlichen Zeichen gestaltet, mich zur Stelle kritisch zu äussern.
Nicht nur ist nämlich dieser Autor einer der begabtesten und thätigsten
Forscher, welche die Methoden der exakten Logik auf immer mehr neue
Anwendungsgebiete übertragen und in diesen erfolgreich verwerten, sondern
derselbe ist auch neuerdings mit seinen Bezeichnungsweisen in deutsche
mathematische Zeitschriften, bis in die "Mathematischen Annalen", vor-
gedrungen.

Die Negation drückt Herr Peano aus vermittelst eines vorgesetzten
verkürzten Minuszeichens; er schreibt -- a für unser a1, Boole's an. Dies
kostet mehr Raum auf der Zeile, ist, besonders in der Schreibschrift, leicht
mit dem Minuszeichen selbst, ev. auch mit dem Silbentrennungszeichen zu
verwechseln, und zieht endlich vermehrte Anbringung von Klammern nach
sich, z. B. schon beim Addiren und Multipliziren negirter einfacher Symbole.
Aus diesen Gründen, die noch zu den in Bd. 1, S. 300 sqq. angeführten
hinzutreten, kann ich diesem Vorschlag des Herrn Peano nicht beitreten.

Für die identische Null und Eins gebraucht Herr Peano in 1 zwei
aparte Zeichen, nämlich einen ganz leeren und einen ganz geschwärzten
Kreis vom Durchmesser der Nullenhöhe. Dies ist jedenfalls unverfänglich.
Die identischen Zeichen 0 und 1 von den arithmetischen zu unterscheiden,
kann peremptorisch geboten sein, lässt sich aber auch einfacher erreichen
etwa durch Apostrophirung derselben da, wo sie als identische auftreten. --
Später hat Peano die obigen Zeichen für 0 und 1 durch andere ersetzt,
und zwar im Hinblick auf deren aussagenrechnerische Deutung die Aussagen-
eins 1 durch V als den Anfangsbuchstaben von veritas oder verum, die
Aussagennull durch ein umgestürztes V, nämlich das Zeichen L, zugleich
erinnernd an den Anfangsbuchstaben A in absurdum. Auch Peirce bedient
sich einmal der Zeichen eines fetten v und f (falsum). Bedenklich ist
dies nicht; doch scheinen mir die Zeichen O und 1 oder 0' und 1' den
Vorzug zu verdienen.

Für das identische Produkt a b und die identische Summe a + b schreibt
Peano (bei Klassen wenigstens):
a b resp. a b,
wobei man sich die leicht zu verwechselnden Zeichen und etwa durch
die Bemerkung mnemonisch einprägen mag, dass das Zeichen , wie eine
Schaukel, die man zwischen a und b hin und her schwankend denkt, die
Alternative zwischen beiden bezeichnen soll. Nur zwischen spezifizirten
Aussagen lässt Peano sein Produktzeichen weg. Für die Zeichen und
spricht, dass sie noch nicht anderweitig vergeben, einander dual entsprechend
und von den numerischen Mal- und Pluszeichen deutlichst unterschieden
sind; gegen dieselben, dass dabei der Zusammenhang mit den Zeichen P
und S der identischen Produktation und Summation, deren unsere Zeichen-

Fünfundzwanzigste Vorlesung.
lich, diese Zusammenstellung bis zur Gegenwart fortzuführen und zu
vervollständigen, noch mehr aber, damit eine Kritik dieser Bezeichnungs-
vorschläge zu verbinden.

Ich gestatte mir, beispielsweise über die Art, wie Herr Peano sich
die wesentlichen Zeichen gestaltet, mich zur Stelle kritisch zu äussern.
Nicht nur ist nämlich dieser Autor einer der begabtesten und thätigsten
Forscher, welche die Methoden der exakten Logik auf immer mehr neue
Anwendungsgebiete übertragen und in diesen erfolgreich verwerten, sondern
derselbe ist auch neuerdings mit seinen Bezeichnungsweisen in deutsche
mathematische Zeitschriften, bis in die „Mathematischen Annalen“, vor-
gedrungen.

Die Negation drückt Herr Peano aus vermittelst eines vorgesetzten
verkürzten Minuszeichens; er schreibt — a für unser a1, Boole’s . Dies
kostet mehr Raum auf der Zeile, ist, besonders in der Schreibschrift, leicht
mit dem Minuszeichen selbst, ev. auch mit dem Silbentrennungszeichen zu
verwechseln, und zieht endlich vermehrte Anbringung von Klammern nach
sich, z. B. schon beim Addiren und Multipliziren negirter einfacher Symbole.
Aus diesen Gründen, die noch zu den in Bd. 1, S. 300 sqq. angeführten
hinzutreten, kann ich diesem Vorschlag des Herrn Peano nicht beitreten.

Für die identische Null und Eins gebraucht Herr Peano in 1 zwei
aparte Zeichen, nämlich einen ganz leeren und einen ganz geschwärzten
Kreis vom Durchmesser der Nullenhöhe. Dies ist jedenfalls unverfänglich.
Die identischen Zeichen 0 und 1 von den arithmetischen zu unterscheiden,
kann peremptorisch geboten sein, lässt sich aber auch einfacher erreichen
etwa durch Apostrophirung derselben da, wo sie als identische auftreten. —
Später hat Peano die obigen Zeichen für 0 und 1 durch andere ersetzt,
und zwar im Hinblick auf deren aussagenrechnerische Deutung die Aussagen-
eins 1̇ durch V als den Anfangsbuchstaben von veritas oder verum, die
Aussagennull durch ein umgestürztes V, nämlich das Zeichen Λ, zugleich
erinnernd an den Anfangsbuchstaben A in absurdum. Auch Peirce bedient
sich einmal der Zeichen eines fetten v und f (falsum). Bedenklich ist
dies nicht; doch scheinen mir die Zeichen Ȯ und 1̇ oder 0’ und 1’ den
Vorzug zu verdienen.

Für das identische Produkt a b und die identische Summe a + b schreibt
Peano (bei Klassen wenigstens):
ab resp. ab,
wobei man sich die leicht zu verwechselnden Zeichen ⌢ und ⌣ etwa durch
die Bemerkung mnemonisch einprägen mag, dass das Zeichen ⌣, wie eine
Schaukel, die man zwischen a und b hin und her schwankend denkt, die
Alternative zwischen beiden bezeichnen soll. Nur zwischen spezifizirten
Aussagen lässt Peano sein Produktzeichen ⌢ weg. Für die Zeichen ⌢ und ⌣
spricht, dass sie noch nicht anderweitig vergeben, einander dual entsprechend
und von den numerischen Mal- und Pluszeichen deutlichst unterschieden
sind; gegen dieselben, dass dabei der Zusammenhang mit den Zeichen Π
und Σ der identischen Produktation und Summation, deren unsere Zeichen-

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[460/0104] Fünfundzwanzigste Vorlesung. lich, diese Zusammenstellung bis zur Gegenwart fortzuführen und zu vervollständigen, noch mehr aber, damit eine Kritik dieser Bezeichnungs- vorschläge zu verbinden. Ich gestatte mir, beispielsweise über die Art, wie Herr Peano sich die wesentlichen Zeichen gestaltet, mich zur Stelle kritisch zu äussern. Nicht nur ist nämlich dieser Autor einer der begabtesten und thätigsten Forscher, welche die Methoden der exakten Logik auf immer mehr neue Anwendungsgebiete übertragen und in diesen erfolgreich verwerten, sondern derselbe ist auch neuerdings mit seinen Bezeichnungsweisen in deutsche mathematische Zeitschriften, bis in die „Mathematischen Annalen“, vor- gedrungen. Die Negation drückt Herr Peano aus vermittelst eines vorgesetzten verkürzten Minuszeichens; er schreibt — a für unser a1, Boole’s ā. Dies kostet mehr Raum auf der Zeile, ist, besonders in der Schreibschrift, leicht mit dem Minuszeichen selbst, ev. auch mit dem Silbentrennungszeichen zu verwechseln, und zieht endlich vermehrte Anbringung von Klammern nach sich, z. B. schon beim Addiren und Multipliziren negirter einfacher Symbole. Aus diesen Gründen, die noch zu den in Bd. 1, S. 300 sqq. angeführten hinzutreten, kann ich diesem Vorschlag des Herrn Peano nicht beitreten. Für die identische Null und Eins gebraucht Herr Peano in 1 zwei aparte Zeichen, nämlich einen ganz leeren und einen ganz geschwärzten Kreis vom Durchmesser der Nullenhöhe. Dies ist jedenfalls unverfänglich. Die identischen Zeichen 0 und 1 von den arithmetischen zu unterscheiden, kann peremptorisch geboten sein, lässt sich aber auch einfacher erreichen etwa durch Apostrophirung derselben da, wo sie als identische auftreten. — Später hat Peano die obigen Zeichen für 0 und 1 durch andere ersetzt, und zwar im Hinblick auf deren aussagenrechnerische Deutung die Aussagen- eins 1̇ durch V als den Anfangsbuchstaben von veritas oder verum, die Aussagennull durch ein umgestürztes V, nämlich das Zeichen Λ, zugleich erinnernd an den Anfangsbuchstaben A in absurdum. Auch Peirce bedient sich einmal der Zeichen eines fetten v und f (falsum). Bedenklich ist dies nicht; doch scheinen mir die Zeichen Ȯ und 1̇ oder 0’ und 1’ den Vorzug zu verdienen. Für das identische Produkt a b und die identische Summe a + b schreibt Peano (bei Klassen wenigstens): a ⌢ b resp. a ⌣ b, wobei man sich die leicht zu verwechselnden Zeichen ⌢ und ⌣ etwa durch die Bemerkung mnemonisch einprägen mag, dass das Zeichen ⌣, wie eine Schaukel, die man zwischen a und b hin und her schwankend denkt, die Alternative zwischen beiden bezeichnen soll. Nur zwischen spezifizirten Aussagen lässt Peano sein Produktzeichen ⌢ weg. Für die Zeichen ⌢ und ⌣ spricht, dass sie noch nicht anderweitig vergeben, einander dual entsprechend und von den numerischen Mal- und Pluszeichen deutlichst unterschieden sind; gegen dieselben, dass dabei der Zusammenhang mit den Zeichen Π und Σ der identischen Produktation und Summation, deren unsere Zeichen-

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/104>, abgerufen am 27.04.2024.