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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.

Im Aussagenkalkul bedeutete uns i die Mannigfaltigkeit aller
Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo eine Aussage gemacht wird oder
gemacht werden könnte. War A eine Aussage jeweils bestimmten
(wenn auch nicht notwendig gerade unveränderlichen, konstanten)
Sinnes, so sollte beim Rechnen unter A vorgestellt werden die Klasse
der Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo die Aussage A wahr ist, so-
nach als eine logisch wohlangebrachte, berechtigte gefällt werden kann.

Unter der Negation von A, in Zeichen: A1, ist demnach zu ver-
stehen die Klasse der übrigen Gelegenheiten resp. Zeitpunkte nämlich
derer, in welchen die Aussage A nicht wahr, unberechtigt ist. Man
kann aber dieses Symbol A1 selbst wieder als eine Aussage interpre-
tiren: als diejenige Aussage nämlich, welche die Ungültigkeit der Aus-
sage A behauptet
. Die Behauptung A1, = "die Aussage A ist falsch",
wird gerade bei denjenigen Gelegenheiten wahr und berechtigt sein,
und nur bei solchen, bei welchen eben die Aussage A nicht wahr und
unberechtigt ist (wofern sie, wie hinfort vorauszusetzen, Sinn hat).

Ist die Aussage A als Proposition in unsrer Zeichensprache, als
Subsumtion oder Gleichung eine spezifizirte, z. B. ist
A = (a b) resp. A = (a = b),
so kann ihre Negation auch ausgedrückt werden durch Anhängung
des Negationsstrichs an ihren spezifizirten Ausdruck, d. h. es bedeutet:
(a b)1 = A1 resp. (a = b)1 = A1.
Für diese, wie wir sehen werden, im Kalkul häufig vorkommenden
Formen von Propositionen führen wir aber noch eine kürzere Dar-
stellungsweise ein, und zwar dadurch, dass wir die Kopula, das Be-
ziehungszeichen der zu verneinenden Aussage mit einem Negations-
strich vertikal durchsetzen. Wir definiren also:
(a b) = (a b)1, (a b) = (a = b)1
was man lesen mag: a nicht-eingeordnet b, resp. a ungleich b; es mag
das Zeichen der Nichteinordnung, das Ungleichheitszeichen genannt
werden, die erstere Proposition selbst eine negirte Subsumtion, die
letztere eine Ungleichung.

Das erstere von diesen Urteilen ist eine wirkliche "Urteilsverneinung"
und sonach ein "verneinendes Urteil" im Sinne Sigwart's keineswegs aber
im Sinne der (mit Recht) noch herrschenden Terminologie und des Sprach-
gebrauches: im allgemeinen darf dasselbe durchaus nicht mit "a ist nicht b"
und niemals mit "alle a sind nicht b" in Worte übersetzt werden -- vgl.
unsere Ausführungen in § 15 sowie am Schlusse des § 35.

Es besteht vielmehr ein Vorzug unsrer Zeichensprache darin, dass
wir die Negation einer Subsumtion durch eine Proposition nun auszudrücken

§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.

Im Aussagenkalkul bedeutete uns i die Mannigfaltigkeit aller
Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo eine Aussage gemacht wird oder
gemacht werden könnte. War A eine Aussage jeweils bestimmten
(wenn auch nicht notwendig gerade unveränderlichen, konstanten)
Sinnes, so sollte beim Rechnen unter A vorgestellt werden die Klasse
der Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo die Aussage A wahr ist, so-
nach als eine logisch wohlangebrachte, berechtigte gefällt werden kann.

Unter der Negation von A, in Zeichen: A1, ist demnach zu ver-
stehen die Klasse der übrigen Gelegenheiten resp. Zeitpunkte nämlich
derer, in welchen die Aussage A nicht wahr, unberechtigt ist. Man
kann aber dieses Symbol A1 selbst wieder als eine Aussage interpre-
tiren: als diejenige Aussage nämlich, welche die Ungültigkeit der Aus-
sage A behauptet
. Die Behauptung A1, = „die Aussage A ist falsch“,
wird gerade bei denjenigen Gelegenheiten wahr und berechtigt sein,
und nur bei solchen, bei welchen eben die Aussage A nicht wahr und
unberechtigt ist (wofern sie, wie hinfort vorauszusetzen, Sinn hat).

Ist die Aussage A als Proposition in unsrer Zeichensprache, als
Subsumtion oder Gleichung eine spezifizirte, z. B. ist
A = (a b) resp. A = (a = b),
so kann ihre Negation auch ausgedrückt werden durch Anhängung
des Negationsstrichs an ihren spezifizirten Ausdruck, d. h. es bedeutet:
(a b)1 = A1 resp. (a = b)1 = A1.
Für diese, wie wir sehen werden, im Kalkul häufig vorkommenden
Formen von Propositionen führen wir aber noch eine kürzere Dar-
stellungsweise ein, und zwar dadurch, dass wir die Kopula, das Be-
ziehungszeichen der zu verneinenden Aussage mit einem Negations-
strich vertikal durchsetzen. Wir definiren also:
(a b) = (a b)1, (ab) = (a = b)1
was man lesen mag: a nicht-eingeordnet b, resp. a ungleich b; es mag
das Zeichen der Nichteinordnung, ≠ das Ungleichheitszeichen genannt
werden, die erstere Proposition selbst eine negirte Subsumtion, die
letztere eine Ungleichung.

Das erstere von diesen Urteilen ist eine wirkliche „Urteilsverneinung“
und sonach ein „verneinendes Urteil“ im Sinne Sigwart’s keineswegs aber
im Sinne der (mit Recht) noch herrschenden Terminologie und des Sprach-
gebrauches: im allgemeinen darf dasselbe durchaus nicht mit „a ist nicht b
und niemals mit „alle a sind nicht b“ in Worte übersetzt werden — vgl.
unsere Ausführungen in § 15 sowie am Schlusse des § 35.

Es besteht vielmehr ein Vorzug unsrer Zeichensprache darin, dass
wir die Negation einer Subsumtion durch eine Proposition nun auszudrücken

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[59/0083] § 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet. Im Aussagenkalkul bedeutete uns i die Mannigfaltigkeit aller Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo eine Aussage gemacht wird oder gemacht werden könnte. War A eine Aussage jeweils bestimmten (wenn auch nicht notwendig gerade unveränderlichen, konstanten) Sinnes, so sollte beim Rechnen unter A vorgestellt werden die Klasse der Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo die Aussage A wahr ist, so- nach als eine logisch wohlangebrachte, berechtigte gefällt werden kann. Unter der Negation von A, in Zeichen: A1, ist demnach zu ver- stehen die Klasse der übrigen Gelegenheiten resp. Zeitpunkte nämlich derer, in welchen die Aussage A nicht wahr, unberechtigt ist. Man kann aber dieses Symbol A1 selbst wieder als eine Aussage interpre- tiren: als diejenige Aussage nämlich, welche die Ungültigkeit der Aus- sage A behauptet. Die Behauptung A1, = „die Aussage A ist falsch“, wird gerade bei denjenigen Gelegenheiten wahr und berechtigt sein, und nur bei solchen, bei welchen eben die Aussage A nicht wahr und unberechtigt ist (wofern sie, wie hinfort vorauszusetzen, Sinn hat). Ist die Aussage A als Proposition in unsrer Zeichensprache, als Subsumtion oder Gleichung eine spezifizirte, z. B. ist A = (a  b) resp. A = (a = b), so kann ihre Negation auch ausgedrückt werden durch Anhängung des Negationsstrichs an ihren spezifizirten Ausdruck, d. h. es bedeutet: (a  b)1 = A1 resp. (a = b)1 = A1. Für diese, wie wir sehen werden, im Kalkul häufig vorkommenden Formen von Propositionen führen wir aber noch eine kürzere Dar- stellungsweise ein, und zwar dadurch, dass wir die Kopula, das Be- ziehungszeichen der zu verneinenden Aussage mit einem Negations- strich vertikal durchsetzen. Wir definiren also: (a  b) = (a  b)1, (a ≠ b) = (a = b)1 was man lesen mag: a nicht-eingeordnet b, resp. a ungleich b; es mag  das Zeichen der Nichteinordnung, ≠ das Ungleichheitszeichen genannt werden, die erstere Proposition selbst eine negirte Subsumtion, die letztere eine Ungleichung. Das erstere von diesen Urteilen ist eine wirkliche „Urteilsverneinung“ und sonach ein „verneinendes Urteil“ im Sinne Sigwart’s keineswegs aber im Sinne der (mit Recht) noch herrschenden Terminologie und des Sprach- gebrauches: im allgemeinen darf dasselbe durchaus nicht mit „a ist nicht b“ und niemals mit „alle a sind nicht b“ in Worte übersetzt werden — vgl. unsere Ausführungen in § 15 sowie am Schlusse des § 35. Es besteht vielmehr ein Vorzug unsrer Zeichensprache darin, dass wir die Negation einer Subsumtion durch eine Proposition nun auszudrücken

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/83>, abgerufen am 27.04.2024.