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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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§ 31. Inkonsistenz.

Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass aus allen drei Fassungen
eine paradox klingende Formulirung hypothetischer Urteile hervorgehen
kann, aus der zweiten z. B. dann, wenn es nicht vorkommt, unmöglich
oder undenkbar ist, dass B nicht gelte.

Wir haben dann für das Urteil: Wann A nicht gilt, so gilt B
(denn es gilt laut Voraussetzung ohnehin, gilt selbstverständlich, in
allen Fällen) als gleichberechtigt auch die Fassung, in der es unter
Umständen sich von vornherein dargeboten haben mochte: Wenn B
nicht gilt (was aber nicht vorkommen kann, undenkbar bleibt), so
gilt A.

Zu beachten ist also: dass mit einem Konditionalsatz, der eine
nicht realisirbare, eventuell absurde Bedingung zum Vordersatze hat,
doch gültige Urteile in unsrer Disziplin abgegeben zu werden ver-
mögen, deren wahrer Gehalt bei ihrer Konversion zutage tritt -- und
werden ungesuchte Beispiele dazu sich unter anderm in § 47 darbieten.

Nach Th. 38x) lassen übrigens die einander gleichwertigen Urteile:
A B1 und B A1
auch einen Ausdruck zu, bei welchem ihre Symmetrie bezüglich A
und B ersichtlich ist, nämlich den folgenden:
A B = 0.
Es konstatirt dieses mit jedem der beiden vorigen äquivalente Urteil,
dass die Aussagen A und B nicht gleichzeitig gelten, nie, bei keiner
Gelegenheit zusammen bestehen können, dass sie miteinander unver-
träglich
, inkompatibel, inkonsistent sind.

Stellen überhaupt A, B, C, ... Aussagen vor, so kann man (mit
Miss Ladd1 p. 29), sobald eine Gleichung der Form:
A B C ... = 0
besteht, die linke Seite derselben eine "Inkonsistenz" (inconsistency)
nennen. Inkonsistenz nennen wir also ein Produkt von Aussagen, so-
bald dasselbe verschwindet -- oder auch, in übertragenem Sinne: den
Ausspruch, dass dasselbe verschwinde.

Haben wir eine Inkonsistenz:
A B = 0
so können wir nach erwähntem Theoreme jeden Augenblick dafür
schreiben:
A B1 oder, nach Belieben: B A1.
In der That folgt, falls A und B nie zugleich wahr sind, dass wenn
A gilt, B nicht gelte, und wenn B gilt, A nicht gelten muss.

§ 31. Inkonsistenz.

Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass aus allen drei Fassungen
eine paradox klingende Formulirung hypothetischer Urteile hervorgehen
kann, aus der zweiten z. B. dann, wenn es nicht vorkommt, unmöglich
oder undenkbar ist, dass B nicht gelte.

Wir haben dann für das Urteil: Wann A nicht gilt, so gilt B
(denn es gilt laut Voraussetzung ohnehin, gilt selbstverständlich, in
allen Fällen) als gleichberechtigt auch die Fassung, in der es unter
Umständen sich von vornherein dargeboten haben mochte: Wenn B
nicht gilt (was aber nicht vorkommen kann, undenkbar bleibt), so
gilt A.

Zu beachten ist also: dass mit einem Konditionalsatz, der eine
nicht realisirbare, eventuell absurde Bedingung zum Vordersatze hat,
doch gültige Urteile in unsrer Disziplin abgegeben zu werden ver-
mögen, deren wahrer Gehalt bei ihrer Konversion zutage tritt — und
werden ungesuchte Beispiele dazu sich unter anderm in § 47 darbieten.

Nach Th. 3̅8̅×) lassen übrigens die einander gleichwertigen Urteile:
A B1 und B A1
auch einen Ausdruck zu, bei welchem ihre Symmetrie bezüglich A
und B ersichtlich ist, nämlich den folgenden:
A B = 0.
Es konstatirt dieses mit jedem der beiden vorigen äquivalente Urteil,
dass die Aussagen A und B nicht gleichzeitig gelten, nie, bei keiner
Gelegenheit zusammen bestehen können, dass sie miteinander unver-
träglich
, inkompatibel, inkonsistent sind.

Stellen überhaupt A, B, C, … Aussagen vor, so kann man (mit
Miss Ladd1 p. 29), sobald eine Gleichung der Form:
A B C … = 0
besteht, die linke Seite derselben eine „Inkonsistenz“ (inconsistency)
nennen. Inkonsistenz nennen wir also ein Produkt von Aussagen, so-
bald dasselbe verschwindet — oder auch, in übertragenem Sinne: den
Ausspruch, dass dasselbe verschwinde.

Haben wir eine Inkonsistenz:
A B = 0
so können wir nach erwähntem Theoreme jeden Augenblick dafür
schreiben:
A B1 oder, nach Belieben: B A1.
In der That folgt, falls A und B nie zugleich wahr sind, dass wenn
A gilt, B nicht gelte, und wenn B gilt, A nicht gelten muss.

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[61/0085] § 31. Inkonsistenz. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass aus allen drei Fassungen eine paradox klingende Formulirung hypothetischer Urteile hervorgehen kann, aus der zweiten z. B. dann, wenn es nicht vorkommt, unmöglich oder undenkbar ist, dass B nicht gelte. Wir haben dann für das Urteil: Wann A nicht gilt, so gilt B (denn es gilt laut Voraussetzung ohnehin, gilt selbstverständlich, in allen Fällen) als gleichberechtigt auch die Fassung, in der es unter Umständen sich von vornherein dargeboten haben mochte: Wenn B nicht gilt (was aber nicht vorkommen kann, undenkbar bleibt), so gilt A. Zu beachten ist also: dass mit einem Konditionalsatz, der eine nicht realisirbare, eventuell absurde Bedingung zum Vordersatze hat, doch gültige Urteile in unsrer Disziplin abgegeben zu werden ver- mögen, deren wahrer Gehalt bei ihrer Konversion zutage tritt — und werden ungesuchte Beispiele dazu sich unter anderm in § 47 darbieten. Nach Th. 3̅8̅×) lassen übrigens die einander gleichwertigen Urteile: A  B1 und B  A1 auch einen Ausdruck zu, bei welchem ihre Symmetrie bezüglich A und B ersichtlich ist, nämlich den folgenden: A B = 0. Es konstatirt dieses mit jedem der beiden vorigen äquivalente Urteil, dass die Aussagen A und B nicht gleichzeitig gelten, nie, bei keiner Gelegenheit zusammen bestehen können, dass sie miteinander unver- träglich, inkompatibel, inkonsistent sind. Stellen überhaupt A, B, C, … Aussagen vor, so kann man (mit Miss Ladd1 p. 29), sobald eine Gleichung der Form: A B C … = 0 besteht, die linke Seite derselben eine „Inkonsistenz“ (inconsistency) nennen. Inkonsistenz nennen wir also ein Produkt von Aussagen, so- bald dasselbe verschwindet — oder auch, in übertragenem Sinne: den Ausspruch, dass dasselbe verschwinde. Haben wir eine Inkonsistenz: A B = 0 so können wir nach erwähntem Theoreme jeden Augenblick dafür schreiben: A  B1 oder, nach Belieben: B  A1. In der That folgt, falls A und B nie zugleich wahr sind, dass wenn A gilt, B nicht gelte, und wenn B gilt, A nicht gelten muss.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/85>, abgerufen am 27.04.2024.