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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Zehnte Vorlesung.

Die zwischen Parametern und Argumenten einer Funktion will-
kürlich gezogene Grenze ist demungeachtet von eminent praktischer
Wichtigkeit, in Anbetracht, dass es in der Regel nicht zweckmässig
erscheint, einen Ausdruck in seiner Abhängigkeit von allen in den-
selben eingehenden allgemeinen oder literalen Gebietsymbolen zugleich
zu untersuchen. Zumeist erscheint es nur angezeigt oder geboten,
dies in Bezug auf eine gewisse Gruppe der den Ausdruck formal zu-
sammensetzenden Elemente auf einmal zu thun, und diesen als den
"Argumenten" der Funktion die übrigen Elemente als ihre Parameter
gegenüberzustellen.

Alle hier eingeführten Benennungen sind dem Mathematiker -- in
ihrer nicht durchaus gleichlautenden, aber doch analogen Anwendung auf
das Gebiet der Zahlen -- längst geläufig. Die mathematische Erklärung
der "Funktion" setzt allerdings das Vorhandensein eines "analytischen" oder
Formelausdrucks für dieselbe nicht voraus, sondern stützt sich lediglich
auf die eindeutige Zuordnung der Funktionswerte zu den Argumentwerten
(resp. -wertsystemen); doch lässt sie wenigstens die analytische Darstellung
der Funktionen durch dergleichen Ausdrücke mit zu, und findet auf dem
Gebiet der letztern ihre hauptsächlichsten Anwendungen.

Ausserhalb der mathematischen Terminologie wird von "Funktionen"
sowol als von "Argumenten" in einem gänzlich davon unabhängigen Sinne
gesprochen: Man spricht von der Funktion, im Sinne von Lebensverrichtung,
vom Funktioniren, irgend eines Organes des Pflanzen- oder Tierkörpers,
auch von dem Funktioniren einer Maschine, überhaupt von der Funktion,
der Wirksamkeit irgend eines Mittels zu einem Zwecke. Und ferner pflegt
ein Beweisgrund auch als Argument, die Beweisführung, namentlich wenn
sie eine rhetorische ist, als Argumentiren oder Argumentation bezeichnet
zu werden. Diese Benennungen haben, wie gesagt, gar nichts mit den
obigen, an die wir uns hier halten, zu schaffen. Die verschiedenen An-
wendungssphären dieser Homonyme liegen aber auch so weit auseinander,
dass der vorhandene Doppelsinn nicht sehr verfänglich erscheint.

Ersetzt man in einem als Funktion f (x) betrachteten Ausdrucke
das Argument x durchweg, wo immer es sich in dem Ausdrucke vor-
findet, durch ein spezielles Gebiet a, also namentlich auch x1 durch-
weg durch a1, so wird der durch diese Substitution sich ergebende
Ausdruck mit f (a) bezeichnet.

Insbesondre erhält man demnach f (1), indem man x durch 1 und
demgemäss x1 durch 0 durchweg in f (x) ersetzt -- wobei man die durch
die Theoreme 21), 22) und eventuell 30) angezeigten Vereinfachungen oder
Reduktionen des Ausdrucks eintreten lassen kann. Ebenso resultirt f (0)
aus f (x), indem man 0 für x und 1 für x1 einsetzt.

Obige Bemerkung gilt auch, wenn a einen zusammengesetzten Aus-
druck bezeichnet, und ist hienach, sobald f (x) gegeben ist, auch die Be-
deutung von f (b c), f (a + b), etc. ohne weiteres klar.

Zehnte Vorlesung.

Die zwischen Parametern und Argumenten einer Funktion will-
kürlich gezogene Grenze ist demungeachtet von eminent praktischer
Wichtigkeit, in Anbetracht, dass es in der Regel nicht zweckmässig
erscheint, einen Ausdruck in seiner Abhängigkeit von allen in den-
selben eingehenden allgemeinen oder literalen Gebietsymbolen zugleich
zu untersuchen. Zumeist erscheint es nur angezeigt oder geboten,
dies in Bezug auf eine gewisse Gruppe der den Ausdruck formal zu-
sammensetzenden Elemente auf einmal zu thun, und diesen als den
„Argumenten“ der Funktion die übrigen Elemente als ihre Parameter
gegenüberzustellen.

Alle hier eingeführten Benennungen sind dem Mathematiker — in
ihrer nicht durchaus gleichlautenden, aber doch analogen Anwendung auf
das Gebiet der Zahlen — längst geläufig. Die mathematische Erklärung
der „Funktion“ setzt allerdings das Vorhandensein eines „analytischen“ oder
Formelausdrucks für dieselbe nicht voraus, sondern stützt sich lediglich
auf die eindeutige Zuordnung der Funktionswerte zu den Argumentwerten
(resp. -wertsystemen); doch lässt sie wenigstens die analytische Darstellung
der Funktionen durch dergleichen Ausdrücke mit zu, und findet auf dem
Gebiet der letztern ihre hauptsächlichsten Anwendungen.

Ausserhalb der mathematischen Terminologie wird von „Funktionen“
sowol als von „Argumenten“ in einem gänzlich davon unabhängigen Sinne
gesprochen: Man spricht von der Funktion, im Sinne von Lebensverrichtung,
vom Funktioniren, irgend eines Organes des Pflanzen- oder Tierkörpers,
auch von dem Funktioniren einer Maschine, überhaupt von der Funktion,
der Wirksamkeit irgend eines Mittels zu einem Zwecke. Und ferner pflegt
ein Beweisgrund auch als Argument, die Beweisführung, namentlich wenn
sie eine rhetorische ist, als Argumentiren oder Argumentation bezeichnet
zu werden. Diese Benennungen haben, wie gesagt, gar nichts mit den
obigen, an die wir uns hier halten, zu schaffen. Die verschiedenen An-
wendungssphären dieser Homonyme liegen aber auch so weit auseinander,
dass der vorhandene Doppelsinn nicht sehr verfänglich erscheint.

Ersetzt man in einem als Funktion f (x) betrachteten Ausdrucke
das Argument x durchweg, wo immer es sich in dem Ausdrucke vor-
findet, durch ein spezielles Gebiet a, also namentlich auch x1 durch-
weg durch a1, so wird der durch diese Substitution sich ergebende
Ausdruck mit f (a) bezeichnet.

Insbesondre erhält man demnach f (1), indem man x durch 1 und
demgemäss x1 durch 0 durchweg in f (x) ersetzt — wobei man die durch
die Theoreme 21), 22) und eventuell 30) angezeigten Vereinfachungen oder
Reduktionen des Ausdrucks eintreten lassen kann. Ebenso resultirt f (0)
aus f (x), indem man 0 für x und 1 für x1 einsetzt.

Obige Bemerkung gilt auch, wenn a einen zusammengesetzten Aus-
druck bezeichnet, und ist hienach, sobald f (x) gegeben ist, auch die Be-
deutung von f (b c), f (a + b), etc. ohne weiteres klar.

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[404/0424] Zehnte Vorlesung. Die zwischen Parametern und Argumenten einer Funktion will- kürlich gezogene Grenze ist demungeachtet von eminent praktischer Wichtigkeit, in Anbetracht, dass es in der Regel nicht zweckmässig erscheint, einen Ausdruck in seiner Abhängigkeit von allen in den- selben eingehenden allgemeinen oder literalen Gebietsymbolen zugleich zu untersuchen. Zumeist erscheint es nur angezeigt oder geboten, dies in Bezug auf eine gewisse Gruppe der den Ausdruck formal zu- sammensetzenden Elemente auf einmal zu thun, und diesen als den „Argumenten“ der Funktion die übrigen Elemente als ihre Parameter gegenüberzustellen. Alle hier eingeführten Benennungen sind dem Mathematiker — in ihrer nicht durchaus gleichlautenden, aber doch analogen Anwendung auf das Gebiet der Zahlen — längst geläufig. Die mathematische Erklärung der „Funktion“ setzt allerdings das Vorhandensein eines „analytischen“ oder Formelausdrucks für dieselbe nicht voraus, sondern stützt sich lediglich auf die eindeutige Zuordnung der Funktionswerte zu den Argumentwerten (resp. -wertsystemen); doch lässt sie wenigstens die analytische Darstellung der Funktionen durch dergleichen Ausdrücke mit zu, und findet auf dem Gebiet der letztern ihre hauptsächlichsten Anwendungen. Ausserhalb der mathematischen Terminologie wird von „Funktionen“ sowol als von „Argumenten“ in einem gänzlich davon unabhängigen Sinne gesprochen: Man spricht von der Funktion, im Sinne von Lebensverrichtung, vom Funktioniren, irgend eines Organes des Pflanzen- oder Tierkörpers, auch von dem Funktioniren einer Maschine, überhaupt von der Funktion, der Wirksamkeit irgend eines Mittels zu einem Zwecke. Und ferner pflegt ein Beweisgrund auch als Argument, die Beweisführung, namentlich wenn sie eine rhetorische ist, als Argumentiren oder Argumentation bezeichnet zu werden. Diese Benennungen haben, wie gesagt, gar nichts mit den obigen, an die wir uns hier halten, zu schaffen. Die verschiedenen An- wendungssphären dieser Homonyme liegen aber auch so weit auseinander, dass der vorhandene Doppelsinn nicht sehr verfänglich erscheint. Ersetzt man in einem als Funktion f (x) betrachteten Ausdrucke das Argument x durchweg, wo immer es sich in dem Ausdrucke vor- findet, durch ein spezielles Gebiet a, also namentlich auch x1 durch- weg durch a1, so wird der durch diese Substitution sich ergebende Ausdruck mit f (a) bezeichnet. Insbesondre erhält man demnach f (1), indem man x durch 1 und demgemäss x1 durch 0 durchweg in f (x) ersetzt — wobei man die durch die Theoreme 21), 22) und eventuell 30) angezeigten Vereinfachungen oder Reduktionen des Ausdrucks eintreten lassen kann. Ebenso resultirt f (0) aus f (x), indem man 0 für x und 1 für x1 einsetzt. Obige Bemerkung gilt auch, wenn a einen zusammengesetzten Aus- druck bezeichnet, und ist hienach, sobald f (x) gegeben ist, auch die Be- deutung von f (b c), f (a + b), etc. ohne weiteres klar.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/424>, abgerufen am 08.05.2024.