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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Sechzehnte Vorlesung.
von festem Sinne bezieht*) -- dass zu jenen Grundlagen noch eine
weitere axiomatisch zu stellende Forderung hinzutritt, die zur Folge
hat, dass jedem eine Aussage repräsentirenden Buchstaben oder (zu-
sammengesetzten) Symbole immer nur eine der beiden Bedeutungen 0
oder i zukommt -- dergestalt, dass der Aussagenkalkul zusammenfällt
mit einem Klassenkalkul, welcher eine neben dem Nichts nur ein ein-
ziges Individuum i enthaltende Mannigfaltigkeit i voraussetzte. Jener
adventiven Forderung werden wir (wie sich zu Anfang des § 32 zeigt)
am besten die Fassung geben:
(A = i) = A
in welcher sie als das spezifische Prinzip des Aussagenkalkuls hingestellt
werden mag. Und somit wären wir also auch über die formalen Grund-
lagen des Aussagenkalkuls schon von vornherein im Klaren.

Wir wissen bereits, auf welchem Minimum von selbständigen
Elementen sein Gebäude ruhend angesehen werden kann, und die er-
kenntnisstheoretisch so hochwichtige Frage nach möglichster Verein-
fachung seiner Grundlagen ist keine dringliche mehr.

Beträchtlich würde gleichwol das Bild dieser Grundlagen sich
verschieben, versuchte man es, den Aussagenkalkul selbständig auf-
zubauen.

Obwol es uns rationeller erschien, den Gebiete- oder Klassenkalkul
als den allgemeineren ihm vorangehen zu lassen, wäre es dennoch
nicht unverdienstlich, ja von hohem Interesse, solch selbständige Be-
gründung des Aussagenkalkuls durchzusprechen. Zu dem Ende würde
Herrn Peirce's Arbeit 5 zu revidiren sein unter schärferer Hervor-
hebung und Numerirung der als unmittelbar einleuchtend geforderten
Prinzipien und Postulate. Glauben wir auch -- aus angeführten Gründen
sowie der noch nicht ganz überwundenen Schwierigkeiten des Unter-
nehmens halber -- auf die vollständige Verwirklichung dieses Desidera-
tums hier verzichten zu dürfen, so soll doch die gegenwärtige Vor-
lesung einiges Material dazu beisteuern.

Die Subsumtion (2nx) 0 A hingestellt als eine solche, welche
für jede Aussage A zu gelten habe, ist wohl geeignet, die Nullaussage
zu definiren, und ebenso ist die Subsumtion (2n+) A i auch im Aus-
sagenkalkul darnach angethan, die Aussage i zu definiren. Die letztere
i hätte darnach zu gelten, immer dann, wenn eine beliebig zu wählende

*) Und soweit allein erscheint er in unserm Buche sowie in den bisherigen
Forschungen ausgebildet.

Sechzehnte Vorlesung.
von festem Sinne bezieht*) — dass zu jenen Grundlagen noch eine
weitere axiomatisch zu stellende Forderung hinzutritt, die zur Folge
hat, dass jedem eine Aussage repräsentirenden Buchstaben oder (zu-
sammengesetzten) Symbole immer nur eine der beiden Bedeutungen 0
oder i zukommt — dergestalt, dass der Aussagenkalkul zusammenfällt
mit einem Klassenkalkul, welcher eine neben dem Nichts nur ein ein-
ziges Individuum i enthaltende Mannigfaltigkeit i voraussetzte. Jener
adventiven Forderung werden wir (wie sich zu Anfang des § 32 zeigt)
am besten die Fassung geben:
(A = i) = A
in welcher sie als das spezifische Prinzip des Aussagenkalkuls hingestellt
werden mag. Und somit wären wir also auch über die formalen Grund-
lagen des Aussagenkalkuls schon von vornherein im Klaren.

Wir wissen bereits, auf welchem Minimum von selbständigen
Elementen sein Gebäude ruhend angesehen werden kann, und die er-
kenntnisstheoretisch so hochwichtige Frage nach möglichster Verein-
fachung seiner Grundlagen ist keine dringliche mehr.

Beträchtlich würde gleichwol das Bild dieser Grundlagen sich
verschieben, versuchte man es, den Aussagenkalkul selbständig auf-
zubauen.

Obwol es uns rationeller erschien, den Gebiete- oder Klassenkalkul
als den allgemeineren ihm vorangehen zu lassen, wäre es dennoch
nicht unverdienstlich, ja von hohem Interesse, solch selbständige Be-
gründung des Aussagenkalkuls durchzusprechen. Zu dem Ende würde
Herrn Peirce’s Arbeit 5 zu revidiren sein unter schärferer Hervor-
hebung und Numerirung der als unmittelbar einleuchtend geforderten
Prinzipien und Postulate. Glauben wir auch — aus angeführten Gründen
sowie der noch nicht ganz überwundenen Schwierigkeiten des Unter-
nehmens halber — auf die vollständige Verwirklichung dieses Desidera-
tums hier verzichten zu dürfen, so soll doch die gegenwärtige Vor-
lesung einiges Material dazu beisteuern.

Die Subsumtion (2̄×) 0 A hingestellt als eine solche, welche
für jede Aussage A zu gelten habe, ist wohl geeignet, die Nullaussage
zu definiren, und ebenso ist die Subsumtion (2̄+) A i auch im Aus-
sagenkalkul darnach angethan, die Aussage i zu definiren. Die letztere
i hätte darnach zu gelten, immer dann, wenn eine beliebig zu wählende

*) Und soweit allein erscheint er in unserm Buche sowie in den bisherigen
Forschungen ausgebildet.
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[52/0076] Sechzehnte Vorlesung. von festem Sinne bezieht *) — dass zu jenen Grundlagen noch eine weitere axiomatisch zu stellende Forderung hinzutritt, die zur Folge hat, dass jedem eine Aussage repräsentirenden Buchstaben oder (zu- sammengesetzten) Symbole immer nur eine der beiden Bedeutungen 0 oder i zukommt — dergestalt, dass der Aussagenkalkul zusammenfällt mit einem Klassenkalkul, welcher eine neben dem Nichts nur ein ein- ziges Individuum i enthaltende Mannigfaltigkeit i voraussetzte. Jener adventiven Forderung werden wir (wie sich zu Anfang des § 32 zeigt) am besten die Fassung geben: (A = i) = A in welcher sie als das spezifische Prinzip des Aussagenkalkuls hingestellt werden mag. Und somit wären wir also auch über die formalen Grund- lagen des Aussagenkalkuls schon von vornherein im Klaren. Wir wissen bereits, auf welchem Minimum von selbständigen Elementen sein Gebäude ruhend angesehen werden kann, und die er- kenntnisstheoretisch so hochwichtige Frage nach möglichster Verein- fachung seiner Grundlagen ist keine dringliche mehr. Beträchtlich würde gleichwol das Bild dieser Grundlagen sich verschieben, versuchte man es, den Aussagenkalkul selbständig auf- zubauen. Obwol es uns rationeller erschien, den Gebiete- oder Klassenkalkul als den allgemeineren ihm vorangehen zu lassen, wäre es dennoch nicht unverdienstlich, ja von hohem Interesse, solch selbständige Be- gründung des Aussagenkalkuls durchzusprechen. Zu dem Ende würde Herrn Peirce’s Arbeit 5 zu revidiren sein unter schärferer Hervor- hebung und Numerirung der als unmittelbar einleuchtend geforderten Prinzipien und Postulate. Glauben wir auch — aus angeführten Gründen sowie der noch nicht ganz überwundenen Schwierigkeiten des Unter- nehmens halber — auf die vollständige Verwirklichung dieses Desidera- tums hier verzichten zu dürfen, so soll doch die gegenwärtige Vor- lesung einiges Material dazu beisteuern. Die Subsumtion (2̄×) 0  A hingestellt als eine solche, welche für jede Aussage A zu gelten habe, ist wohl geeignet, die Nullaussage zu definiren, und ebenso ist die Subsumtion (2̄+) A  i auch im Aus- sagenkalkul darnach angethan, die Aussage i zu definiren. Die letztere i hätte darnach zu gelten, immer dann, wenn eine beliebig zu wählende *) Und soweit allein erscheint er in unserm Buche sowie in den bisherigen Forschungen ausgebildet.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/76>, abgerufen am 27.04.2024.