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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Zehnte Vorlesung.
man muss dieselben sich ändern lassen oder sie variiren, um sodann
die zugehörigen Werte in's Auge zu fassen, welche unser Ausdruck
dabei annimmt.

Die "Einsetzung" oder "Substitution" eines speziellen Wertes für
ein bestimmtes Buchstabensymbol, oder auch eines Wertsystemes für
eine ganze Gruppe von solchen, wird darum eine der am häufigsten
geforderten Verrichtungen in der Wissenschaft sein. Und unter Um-
ständen, wenn etwa alle Werte einer bestimmten Klasse von Werten
der Reihe nach für ein Symbol eingesetzt werden sollten, kann der
ermüdende Prozess dadurch abgekürzt, vereinfacht werden, dass man
statt dessen auf einmal einen allgemeinen Ausdruck für dieses Symbol
substituirt, welcher die Werte jener Klasse, und nur diese, sämtlich
umfasst, dass man anstatt der Einzelwerte selbst einsetzt den Aus-
druck der ganzen Klasse von Werten. So wird es oft erforderlich
auch einen zuweilen recht komplizirten Ausdruck für ein Buchstaben-
symbol zu substituiren, sogar nicht selten gleichzeitig ein ganzes
System von Ausdrücken für ein System von Argumenten.

Die Operation der Einsetzung läuft im wesentlichen auf ein Kopiren,
Abschreiben, Reproduziren des gegebenen Ausdruckes hinaus, wobei man
nur dessen eingedenk bleiben muss, sobald man beim Abschreiben auf
eines der zu ersetzenden Symbole stösst, dass man dasselbe nicht unver-
ändert kopirt, sondern den eben dafür einzusetzenden Ausdruck nimmt,
denselben -- nötigenfalls in eine Klammer eingeschlossen -- hinsetzt, um
darnach in dem solchergestalt modifizirten Abschreibeverfahren wieder fort-
zufahren. An der Schultafel kann der Prozess durch Auslöschen der zu
ersetzenden Symbole mit dem Kreideschwamme und Einschreiben der ein-
zusetzenden Werte in die leeren Räume verdeutlicht werden; jedenfalls ist
unerlässlich, dass der Anfänger in der Ausführung solch elementaren Pro-
zesses sich eine gewisse Übung erwerbe.

Es kann nun der aktuelle Funktionsausdruck ein durch ein anderes
zu ersetzendes Symbol hundert mal, ja unbegrenzt, "unendlich" oft ent-
halten, wie das Beispiel zeigen mag:
[Formel 1] -- in welchem der Ausdruck freilich in den einfacheren f (x) = a + x b
auch zusammengezogen werden könnte, während derartige Verein-
fachungen vielleicht nicht immer ausführbar erscheinen. Da wäre es
nun äusserst ermüdend, resp. gar nicht vollständig durchführbar, das
Argument x durch einen komplizirten Ausdruck -- sagen wir
(a b1 + a1 b) (c d + c1 d1)
-- durchweg in Wirklichkeit zu ersetzen.

Die symbolische Funktionsdarstellung erspart uns aber die Nötigung

Zehnte Vorlesung.
man muss dieselben sich ändern lassen oder sie variiren, um sodann
die zugehörigen Werte in's Auge zu fassen, welche unser Ausdruck
dabei annimmt.

Die „Einsetzung“ oder „Substitution“ eines speziellen Wertes für
ein bestimmtes Buchstabensymbol, oder auch eines Wertsystemes für
eine ganze Gruppe von solchen, wird darum eine der am häufigsten
geforderten Verrichtungen in der Wissenschaft sein. Und unter Um-
ständen, wenn etwa alle Werte einer bestimmten Klasse von Werten
der Reihe nach für ein Symbol eingesetzt werden sollten, kann der
ermüdende Prozess dadurch abgekürzt, vereinfacht werden, dass man
statt dessen auf einmal einen allgemeinen Ausdruck für dieses Symbol
substituirt, welcher die Werte jener Klasse, und nur diese, sämtlich
umfasst, dass man anstatt der Einzelwerte selbst einsetzt den Aus-
druck der ganzen Klasse von Werten. So wird es oft erforderlich
auch einen zuweilen recht komplizirten Ausdruck für ein Buchstaben-
symbol zu substituiren, sogar nicht selten gleichzeitig ein ganzes
System von Ausdrücken für ein System von Argumenten.

Die Operation der Einsetzung läuft im wesentlichen auf ein Kopiren,
Abschreiben, Reproduziren des gegebenen Ausdruckes hinaus, wobei man
nur dessen eingedenk bleiben muss, sobald man beim Abschreiben auf
eines der zu ersetzenden Symbole stösst, dass man dasselbe nicht unver-
ändert kopirt, sondern den eben dafür einzusetzenden Ausdruck nimmt,
denselben — nötigenfalls in eine Klammer eingeschlossen — hinsetzt, um
darnach in dem solchergestalt modifizirten Abschreibeverfahren wieder fort-
zufahren. An der Schultafel kann der Prozess durch Auslöschen der zu
ersetzenden Symbole mit dem Kreideschwamme und Einschreiben der ein-
zusetzenden Werte in die leeren Räume verdeutlicht werden; jedenfalls ist
unerlässlich, dass der Anfänger in der Ausführung solch elementaren Pro-
zesses sich eine gewisse Übung erwerbe.

Es kann nun der aktuelle Funktionsausdruck ein durch ein anderes
zu ersetzendes Symbol hundert mal, ja unbegrenzt, „unendlich“ oft ent-
halten, wie das Beispiel zeigen mag:
[Formel 1] — in welchem der Ausdruck freilich in den einfacheren f (x) = a + x b
auch zusammengezogen werden könnte, während derartige Verein-
fachungen vielleicht nicht immer ausführbar erscheinen. Da wäre es
nun äusserst ermüdend, resp. gar nicht vollständig durchführbar, das
Argument x durch einen komplizirten Ausdruck — sagen wir
(a b1 + a1 b) (c d + c1 d1)
— durchweg in Wirklichkeit zu ersetzen.

Die symbolische Funktionsdarstellung erspart uns aber die Nötigung

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[406/0426] Zehnte Vorlesung. man muss dieselben sich ändern lassen oder sie variiren, um sodann die zugehörigen Werte in's Auge zu fassen, welche unser Ausdruck dabei annimmt. Die „Einsetzung“ oder „Substitution“ eines speziellen Wertes für ein bestimmtes Buchstabensymbol, oder auch eines Wertsystemes für eine ganze Gruppe von solchen, wird darum eine der am häufigsten geforderten Verrichtungen in der Wissenschaft sein. Und unter Um- ständen, wenn etwa alle Werte einer bestimmten Klasse von Werten der Reihe nach für ein Symbol eingesetzt werden sollten, kann der ermüdende Prozess dadurch abgekürzt, vereinfacht werden, dass man statt dessen auf einmal einen allgemeinen Ausdruck für dieses Symbol substituirt, welcher die Werte jener Klasse, und nur diese, sämtlich umfasst, dass man anstatt der Einzelwerte selbst einsetzt den Aus- druck der ganzen Klasse von Werten. So wird es oft erforderlich auch einen zuweilen recht komplizirten Ausdruck für ein Buchstaben- symbol zu substituiren, sogar nicht selten gleichzeitig ein ganzes System von Ausdrücken für ein System von Argumenten. Die Operation der Einsetzung läuft im wesentlichen auf ein Kopiren, Abschreiben, Reproduziren des gegebenen Ausdruckes hinaus, wobei man nur dessen eingedenk bleiben muss, sobald man beim Abschreiben auf eines der zu ersetzenden Symbole stösst, dass man dasselbe nicht unver- ändert kopirt, sondern den eben dafür einzusetzenden Ausdruck nimmt, denselben — nötigenfalls in eine Klammer eingeschlossen — hinsetzt, um darnach in dem solchergestalt modifizirten Abschreibeverfahren wieder fort- zufahren. An der Schultafel kann der Prozess durch Auslöschen der zu ersetzenden Symbole mit dem Kreideschwamme und Einschreiben der ein- zusetzenden Werte in die leeren Räume verdeutlicht werden; jedenfalls ist unerlässlich, dass der Anfänger in der Ausführung solch elementaren Pro- zesses sich eine gewisse Übung erwerbe. Es kann nun der aktuelle Funktionsausdruck ein durch ein anderes zu ersetzendes Symbol hundert mal, ja unbegrenzt, „unendlich“ oft ent- halten, wie das Beispiel zeigen mag: [FORMEL] — in welchem der Ausdruck freilich in den einfacheren f (x) = a + x b auch zusammengezogen werden könnte, während derartige Verein- fachungen vielleicht nicht immer ausführbar erscheinen. Da wäre es nun äusserst ermüdend, resp. gar nicht vollständig durchführbar, das Argument x durch einen komplizirten Ausdruck — sagen wir (a b1 + a1 b) (c d + c1 d1) — durchweg in Wirklichkeit zu ersetzen. Die symbolische Funktionsdarstellung erspart uns aber die Nötigung

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/426>, abgerufen am 22.11.2024.