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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Siebzehnte Vorlesung.

Die vorstehenden Konventionen, zu welchen wir, wie auseinander-
gesetzt, durch die Konsequenz genötigt sind, haben aber in der That
einen Misstand im Gefolge. Es ist der Umstand, dass nun mitunter
das Wort "einige" mehr besagen wird als "alle", denn dieser letztern
können es auch "keine" sein, während jener erstern "mindestens eines"
sein muss. Nach unsern Festsetzungen fiel "alle A" mit "kein A" zu
dem Begriffe des "Nichts" zusammen, wenn es die A überhaupt nicht
gibt; es schliessen hier "alle" und "keine" einander nicht unbedingt
aus, während "einige" und "keine" dieses unbedingt thun. Als misslich
ist dieser Umstand, dass nun mit "einige A" eventuell mehr A gefordert
oder gesetzt werden sollen, als mit "alle A", insofern zu bezeichnen,
als er höchlich dem Sprachgefühl zuwiderläuft.

In der gewöhnlichen Umgangssprache nun macht sich dieser Miss-
stand allerdings nicht fühlbar -- weil hier der Fall, dass ein Ding,
worüber man spricht, nicht existirt oder gar, nicht denkbar wäre,
nicht vorzukommen pflegt -- so wenigstens in der Meinung Derer, die
davon sprechen -- sonach der anstössige Fall hier ohnehin sich still-
schweigend ausgeschlossen findet.

In der Wissenschaft jedoch muss man an dergleichen Degenerations-
fällen -- den Fällen, wo einzelne Begriffswörter von dem ursprünglich
für sie beabsichtigten Sinne anscheinend oder wirklich "ausarten" (näm-
lich ganz andern Zwecken als den bei ihrer Bildung vorschwebenden
konsequenterweise dienstbar werden, indem man jene dabei gar nicht
mit vor Augen hatte) -- sich nicht weiter stossen. Hier ist äusserste
Strenge im konsequenten Festhalten an den allgemeinen und als solche
wohlmotivirten Festsetzungen in erster Linie maassgebend; sich die Vor-
teile solcher Konsequenz zu sichern bleibt hier oberster Gesichtspunkt.

Es mag in dieser Beziehung erinnert werden an die "Segmente" bei
subtraktiver Teilung einer Strecke, wo doch auch der eine "Abschnitt"
grösser ist als die ganze Strecke -- während so manche andere Gebilde
der Geometrie, wie die unendlich entfernte Gerade resp. Ebene, der ima-
ginäre Kugelkreis etc., gewiss in noch viel höherem Grade den Anfänger
paradox anmuten -- von derartigen Gebilden der Algebra ganz zu geschweigen.

Die universalen Urteilsformen a und e haben wir oben mit dem
Zeichensystem, über das wir bislang verfügten, zur Darstellung ge-
bracht, wir haben sie in Formeln gesetzt, in die Zeichensprache unsres
Kalkuls übersetzt oder eingekleidet.

Es zeigt sich, dass ohne weiteres in der That nur bei diesen solches
möglich ist -- so wenigstens auf dem Standpunkte, auf welchem wir
vor dem Aussagenkalkul mit § 28 angelangt waren -- und wollen wir

Siebzehnte Vorlesung.

Die vorstehenden Konventionen, zu welchen wir, wie auseinander-
gesetzt, durch die Konsequenz genötigt sind, haben aber in der That
einen Misstand im Gefolge. Es ist der Umstand, dass nun mitunter
das Wort „einige“ mehr besagen wird als „alle“, denn dieser letztern
können es auch „keine“ sein, während jener erstern „mindestens eines“
sein muss. Nach unsern Festsetzungen fiel „alle A“ mit „kein A“ zu
dem Begriffe des „Nichts“ zusammen, wenn es die A überhaupt nicht
gibt; es schliessen hier „alle“ und „keine“ einander nicht unbedingt
aus, während „einige“ und „keine“ dieses unbedingt thun. Als misslich
ist dieser Umstand, dass nun mit „einige A“ eventuell mehr A gefordert
oder gesetzt werden sollen, als mit „alle A“, insofern zu bezeichnen,
als er höchlich dem Sprachgefühl zuwiderläuft.

In der gewöhnlichen Umgangssprache nun macht sich dieser Miss-
stand allerdings nicht fühlbar — weil hier der Fall, dass ein Ding,
worüber man spricht, nicht existirt oder gar, nicht denkbar wäre,
nicht vorzukommen pflegt — so wenigstens in der Meinung Derer, die
davon sprechen — sonach der anstössige Fall hier ohnehin sich still-
schweigend ausgeschlossen findet.

In der Wissenschaft jedoch muss man an dergleichen Degenerations-
fällen — den Fällen, wo einzelne Begriffswörter von dem ursprünglich
für sie beabsichtigten Sinne anscheinend oder wirklich „ausarten“ (näm-
lich ganz andern Zwecken als den bei ihrer Bildung vorschwebenden
konsequenterweise dienstbar werden, indem man jene dabei gar nicht
mit vor Augen hatte) — sich nicht weiter stossen. Hier ist äusserste
Strenge im konsequenten Festhalten an den allgemeinen und als solche
wohlmotivirten Festsetzungen in erster Linie maassgebend; sich die Vor-
teile solcher Konsequenz zu sichern bleibt hier oberster Gesichtspunkt.

Es mag in dieser Beziehung erinnert werden an die „Segmente“ bei
subtraktiver Teilung einer Strecke, wo doch auch der eine „Abschnitt“
grösser ist als die ganze Strecke — während so manche andere Gebilde
der Geometrie, wie die unendlich entfernte Gerade resp. Ebene, der ima-
ginäre Kugelkreis etc., gewiss in noch viel höherem Grade den Anfänger
paradox anmuten — von derartigen Gebilden der Algebra ganz zu geschweigen.

Die universalen Urteilsformen a und e haben wir oben mit dem
Zeichensystem, über das wir bislang verfügten, zur Darstellung ge-
bracht, wir haben sie in Formeln gesetzt, in die Zeichensprache unsres
Kalkuls übersetzt oder eingekleidet.

Es zeigt sich, dass ohne weiteres in der That nur bei diesen solches
möglich ist — so wenigstens auf dem Standpunkte, auf welchem wir
vor dem Aussagenkalkul mit § 28 angelangt waren — und wollen wir

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[90/0114] Siebzehnte Vorlesung. Die vorstehenden Konventionen, zu welchen wir, wie auseinander- gesetzt, durch die Konsequenz genötigt sind, haben aber in der That einen Misstand im Gefolge. Es ist der Umstand, dass nun mitunter das Wort „einige“ mehr besagen wird als „alle“, denn dieser letztern können es auch „keine“ sein, während jener erstern „mindestens eines“ sein muss. Nach unsern Festsetzungen fiel „alle A“ mit „kein A“ zu dem Begriffe des „Nichts“ zusammen, wenn es die A überhaupt nicht gibt; es schliessen hier „alle“ und „keine“ einander nicht unbedingt aus, während „einige“ und „keine“ dieses unbedingt thun. Als misslich ist dieser Umstand, dass nun mit „einige A“ eventuell mehr A gefordert oder gesetzt werden sollen, als mit „alle A“, insofern zu bezeichnen, als er höchlich dem Sprachgefühl zuwiderläuft. In der gewöhnlichen Umgangssprache nun macht sich dieser Miss- stand allerdings nicht fühlbar — weil hier der Fall, dass ein Ding, worüber man spricht, nicht existirt oder gar, nicht denkbar wäre, nicht vorzukommen pflegt — so wenigstens in der Meinung Derer, die davon sprechen — sonach der anstössige Fall hier ohnehin sich still- schweigend ausgeschlossen findet. In der Wissenschaft jedoch muss man an dergleichen Degenerations- fällen — den Fällen, wo einzelne Begriffswörter von dem ursprünglich für sie beabsichtigten Sinne anscheinend oder wirklich „ausarten“ (näm- lich ganz andern Zwecken als den bei ihrer Bildung vorschwebenden konsequenterweise dienstbar werden, indem man jene dabei gar nicht mit vor Augen hatte) — sich nicht weiter stossen. Hier ist äusserste Strenge im konsequenten Festhalten an den allgemeinen und als solche wohlmotivirten Festsetzungen in erster Linie maassgebend; sich die Vor- teile solcher Konsequenz zu sichern bleibt hier oberster Gesichtspunkt. Es mag in dieser Beziehung erinnert werden an die „Segmente“ bei subtraktiver Teilung einer Strecke, wo doch auch der eine „Abschnitt“ grösser ist als die ganze Strecke — während so manche andere Gebilde der Geometrie, wie die unendlich entfernte Gerade resp. Ebene, der ima- ginäre Kugelkreis etc., gewiss in noch viel höherem Grade den Anfänger paradox anmuten — von derartigen Gebilden der Algebra ganz zu geschweigen. Die universalen Urteilsformen a und e haben wir oben mit dem Zeichensystem, über das wir bislang verfügten, zur Darstellung ge- bracht, wir haben sie in Formeln gesetzt, in die Zeichensprache unsres Kalkuls übersetzt oder eingekleidet. Es zeigt sich, dass ohne weiteres in der That nur bei diesen solches möglich ist — so wenigstens auf dem Standpunkte, auf welchem wir vor dem Aussagenkalkul mit § 28 angelangt waren — und wollen wir

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/114>, abgerufen am 03.10.2024.